FC-Trainer im Interview "Das Ei wird gerade gekocht"

Lukas Kwasniok will mit dem 1. FC Köln in der Bundesliga für Furore sorgen. Nun spricht der 44-Jährige über seine Arbeit beim FC.
Seit drei Wochen ist Lukas Kwasniok neuer Cheftrainer des 1. FC Köln. Im Trainingslager in Bad Waltersdorf sprach er mit dem Geissblog über den Umbruch beim FC, einen Kulturwandel in der Mannschaft und die zentralen Regeln, mit denen sich seine Spieler anfreunden müssen.
t-online: Herr Kwasniok, was ist für Sie nach gut drei Wochen beim 1. FC Köln die größere Herausforderung: Die Suche nach der richtigen Mannschaft für den Bundesliga-Auftakt oder die Suche nach einer Wohnung in Köln?
Lukas Kwasniok: Das eine ist zum Glück abgeschlossen, eine Wohnung habe ich inzwischen gefunden. Und das andere ist ein völlig überhöhtes Thema. Ich bereite die Mannschaft nicht auf den ersten Spieltag, sondern auf eine ganze Saison vor. Ich habe in 19 Jahren Trainer-Dasein noch nie erlebt, dass die Mannschaft, die am ersten Spieltag aufläuft, das gleiche Gesicht hat wie die, die am letzten Spieltag aufläuft. Wenn der eine oder andere im letzten Testspiel nicht spielt, hat man das Gefühl, die Welt bricht zusammen – aber am dritten Spieltag sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Der erste Spieltag ist ein Vierunddreißigstel der Saison, nicht mehr.
Sie haben die Vorbereitung zuletzt mit "Wer wird Millionär?" verglichen. Vor dem Saisonauftakt gelte es, ein paar falsche Antworten auszuschließen. Um in dem Bild zu bleiben: Befinden Sie sich aktuell noch bei der 500-Euro-Frage oder eher schon bei den 16.000?
Die Gewichtung der Frage verändert sich nicht. Es geht eher darum, dass ich von Woche zu Woche weitere Antworten ausschließen kann. Aktuell ist es durch das Trainingslager und die gemeinsame Arbeit aber eher so, dass vermeintlich schon ausgeschlossene Optionen doch wieder aufs Tableau kommen – ohne da jetzt auf konkrete Namen eingehen zu wollen.
Dieser Move soll für den Kwasniok-Fußball stehen
Sie verfolgen einen anderen Ansatz als Ihre Vorgänger, haben für Ihre Taktik bereits das Schlagwort "Spielmanipulation" in den Raum geworfen. An welche neuen Prinzipien muss sich die Mannschaft darüber hinaus gewöhnen?
Es sind ganz viele Attribute, die ich einfordere. Da ist für die Jungs auch mal ein Kulturschock dabei. Zum Beispiel gibt es bei mir keine Pause, wenn der Ball ins Aus geht. Das ist ein Moment, in dem der Gegner vielleicht einen Tick nachlässt, weil jeder ein bisschen happy ist, mal durchschnaufen zu können. Dann nehmen wir Fahrt auf, gehen ins Tempo und beschleunigen das Geschehen. So kommt durch einen ganz simplen Move eine ganz andere Dynamik ins Spiel. Und auch die Menschen im Stadion merken, dass wir auf dem Gaspedal sind.
Fällt es der Mannschaft leicht, die Wünsche des Trainers umzusetzen?
Jeder ist gewillt, sie umzusetzen. Jetzt müssen wir herausfinden, wer dieses Tempo über 90 Minuten gehen kann. Das wird sich dann in der letzten Vorbereitungswoche rund um die letzten Testspiele entscheiden. Noch kenne ich die Mannschaft nicht aus dem Effeff.
Was müsste passieren, damit Sie nach 34 Spieltagen sagen: Das war eine gute Saison für den 1. FC Köln?
Wenn die Menschen sagen: Dieser FC steht für etwas. Einen sechsten Platz empfindet natürlich jeder besser als Platz 14 – aber die Fans müssen vor allem das Gefühl haben, dass die Jungs marschieren. Mein Ansatz ist: Die Menschen müssen mit unserer Art, mit der Herangehensweise zufrieden sein. Dann war es für mich eine erfolgreiche Saison.
Was muss im Kader noch passieren?
Es geht nicht um ein ‚Muss‘ – es wird einfach Veränderungen geben. Eventuell gibt es Abgänge. Dann wird es noch ein paar Zugänge geben. Das Ei wird gerade gekocht, aber es ist noch ein weiches Ei. Schauen wir mal, dass daraus bis zum 1. September ein hart gekochtes Ei wird.
Maina und El Mala gemeinsam auf links?
Viele Ihrer ehemaligen Spieler aus Paderborn wurden schon gehandelt. Kein einziger kam tatsächlich. Zumindest bislang…
Es ist offensichtlich, dass wir auf zwei, drei Positionen noch suchen. Das ist die linke Seite, die Innenverteidigung und vielleicht noch der Angriff. Andererseits arbeiten wir in einem fahrenden Zug. Ein Beispiel: Wenn du auf einmal merkst, dass ein Linton Maina und ein Said El Mala im Training gemeinsam eine gewisse Freude ausstrahlen, musst du die mal laufen lassen. So ergibt sich ein Gedanke, den man vor drei Wochen noch gar nicht hatte. Und so kann es sein, dass das Interesse an einem Spieler, den du vor zwei Wochen noch unbedingt verpflichten wolltest, geringer wird.
Maina und El Mala könnten also gemeinsam auf der linken Seite spielen?
Das ist nur ein plakatives Beispiel, zwischen den beiden hat es im Training schon ganz gut harmoniert. Ob das für die Bundesliga tauglich ist, kann ich noch nicht sagen. Aber manchmal wirst du eben von einer Dynamik innerhalb deiner Mannschaft überrascht und dann musst du deine Transferstrategie anpassen. Für mich als Trainer ist das total interessant, dass man ganz viele Dinge nicht vorhersehen kann, wenn man eine Mannschaft kennenlernt.
Was für ein Typ sind Sie bei der Kaderplanung? Schlagen Sie Thomas Kessler konkrete Namen vor oder kommen potenzielle Kandidaten vorwiegend aus dem Scouting?
Sowohl als auch. Das ist ein totales Miteinander. Natürlich kenne ich ein paar Spieler aus der Vergangenheit und man hat immer ein Faible für den einen oder anderen. Genauso kommen Spieler über das Beraternetzwerk und die Scoutinglisten. Wir schauen uns die Spieler gemeinsam an, das ist wirklich ein kontinuierlicher Prozess. Wo ein Spieler herkommt, ist egal – man muss für alles offen sein, auch für Veränderungen im Kader.
Nehmen Sie nach der Rückkehr in die Bundesliga rund um den 1. FC Köln eine Aufbruchsstimmung wahr?
Das Gefühl habe ich schon und ich genieße es sehr. Für mich ist es imposant, was rund um den FC passiert. Es ist doch nicht normal, dass ein Fan mit einem Kleinwagen ins Trainingslager kommt und alle Spieler darauf unterschreiben lässt. Davon habe ich sogar mal ein Foto für mich selbst gemacht (lacht). Auch in der Mannschaft spüre ich eine Aufbruchsstimmung.
Warum Kwasniok Stromberg zitiert
Der FC darf wieder transferieren, noch dazu als Bundesligist. Ist es für Sie ein dankbarer Zeitpunkt, FC-Trainer zu werden? Womöglich dankbarer als vor einem Jahr für Gerhard Struber?
Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, zu vergleichen bringt nichts. Ich erachte die Situation aber schon als herausfordernd. Wir sind Aufsteiger. Es ist schön, dass wir transferieren können – aber durch die Transfersperre hat sich der Kader in den vergangenen beiden Jahren kaum verändert.
Spielen die Folgen der Transfersperre also auch für Sie noch eine Rolle?
Frisches Blut hat schon gefehlt. Wenn du so lange als Team beisammen bist, will der eine dem anderen vielleicht nicht mehr so wehtun. Deshalb habe ich innerhalb der Mannschaft von einem Kulturwandel gesprochen.
Im Gespräch verwenden Sie häufig Anekdoten und Bilder – gilt das auch für die Arbeit mit der Mannschaft?
Ich habe eine bildhafte Sprache. Das ist nicht antrainiert, das ist mein Naturell. Geschichten, Erlebnisse, Zitate – das gehört dazu. Unsere Arbeit muss lebendig sein. Du musst das, was du vermitteln willst, den Spielern auch schmackhaft machen. Du musst ein guter Entertainer sein, eine Mischung aus Entertainer und Trainer. Die Zeit, einer Mannschaft stoisch etwas zu erklären, ist vorbei. Die Aufmerksamkeitsspanne bei den jungen Menschen geht immer weiter runter. Früher wurde ich in der Schule dafür ermahnt, wenn ich mit dem Stuhl gewackelt habe. Heute wird aktiv Gymnastik gemacht, damit niemand einnickt. Auf diese veränderte Gesellschaft müssen wir uns als Trainer einstellen. Wir haben auch mal eine lange Videositzung, aber häufiger hier mal fünf Minuten, da mal acht, dort mal zehn. Geh mit der Zeit oder du gehst mit der Zeit.
Ein Zitat von Schiller, das allerdings auch durch die TV-Serie "Stromberg" bekannt wurde.
Stimmt (lacht). Ich arbeite mit allem, was ich in die Hände bekomme. Monotonie ist der Tod der Aufmerksamkeit. Die Spieler brauchen immer wieder etwas Neues. Das offeriere und verspreche ich den Spielern. Ich kann ihnen nicht versprechen, dass sie am Wochenende spielen. Ich kann ihnen aber versprechen, dass sie zum Training kommen und merken: Das Trainerteam hat sich richtig Gedanken gemacht.
Haben Sie dabei auch klare Regeln?
Nur zwei: 45 Minuten vor dem Training ist Treffpunkt. Zudem keine Kappe und kein Handy am Tisch beim gemeinsamen Essen. Sonst wird’s teuer. Darüber hinaus finde ich, führt jede Regel nur dazu, dass ich überprüfen muss, ob sie eingehalten wird. Wenn um 10.30 Uhr Trainingsbeginn ist und einer kommt 23 Sekunden zu spät, müsste ich ihn sanktionieren. Aber es macht eigentlich keinen Unterschied, ob wir um 10.30 oder 10.32 Uhr beginnen. Das ist ein typisch deutsches Phänomen. Stattdessen organisieren wir uns einfach so, dass wir gemeinsam auf den Platz gehen und anfangen. Oder im Trainingslager beim Essen im Hotel: Muss ich wirklich jemandem sagen, dass er nicht mit Badeschlappen zum Mittagessen kommt? Wir sind doch nicht im Urlaub. Die Spieler sind erwachsene Menschen. Ich appelliere an den gesunden Menschenverstand, an den Respekt innerhalb einer Gruppe.
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