Kölner Drogenkrieg Brutale Geiselnahme in Rodenkirchen: Details enthüllt

Blutige Entführung, nackte Geiseln, Todesdrohungen: Vor dem Landgericht beginnt der nächste große Prozess im Kölner Drogenkrieg. Drei junge Männer sollen ein Paar in einer Villa in Rodenkirchen stundenlang gequält haben.
Vor dem Kölner Landgericht hat am Dienstag der nächste große Prozess im sogenannten Kölner Drogenkrieg begonnen. Drei junge Männer im Alter von 20 und 21 Jahren müssen sich wegen gemeinschaftlich begangener Geiselnahme, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Es geht um eine brutale Entführung im Sommer 2024, bei der zwei Menschen in einer Villa in Rodenkirchen stundenlang gefoltert worden sein sollen.
- In Rodenkirchen: Brutale Details zu Villa-Geiselnahme offenbart
Beim Betreten des Saals hält einer der angeklagten Männer, ein 21-jähriger syrischer Staatsangehöriger, sich eine rote Aktenmappe tief ins Gesicht. Neben ihm steht der zweite Angeklagte, ein 20-jähriger Deutscher in weißem Hemd, den Kopf ebenfalls hinter einer Mappe versteckt. Am auffälligsten wirkt der dritte Angeklagte, ein Niederländer. Der Mann mit schmaler Statur betritt als letzter der drei Angeklagten den Sitzungssaal und trägt einen knallgrünen Kapuzenpulli und wirkt eher wie ein Student als jemand, der mit scharfen Waffen und einer Eisenstange eine brutale Entführung begangen haben soll. Doch die Vorwürfe sind schwer.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Dreien vor, am 4. Juli 2024 gemeinsam mit mehreren bislang gesondert verfolgten Komplizen ein Paar aus dem Ruhrgebiet nach Köln verschleppt zu haben. Hintergrund war der Diebstahl von 350 Kilogramm Marihuana aus dem Umfeld der Bande um den mutmaßlichen Anführer. Die Entführung sollte offenbar den Bruder des männlichen Opfers unter Druck setzen: Drogen zurückgeben oder 1,5 Millionen Euro zahlen – sonst, so lautete eine der Drohnachrichten, "ist dein Bruder tot".
Brutale Gewalt, Todesdrohungen und Videos
Laut Anklageschrift wurden die Opfer in Bochum überwältigt, in einen Transporter gezerrt, gefesselt und geschlagen. Anschließend brachte man sie in eine Villa nach Köln-Rodenkirchen. Dort sollen die Männer die beiden über Stunden misshandelt haben. Mithilfe von Schusswaffen und einer Eisenstange wurden Schläge gegen Köpfe und Körper ausgeübt – beim männlichen Opfer insgesamt mindestens 23 Gewalteinwirkungen. Die Geschädigten seien ausgezogen worden; Augen und Hände habe man ihnen mit Klebeband zugeklebt, während ihnen gedroht wurde, man werde ihnen Finger abhacken oder sie erschießen.
Zudem sollen die Täter Videos angefertigt haben: Einer der Angeklagten soll der männlichen Geisel eine Pistole an den Kopf gedrückt haben – Szenen, die anschließend ins Netz gestellt wurden.
SEK befreit Opfer aus Rodenkirchener Villa
Die Opfer wurden am nächsten Tag von einem Sondereinsatzkommando befreit, nachdem ein Beteiligter offenbar kalte Füße bekam und die Polizei eingeschaltet hatte. Beide wurden sofort in ein Krankenhaus gebracht. Bis heute, so heißt es in der Anklage, leidet der männliche Geschädigte an den Folgen der Tat, kann kaum Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen und ist psychisch schwer belastet.
Im Laufe des ersten Prozesstages berichtete der angeklagte Niederländer über seine Anwältin, er sei über ein soziales Netzwerk gefragt worden, ob er "für 5.000 Euro jemanden schlagen würde". Da er sich in einer schwierigen Lage befunden habe, habe er sich darauf eingelassen. Er habe aber keine Vorstellung davon gehabt, dass es sich um eine Entführung handeln würde. Er sei dafür nach Deutschland gebracht worden.
Angeklagte zu Taten: "Mitläuferstellung" und "schleichende Entwicklung"
Der Anwalt des 20 Jahre alten deutschen Angeklagten sagte, dass sein Mandant eine "Mitläufer-Stellung" gehabt habe, auch wenn er nichts bagatellisieren wolle. Er werde sich auch ausführlich zu seinen Taten äußern, aber keinesfalls zu anderen Beteiligten. Der Grund sei, dass er Sorge um sein "eigenes Wohlbefinden" habe.
Der dritte Angeklagte ließ über seinen Anwalt erklären, dass es sich um eine "schleichende Entwicklung" gehandelt habe, durch die er in die Geiselnahme hereingezogen worden sei.
Der Prozess ist Teil einer Serie von Verfahren im Zusammenhang mit dem sogenannten Kölner Drogenkrieg, bei dem es seit dem Sommer 2024 mehrfach zu Explosionen, Schießereien und Entführungen gekommen war. Für den aktuellen Fall sind 16 Verhandlungstage bis Ende November angesetzt.
- Reporter vor Ort
- Nachrichtenagentur dpa