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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In Rodenkirchen Brutale Details zu Villa-Geiselnahme offenbart

Das erste Urteil in den Kölner Drogenprozessen offenbart auch brutale Details zur Geiselnahme in Rodenkirchen. Die Opfer leiden darunter bis heute.
Fast unscheinbar liegt das Haus hinter einer dichten Hecke. Ein Tor versperrt die Einfahrt, das Gebäude dahinter ist von der Straße kaum zu erkennen. Bäume umringen das Grundstück im Kölner Stadtteil Rodenkirchen. Die Umgebung lässt nicht erahnen, welche brutalen Szenen sich hier im Juli 2024 abspielen.
Das Urteil im ersten der Kölner Drogenprozesse zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit, wie brutal die Geiselnehmer von Rodenkirchen ihre Opfer über Stunden misshandelten und bedrohten. Das Paar aus dem Ruhrgebiet wurde über Stunden festgehalten. Der Mann leidet bis heute unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Seine Lebensgefährtin trennte sich nach den Ereignissen von ihm.
Kölner Drogenkrieg: Details zu brutaler Geiselnahme in Rodenkirchen
Auf der Suche nach 350 Kilogramm Marihuana (Codename: "Amnesia Haze") nimmt die Kölner Drogengruppierung um den mutmaßlichen Kopf Sermet A. schnell eine rivalisierende Gruppe aus dem Ruhrgebiet ins Visier. Nach einem Testkauf einer kleinen Menge Gras sind sie sich sicher: Die 350 Kilogramm wurden aus einer Lagerhalle in Hürth gestohlen und anschließend nach Bochum gebracht.
Am Abend des 4. Juli 2025 locken zwei Mitglieder der Drogenbande die späteren Geiseln in ihren Mercedes. Sie wollen mit ihnen ein Drogengeschäft abschließen. Stattdessen fahren sie in ein Bochumer Industriegebiet, wo angeheuerte Geiselnehmer die zwei Opfer überwältigen und in einen Transporter zwängen. "Im Transporter wurde Gewalt ausgeübt. Ein Opfer wurde mit einer Eisenstange geschlagen", sagt Richter Alexander Fühling.
Villa-Entführung in Köln: Geisel wird nackt misshandelt
Das Paar wird nach Rodenkirchen gebracht, im Keller der Villa werden sie über Stunden misshandelt. Derweil geht eine Nachricht bei dem Bruder der männlichen Geisel ein. Ihr Inhalt: "Ich rede nicht viel mit dir. 1,5 Millionen Euro oder mein ganzer Stoff. Du hast sechs Stunden, oder dein Bruder ist tot." Laut Anklage soll diese Nachricht von Sermet A. stammen. Er ist im Villa-Verfahren allerdings nicht mit angeklagt.
In der Rodenkirchener Villa sollen die Geiseln derweil geschlagen und bedroht worden sein. Die Geiselnehmer drohten unter anderem damit, Zigarettenstummel auf der Haut auszudrücken, ihnen die Zehennägel zu ziehen oder die Füße abzuschneiden. All das schildert Richter Fühling in aller Deutlichkeit. Die männliche Geisel ist dabei nackt, die Frau trägt nur noch Unterwäsche. Sie sagt später aus, die mutmaßlichen Täter hätten sie bei Toilettengängen beobachtet.
Scheinhinrichtung in Köln: Brutale Vorwürfe im Kölner Drogenkrieg
Die männliche Geisel bekommt dabei besonders viel ab. Ein mutmaßlicher Täter steckt ihm eine Waffe in den Mund, hält ihm die Pistole an den Kopf. Er drückt mehrfach ab, obwohl die Waffe nicht geladen ist. Das Gericht spricht von "Scheinhinrichtungen. "Dem Opfer wurde gesagt, dass er bald Gott sehen werde."
Ein Beteiligter an der Geiselnahme soll kalte Füße bekommen haben. Auf seinen Tipp hin greift das SEK am 5. Juli 2025 zu und stellt vor Ort einige der Täter. Außerdem werden Dutzende Videos sichergestellt, die sich die Drogenbande offenbar untereinander zuschickte. "Sie lebten in einer Parallelgesellschaft. Sie wussten von den Geschehnissen, auch wenn sie nicht die herkömmlichen Medien konsumiert haben. Diese Tik-Tok-Welt führt ihr eigenes Leben", erklärt Richter Fühling weiter.
Kölner Drogenprozesse: Neue Verfahren starten im Herbst
Es ist eine Vorausschau auf die nächsten Drogenprozesse, die im Herbst starten sollen. Angeklagt sind in zwei Verfahren zehn Männer, darunter auch ein Kronzeuge gegen Sermet A. Er wurde bereits während des laufenden Prozesses mit einem Hubschrauber für Zeugenaussagen ins Gericht gebracht, trug eine schusssichere Weste.
Das erste Urteil im Kölner Drogenkomplex fällt gegen einen "kleinen Fisch", wie Richter Fühling am Mittwoch sagte. Die Strippenzieher dagegen warten teilweise noch auf ihre Anklage.
- Eigene Recherchen