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Köln: Mutmaßlicher Mord wird in Tiefgarage des Landgerichts nachgestellt


Frau erschossen und verbrannt
Mutmaßlicher Mord im Landgericht nachgestellt


19.11.2021Lesedauer: 3 Min.
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Flankiert von einem Wachtmeister beobachtet der Angeklagte das Geschehen: In der Tiefgarage des Landgerichts wurde die mutmaßliche Tat nachgestellt.Vergrößern des Bildes
Flankiert von einem Wachtmeister beobachtet der Angeklagte das Geschehen: In der Tiefgarage des Landgerichts wurde die mutmaßliche Tat nachgestellt. (Quelle: Johanna Tüntsch)

Ungewöhnliche Szenen im Kölner Landgericht: In der Tiefgarage kamen Richter, Anwälte, ein Mordverdächtiger und ein Gutachter zusammen. Geklärt werden sollte, auf welche Weise eine junge Frau erschossen worden sein könnte.

Der Mord an einer jungen Frau aus Rheinland-Pfalz, deren verbrannte Leiche am 23. Dezember 2020 auf einem Feldweg bei Ochtendung gefunden wurde, beschäftigt zur Zeit die 4. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts. Auf der Anklagebank sitzt ein 35-jähriger Kölner, der eine außereheliche Beziehung mit dem Mordopfer hatte. Zu den Tatvorwürfen hat er sich bislang nicht geäußert. Es ist ein Indizienprozess, der dem ursprünglichen Plan zufolge in dieser Woche hätte zu Ende gehen sollen.

Das Gutachten des Forensikers habe aber viele Fragen offen gelassen, die dieser mit den ihm vorliegenden Informationen nicht habe beantworten können, erklärte Ulrike Grave-Herkenrath, die Vorsitzende Richterin. Damit der Sachverständige am konkreten Beispiel mögliche Konstellationen erörtern konnte, wurde ein Ortstermin festgesetzt.

Die Prozessbeteiligten versammelten sich am Freitag auf dem Gelände des Landgerichtes um einen Fiat Panda. Mit drei Statisten und dem Fahrzeug, das dem mutmaßlichen Tatwagen entspricht, analysierte Rechtsmediziner Thomas Kamphausen alle denkbaren Konstellationen und Positionen.

Mord nachgestellt: Angeklagter in Handschellen vor Ort

Auch der Angeklagte wurde zu diesem Termin in die Tiefgarage geführt. Er trug Handschellen, die ihm während des Termins nicht abgenommen wurden. Eingerahmt von zwei Wachtmeistern, lehnte er während der etwa anderthalbstündigen Veranstaltung an der Wand und beobachtete mit unbewegter Miene das Geschehen.

Verglichen mit der rigiden Ordnung, die während der Sitzungen üblicherweise einzuhalten ist, war es ein ungewöhnliches Schauspiel, das sich ihm bot. Richter und Anwälte hatten ihre Roben im Saal gelassen. Der Gutachter unterdessen kniete immer wieder neben den Türen nieder, beugte sich quer durch das Auto, hantierte mit Zollstock und Winkel, deutete mit einem langen Zeigestock mögliche Schussverläufe nach.

Statisten stellen mutmaßlichen Mord am Auto nach

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 35-Jährige seine Freundin durch das Autofenster oder die geöffnete Tür erschossen hat. Um verschiedene Varianten durchzuspielen, wurden die Statisten der Reihe nach in verschiedenen Haltungen und Konstellationen im Wagen platziert: die Frau allein auf dem Beifahrersitz, der Mann neben ihrer Tür, dann beide auf den vorderen Plätzen, die Frau an den Mann geschmiegt, während er den Arm um sie legt – und von hinten eine Schusswaffe an ihren Kopf setzt.

Weitere Variante: Der Mann auf der hinteren Bank. Und dann noch die letzte Option: Ein dritter Mann schießt von der hinteren Bank aus der Frau in den Kopf, während der Fahrer vorne sitzt und sich am Armaturenbrett beschäftigt.

Als nach etwa anderthalb Stunden alle Optionen durchgespielt schienen, kündigte Grave-Herkenrath an, dass Nachfragen nicht heute, sondern zu einem späteren Zeitpunkt im Saal besprochen würden.

Die anschließende Vernehmung eines Polizeibeamten, der bereits als Zeuge ausgesagt hatte und nun zu verschiedenen Details befragt wurde, machte deutlich: Zum Verfahren gehören umfangreiche Aktenberge, die nur durch hohen personellen Einsatz auszuwerten waren. "Wir haben aus Koblenz Umzugskartons voller Akten bekommen. Das war sportlich", erinnerte sich der Ermittler.

Verteidiger kritisiert Haltung des Ermittlers

Er habe mit verschiedenen Personen aus dem Umfeld des Angeklagten gesprochen, allerdings mit mäßigen Ergebnis. Über dessen früheren Schwager sagte er: "Der schien nicht besonders interessiert zu sein, auch nicht angesichts der Tatsache, dass es um ein Tötungsdelikt ging." Ein anderer habe "abgeblockt": "Er sagte, er könne nur spekulieren, und das wolle er nicht."

Strafverteidiger Abdou A. Gabbar kritisierte an dieser Stelle die Haltung des Ermittlers: "Ich finde es eine bemerkenswerte Einschätzung, dass Sie sagen, eine Zeuge blocke ab, nur weil er nicht spekulieren will."

Unklar ist weiterhin, ob ein Bekannter des Angeklagten in die Tat verwickelt sein könnte. Dieser hatte am mutmaßlichen Tatabend an einer Autobahntankstelle, die auf der Strecke von Koblenz nach Köln liegt, mit einer Tankkarte des Angeklagten getankt – wäre demnach also zur fraglichen Zeit in der Nähe des mutmaßlichen Tatortes gewesen.

"War es nicht ein Paukenschlag für Sie, als das herauskam?", wollte der Verteidiger vom Polizisten wissen. "Nein", antwortete dieser nur. Das Verfahren wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
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