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Wie gut ist Deutschland auf einen Atomkrieg vorbereitet?


U-Bahn statt Bunker
Wie gut ist Deutschland auf einen Atomkrieg eingestellt?


Aktualisiert am 10.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Gasmasken gegen atomare Verseuchung: In der Schutzanlage Köln-Kalk gehörten sie zur Ausstattung.Vergrößern des Bildes
Gasmasken gegen atomare Verseuchung: In der Schutzanlage Köln-Kalk gehörten sie zur Ausstattung. (Quelle: Michael Hartke)

Im russischen Fernsehen wird offen über mögliche Atomschläge gegen den Westen diskutiert. Wäre Deutschland auf den nuklearen Ernstfall vorbereitet? Das Beispiel Köln gibt Antworten.

Tausende Fahrgäste der KVB fahren hier tagtäglich zur Arbeit oder nach Hause, steigen aus und ein. Dabei wissen sie nicht, dass sie sich in einer Schutzanlage für den Kriegsfall befinden: der U-Bahnhof Kalk Post.

Es ist ein Szenario, das keiner will und das seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs doch täglich in den Nachrichten mitschwingt. Was, wenn sich der Krieg ausbreitet, fragt man sich. Was, wenn Deutschland angegriffen wird? Und vor allem: Was ist dann zu tun?

Zumindest auf die letzte Frage sollten Bunker wie die U-Bahn-Haltestelle einmal eine Antwort liefern. In Zeiten des Kalten Krieges sollte die ehemalige Zivilschutzanlage mehr als 2.500 Menschen vor einem Atomangriff schützen.

Städtische Schutzräume sind heute in Privathand

Die Betonung liegt auf "sollte". "Die stillgelegten Schutzräume in Köln sind aktuell nicht nutzbar", teilt Simone Winkelhog, Sprecherin der Stadt Köln, t-online auf Anfrage mit. "Die Stadt Köln hat die Reaktivierung geprüft mit dem Ergebnis, dass dies kurzfristig nicht möglich ist."

Welche Bunkeranlagen geprüft wurden, verrät die Stadt nicht. Vonseiten der Feuerwehr Köln heißt es, die städtischen Schutzräume seien 2007 durch Erlass des Bundesinnenministeriums veräußert worden. "Die Feuerwehr Köln hat keine Übersicht über die Anzahl oder den Zustand dieser Liegenschaften", sagt Feuerwehrsprecher Ulrich Laschet.

Atombunker in Köln-Kalk: Viele wollen sich Plätze reservieren

Zumindest die aktuelle Nutzung der ehemaligen "Zivilschutzanlage Köln-Kalk" ist klar. Derzeit noch in städtischem Besitz, wird sie vom Verein "Dokumentationszentrum Kalter Krieg" (DOKK) als Museum betrieben.

Vereinsmitglied Robert Schwienbacher, der hier ehrenamtlich Führungen veranstaltet, erhält beinahe täglich Anfragen von besorgten Bürgern, die sich für den Fall eines Krieges einen Platz im Bunker sichern wollen. Anfragen, die Schwienbacher jedes Mal abschlägig beantworten muss.

"Diese Anlage ist eine Dokumentationsstätte für die Zeit des Kalten Krieges und nicht mehr funktionstüchtig", sagt er. So sollte die Anlage die Zivilisten ursprünglich nicht vor Bomben, sondern vor der Strahlung nach einem Atomschlag schützen.

Heutige Atombomben wirken von Köln bis Koblenz

"Einer Atombombe hält die Anlage gar nicht stand, wenn sie direkt auf die Schutzanlage fällt", weiß Schwienbacher. Die Wände sind nur 60 Zentimeter stark, bis zur Erdoberfläche sind es nur 1,20 Meter.

"Moderne Atomwaffen haben eine Sprengkraft von bis zu 100 Megatonnen. Hiroshima hatte nur 15 Kilotonnen Sprengkraft", erklärt Schwienbacher. Ihm zufolge hätte ein nuklearer Angriff auf Köln Auswirkungen bis Recklinghausen, Koblenz und Maastricht, mit geschätzt 3,5 Millionen Toten und Verletzten. "Ein Plasmaball von vier Kilometern Durchmesser würde in Köln nichts mehr übrig lassen", fürchtet er.

Dann gäbe es die U-Bahn-Station nicht mehr und keine Ärzte, die noch jemanden in der Krankenstation unter Köln-Kalk behandeln könnten. "Gegen einen nuklearen Angriff gibt es keinen wirklichen Schutz", ist Schwienbacher überzeugt.

Der heimische Keller wird zur Bunkeranlage

Ein Atomkrieg mag das größte unter den möglichen Schreckensszenarien sein. Trösten tut das die Wenigsten. Unwillkürlich denkt man an das alte Sprichwort aus dem Nachkriegs-Köln: Um die gesamte Domstadt zu überblicken, müsse man nur auf eine Kiste steigen.

Aber auch wenn es an öffentlichen Bunkeranlagen mangelt: Völlig ohne Schutz seien die Menschen trotzdem nicht, meint Irina Sonnenberg vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK). So ließen sich im Notfall auch andere U-Bahn-Stationen, Tiefgaragen und Keller in Massivbauweise zu Bunkern umfunktionieren.

"Im Notfall können auch Treppenhäuser oder innenliegende Räume, die zwar oberirdisch sind, aber keine Öffnungen nach außen haben, noch einen deutlichen Schutz vor Waffeneinwirkungen bieten", erklärt Sonnenberg.

Im Ernstfall diktiert der Bund, die Stadt reagiert

Abseits davon rät Sonnenberg, sich mit einem Vorrat für Notsituationen wie einen Verteidigungsfall vorzubereiten. "Für einen Spannungs- und Verteidigungsfall sind eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen. Im Zivilschutz baut der Bund auf den Katastrophenplänen und Vorsorgemaßnahmen der Länder und Kommunen aus dem Katastrophenschutz auf", sagt sie.

Die für Bevölkerungsschutz zuständige Feuerwehr Köln wiederum verweist auf den Bund. "Sollte es zu einer Ausweitung des Krieges auf Nato-Gebiet kommen, werden weitreichende Maßnahmen durch die Bundesregierung angeordnet", sagt Feuerwehrsprecher Laschet.

"In diesem Fall würde auf dem Stadtgebiet Köln der Krisenstab und die Einsatzleitung Feuerwehr nur situativ auf diese Maßnahmen reagieren können." Schließlich sei nicht absehbar, welche Auswirkungen ein Kriegsausbruch auf die Infrastruktur, die Versorgung und den Flüchtlingsstrom habe.

14 Tage Schutz vor atomarer Strahlung

Im Kalten Krieg sah die Vorbereitung auf den Ernstfall weniger reaktiv aus. Heute zeugt der konservierte Atombunker in Kalk von den damaligen Plänen zum Schutz der Bevölkerung.

Sobald die Regierung gesicherte Erkenntnisse über einen Atomschlag gehabt hätte, wäre der hiesige U-Bahn-Verkehr sofort eingestellt und die tonnenschweren Stahltore zur Schutzanlage wären heruntergefahren worden. Um die Stromversorgung zu sichern, ist die Anlage noch heute mit einem Dieselgenerator ausgestattet.

Zivilisten, die sich zum Zeitpunkt des Angriffs in Köln aufgehalten hätten, wären gebeten worden, sich nach Kalk zur Schutzanlage zu begeben. 2.500 Personen hätten dort Zuflucht gefunden.

Atomkrieg – und dann?

Nach 14 Tagen wäre dann Schluss gewesen, die Kapazitäten der Anlage erschöpft. "Danach wären die Menschen mit Bussen abtransportiert worden", erklärt Schwienbacher das Notfallprotokoll. Die Strahlung sei zu diesem Zeitpunkt so weit abgeklungen, dass man die Anlage bequem hätte verlassen können.

Seit 1979 hat niemand mehr den Atombunker unter realen Bedingungen getestet. Lediglich die Feuerwehr hat hier mal geübt. Nichtsdestotrotz: Für den Ernstfall war Köln im Kalten Krieg besser vorbereitet als jetzt.

Verwendete Quellen
  • Anfrage bei der Stadt Köln
  • Gespräch mit Robert Schwienbacher
  • Anfrage bei der Feuerwehr Köln
  • Anfrage beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK)
  • Ratgeber für Notfallvorsorge des BKK
  • Eigene Recherchen
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