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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nürnberger Modeunternehmer Wöhrl-Eigentümer über Leerstand, Mut und den Kaufhof

Viele Schaufenster stehen in Nürnberg leer, Wöhrl investiert dennoch. Darum glaubt der Eigentümer des traditionsreichen Modehauses an einen Erfolg der Innenstadt.
Weit muss Wöhrl-Eigentümer Christian Greiner vom Stammhaus seiner Modekette in Nürnberg nicht laufen, um auf leere Schaufenster zu treffen. An die Zukunft der Innenstädte in Deutschland glaubt der Unternehmer aber trotz der Leerstände.
Im Interview mit t-online erklärt Greiner, warum er wieder in der Nürnberger Fußgängerzone investieren würde, was er im ehemaligen Kaufhof vorhat – und warum er Homeoffice am liebsten abschaffen würde.
t-online: Herr Greiner, Sie haben in den Umbau Ihres Stammhauses in der Nürnberger Innenstadt vor wenigen Jahren 40 Millionen Euro investiert. Wie oft haben Sie das schon bereut?
Christian Greiner: Das habe ich nie bereut. Die Planung dafür liegt natürlich schon lange zurück, damals hatte noch niemand mit der Coronapandemie gerechnet. Mit dem Wissen würde man das heute vielleicht etwas anders angehen. Aber Nürnberg ist unser Stammsitz, wir stehen zur Nürnberger Innenstadt und deshalb war auch der Umbau die richtige Entscheidung.
Ihr Vater scheint das anders zu sehen. Er hat schon vor einiger Zeit gesagt, er würde den Umbau so nicht mehr machen.
Das hat er unter dem Eindruck der Pandemie gesagt. Hätten wir gewusst, dass die kommt, hätten wir natürlich erst einmal den Ball flach gehalten und abgewartet, was in der Welt passiert und wie sich die Innenstädte entwickeln. Das hat aber nichts mit dem Stammhaus im Speziellen zu tun, sondern hätte für jedes andere große Bauprojekt genauso gegolten. Unabhängig davon verfolgen wir die Strategie, Filialen so zu planen, dass wir sie durch Zweit- oder Drittnutzungen von Partnern optimieren können. Das sehen Sie ganz aktuell auch am Ludwigsplatz. Sportausrüster Decathlon wird dort ins Untergeschoss ziehen, damit bekommen wir einen neuen Partner.

Zur Person
Christian Greiner ist der Enkel des Unternehmensgründers Rudolf Wöhrl. Er übernahm die Modehauskette 2017 von seinem Cousin Oliver Wöhrl, nachdem das Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten war. Ihm gelang es, das Modehaus aus der Insolvenz zu führen. Fast alle Arbeitsplätze wurden dabei erhalten, sagt das Unternehmen. Zudem ist Greiner der Vorstandsvorsitzende des Münchner Modehauses Ludwig Beck.
- Decathlon zieht bei Wöhrl ein: Lesen Sie hier mehr dazu.
Dadurch verlieren Sie selbst an Verkaufsfläche.
Wir haben mehr als genug Verkaufsfläche. Als wir um- und angebaut haben, haben wir auf eine Sportabteilung verzichtet und uns auf Fashion und Beauty konzentriert. Decathlon passt deshalb wunderbar zu uns. Partner ins Haus zu holen, ist Teil unseres Konzepts. Schon jetzt haben wir mehrere im Haus, wie zum Beispiel die Damenboutique Purrucker, Schuh Tretter oder Cafés. Wenn es passt, würden wir auch noch weitere reinholen.
In der Nürnberger Innenstadt stehen gerade viele Läden leer. Was hat die Stadt versäumt?
Die Stadt hat – wie andere auch – zu lange gewartet, als in den Straßenzügen die ersten Leerstände aufgetaucht sind. Man hätte sich gleich fragen müssen: Was können wir tun, um die Innenstadt schöner zu machen und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen? Wie wichtig Parkplätze sind, wurde auch zu spät erkannt. Es gilt der alte Spruch "no parking – no business". Wenn ich mein Auto nicht in der Stadt parken kann, wird der Handel irgendwann kaputtgehen. Die Vorstellung, dass die Kunden nur mit dem Elektrofahrrad in die Stadt kommen, ist totaler Quatsch. Mittlerweile haben das auch die Städte kapiert. Gerade in Nürnberg hat ein Umdenken stattgefunden. Die Stadt stößt gerade unheimlich viel an, um die Innenstadt wieder attraktiver zu machen.
Sie haben sich jetzt dazu entschieden, im ehemaligen Kaufhof ein Outlet zu eröffnen. Wie kam es dazu?
Wir waren schon eine Weile mit der Stadt im Gespräch. Die wollte dort mit ansässigen Unternehmen etwas Kreatives machen. So kam die Idee zustande, als Zwischenmieter in den Kaufhof einzuziehen. Es gibt nichts Schlimmeres als leere Schaufenster in der Innenstadt – deshalb haben wir gemeinsam mit der Stadt innerhalb kurzer Zeit eine Lösung gefunden. Wir wollen – Stand heute – am 11. September im Kaufhof eröffnen.
Der Kaufhof könnte eine Blaupause sein
Christian Greiner – Aufsichtsratsvorsitzender bei Wöhrl
Wie lange musste die Stadt Sie überzeugen?
Das ging nicht nur von der Stadt aus. Wir haben das Projekt aktiv angestoßen und dann sehr einvernehmlich gearbeitet. Für uns ist es spannend, so ein vorübergehendes Outlet zu testen. Es gibt in vielen Städten Flächen, die brachliegen. Der Kaufhof könnte im besten Fall eine Blaupause für andere Standorte sein. Wenn das funktioniert, dann ist das doch für alle eine Win-win-Situation.
Was genau können Ihre Kunden im Kaufhof erwarten – der Charme wie im Stammhaus oder alte Galeria-Regale?
Ein hochwertiges Interieur wie am Ludwigsplatz wäre utopisch. Wir wollen erst einmal für ein Jahr im Kaufhof bleiben – und uns dabei nicht selbst Konkurrenz machen. Die Idee ist, ein innovatives Outlet zu eröffnen. Heißt: Wir werden die bestehende Fläche mit kreativen Ideen und einfachen Mitteln attraktiv gestalten. Einen kompletten Laden können wir im Kaufhof nicht bauen.
- Endlich wieder Leben im Kaufhof: Erfahren Sie hier mehr zu den Zwischenmietern in dem ehemaligen Kaufhaus.
Zwischen Ihrem Stammhaus und dem Kaufhof liegt die Breite Gasse, wo viele Läden seit Langem auf neue Mieter warten. Was denken Sie, wenn Sie leere Schaufenster sehen?
Jeder Leerstand tut weh. Wenn man sich überlegt, dass die Breite Gasse früher die Einkaufsstraße in Nürnberg war, ist das wirklich traurig – und schlecht für die Innenstadt. Geht man aber ein paar Schritte weiter, sieht man, dass Nürnberg auch wahnsinnig starke Einkaufsstraßen hat wie die Karolinenstraße oder den Ludwigsplatz. Das motiviert mich.
Glauben Sie, dass es eines Tages auch an anderen Ecken wieder bergauf geht?
Nachdem wir den Um- und Ausbau am Ludwigsplatz umgesetzt hatten, hat sich dort viel getan. Starke Marken wie Nespresso sind direkt bei uns ins Haus eingezogen, im C&A hat im unteren Stockwerk ein großer Edeka eröffnet. Gegenüber von uns wird bald der Juwelier Wempe seinen neuen Standort beziehen. Ich bin überzeugt davon, dass eine Straße sehr schnell wieder florieren kann, wenn ein, zwei gute Mieter mutig sind und dort einziehen. Das sieht man auch an der Luitpoldstraße am Bahnhof. Nachdem sie saniert wurde, findet man dort kein Rotlicht und keine Erotikmärkte mehr, sondern coole Gastronomie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch in der Breiten Gasse passieren kann – die hat doch eine sehr zentrale Lage.
Wenn das so einfach wäre, müsste die Breite Gasse doch schon wieder vermietet sein.
Einer muss vorangehen. Wir ziehen auch in den Kaufhof ein, um ein Zeichen zu setzen. Der Gedanke war, andere dazu zu motivieren, etwas Unkonventionelles auszuprobieren. Gleichzeitig müssen sich aber die Eigentümer der Immobilien bewegen. Manche haben den Schuss noch nicht gehört und beharren darauf, ihre Räume zu Höchstpreisen zu vermieten. Dabei ist es doch besser, wenn ich 30 Prozent weniger verlange, als mein Haus leer stehen zu lassen.
Ich würde mir wünschen, dass Homeoffice stark eingeschränkt wird
Christian Greiner – Aufsichtsratsvorsitzender bei Wöhrl
Schauen wir einmal 20 Jahre nach vorn. Wie wird die Fußgängerzone dann ausschauen?
Ich bleibe optimistisch, sonst würde ich meinen Job nicht machen. Ich hoffe, dass bis dahin die Straßen wiederbelebt sind und die Fußgängerzone attraktiv ist. Neulich habe ich bei einer Konferenz dazu etwas Provokantes gesagt. Ich würde mir wünschen, dass Homeoffice zumindest stark eingeschränkt wird. Dann wären die Büroimmobilien wieder voll und die Leute würden auch unter der Woche mehr in die Innenstadt kommen, weil viele Arbeitsplätze dort liegen. Die Nürnberger Innenstadt ist toll. Die Menschen sollten sie wieder als Erlebnis wahrnehmen und nicht als nerviges Übel, wenn sie etwas brauchen.
Gehen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit noch bummeln?
Ich arbeite in der Stadt und gehe gerne durch die Läden. Wir haben in Nürnberg viele Modegeschäfte, durch die Konkurrenzläden bummele ich weniger. Ich bin aber wahnsinnig gerne in Buchläden unterwegs – Bücher kaufe ich in der Regel immer stationär.
Herr Greiner, vielen Dank für das Gespräch.
- Telefoninterview mit Christian Greiner