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Stuttgart vor Berlin: Was ist dran an der BKA-Drogen-Statistik?


"In Berlin haben sie andere Themen"
Laut BKA-Statistik: Stuttgart deutsche Drogenhauptstadt


Aktualisiert am 04.03.2024Lesedauer: 3 Min.
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Jugendliche und Polizei in Stuttgart (Archivbild): Die meisten erfassten Fälle betreffen Cannabis.Vergrößern des Bildes
Jugendliche und Polizei in Stuttgart (Archivbild): Die meisten erfassten Fälle betreffen Cannabis. (Quelle: Kovalenko/imago-images-bilder)

Schwebt das Ländle in anderen Sphären? Das jedenfalls könnte meinen, wer eine BKA-Statistik zu Rate zieht: Die weist doppelt so viele Drogenfälle wie in Berlin aus.

Man kennt die Klischees: In der Bundeshauptstadt tanzt das Partyvolk nächtelang in den Clubs und pfeift sich vom rezeptpflichtigen Hustensaft bis zum Pferdebetäubungsmittel unkritisch alles rein, was es in die Finger kriegt. In Stuttgart stehen die Leute derweil etwas früher auf, weil wieder Kehrwoche ist.

Und dann das: Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) legen nahe, dass nicht Berlin, sondern die baden-württembergische Landeshauptstadt Deutschlands Drogenmetropole Nummer eins ist.

Bei der vom Bundeskriminalamt vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 zählte Stuttgart zu den Städten mit den meisten Drogendelikten pro Kopf in Deutschland, mit etwa doppelt so viel erfassten Taten wie Berlin. Unter allen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern gab es nur noch zwei, in denen geringfügig mehr Fälle registriert wurden: Koblenz und Kaiserslautern.

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Die Liste aller Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern führt Stuttgart an. Und nicht nur Berlin landet weit abgeschlagen dahinter, sondern auch Frankfurt am Main weist weniger Polizeiaktivität im Drogenbereich auf.

Abwasseranalyse weckt Zweifel

Ist der Südwesten der Republik also ganz besonders gerne high? Daran weckt eine umfangreiche Abwasserstudie zumindest Zweifel: Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) lässt seit Jahren regelmäßig europaweit die Abwässer von Kläranlagen in Städten und Regionen analysieren. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, wann und wo die Menschen in Europa welche Drogen konsumieren.

Eine von zahlreichen erhellenden Erkenntnissen ist, dass neben sozialen auch geografische und wirtschaftliche Strukturen bei der Verteilung des Drogenkonsums eine große Rolle spielen. Drogen werden genommen, wo sie verfügbar sind.


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Ecstasy am Wochenende, Marihuana immer

Europaweit am meisten Kokainrückstände pro 1.000 Einwohner wurden zuletzt zum Beispiel in der Hafenstadt Antwerpen festgestellt, wo die großen Schiffe aus Südamerika anlanden. Besonders viele europäische Labore für das synthetisch hergestellte Crystal Meth befinden sich in Tschechien. Beim Konsum sind drei tschechische Städte ganz vorne, dann folgt das nahegelegene Chemnitz.

Auch über zeitliche Vorlieben gibt die EMCDDA-Kanalanalyse Aufschluss: Die Partydroge MDMA wird hauptsächlich am Wochenende genommen, gekifft wird dagegen auch unter der Woche recht regelmäßig.

EMCDDA-Studie: Stuttgart unauffällig

Das Stuttgarter Abwasser ist in dem EMCDDA-Testreigen auch einmal untersucht worden, und zwar für die 2018 veröffentlichte Studie. Stuttgart bewegte sich damals ganz gediegen im deutschen Mittelfeld: halb so viel Kokain wie in Dortmund und Frankfurt, halb so viel MDMA wie in Berlin, ein im Vergleich zu Städten in tschechischer Grenznähe verschwindend geringer Metamphetamin-Konsum.

Wie kommt es also, dass die Polizei in Stuttgart so viele Fälle von Drogendelikten erfasst? Nachfrage bei Kriminalhauptkommissarin Denise Ray, Sprecherin des Polizeipräsidiums Stuttgart. "Rauschgiftdelikte sind Kontrolldelikte", sagt sie. "Angezeigt wird relativ wenig."

"In der Bundeshauptstadt haben sie ja noch ganz andere Themen"

Und in Stuttgart scheint die Polizei einfach besonders fleißig zu sein. "Wir haben viele Fußstreifen in der Innenstadt", sagt Ray. "Die kontrollieren systematisch an Brennpunkten. So können wir uns die hohen Zahlen erklären."

Ist es vielleicht auch so, dass Berliner Beamte bei Drogen eher einmal ein Auge zudrücken, während es die Stuttgarter ganz genau nehmen? So weit will Ray nicht gehen – und bringt zusätzlich die Arbeitsbelastung ins Spiel: "In der Bundeshauptstadt haben sie ja noch ganz andere Themen", sagt sie. "Wir sind dazu im Vergleich nur eine kleine Landeshauptstadt."

Cannabis-Teillegalisierung: "Mal sehen, wie sich das entwickelt"

Gut möglich erscheint im Übrigen auch, dass die Polizeistatistik in den kommenden Jahren ganz anders aussehen wird. Das liegt an der gerade im Bundestag beschlossenen Teillegalisierung von Cannabis.

Bisher war Cannabis – nicht nur in Stuttgart – die verbreitetste illegale Droge. Von den zuletzt 5.870 in Stuttgart festgestellten Rauschgiftdelikten betrafen 4.004 Fälle den Besitz oder den Erwerb von Cannabis, 226 Handel oder Schmuggel damit. Wie sich die Zahlen in Zukunft ändern, dazu will Polizeisprecherin Denise Ray allerdings keine Prognose abgeben: "Die Polizei muss sich auf die neue Lage einstellen, die Arbeit umstellen", sagt sie. "Mal sehen, wie sich das entwickelt."

Verwendete Quellen
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