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Corona und Fußball: Wenn ihr uns das Brot nehmt, dann lasst uns die Spiele


Fußball gegen den Frust
Wenn ihr uns schon das Brot nehmt, dann lasst uns wenigstens die Spiele

MeinungEin Gastbeitrag von Norbert Bolz

Aktualisiert am 27.08.2020Lesedauer: 3 Min.
Norbert Bolz: Hat in seinem Gastbeitrag über die Wirkung von Fußball geschrieben.Vergrößern des Bildes
Norbert Bolz: Hat in seinem Gastbeitrag über die Wirkung von Fußball geschrieben. (Quelle: Peter Kneffel/dpa und Getty Images via UEFA/T-Online-bilder)
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Viele Menschen sind im Alltag wegen Corona frustriert, manche sogar panisch. Deshalb sollten wir dankbar sein, dass es für Sportfans eine Therapie gegen den Corona-Frust gibt: Fußball.

Wer Fußball für die wichtigste Nebensache der Welt hält, unterschätzt ihn. Das wird gerade in Pandemie-Zeiten deutlich. Als man zum ersten Mal über die Aufhebung des Lockdowns für den Profifußball nachdachte, war die Kritik laut und vielfältig. Im Wesentlichen hat man drei Einwände erhoben. Erstens, Profifußball vor leeren Stadien ergibt keinen Sinn. Zweitens, da Fußball das Gegenteil von Social Distancing ist, müssten die Spieler permanent auf Corona getestet werden, und das wäre eine unerträgliche Privilegierung gegenüber dem Rest der Bevölkerung. Und drittens gehe es ja wohl vor allem ums Geld, nämlich um die gewaltigen Summen aus Sponsoring, Werbeeinnahmen und Übertragungsrechten.

Das trifft alles zu, aber es trifft nicht den Kern. Dass Profifußball ein Milliardengeschäft ist, müssten auch naive Gemüter schon lange wissen. Das Problem mit der Dauerprivilegierung beim Testen hat sich wohl mittlerweile in Wohlgefallen aufgelöst, da es heute auch für Normalbürger eine Fülle von Möglichkeiten gibt, sich auf Covid-19 testen zu lassen.

Bleibt die eigentlich „fußballerische“ Frage, ob Spiele von Profis in leeren Stadien Sinn ergeben. Natürlich ist die Begeisterung der Fans ein konstitutiver Bestandteil des Fußballerlebnisses. Aber die Bundesligaspiele im Zeichen von Corona und vor allem das Champions League-Turnier in Lissabon haben gezeigt, dass der Einsatz der Spieler und die technischen Möglichkeiten des Fernsehens eine durchaus erregende Atmosphäre schaffen können. So war das 8:2 der Bayern gegen Barcelona ein Spiel für die Ewigkeit – gerade auch für die, die an den Bildschirmen dabei waren.

Wenn man die weltweite, immer noch wachsende Begeisterung betrachtet, so ist Fußball das Spiel der Spiele – was wohl auch daran liegt, dass es sich um die Mannschaftssportart handelt, die sich für eine Fernsehübertragung besonders gut eignet. Doch was fasziniert daran?

Die Welt des Spiels ist besser als die Wirklichkeit

Spiele entführen uns ins Paradies des Wesentlichen. Das Spielfeld ist eine gehegte Lebenswelt, in der alles mit rechten Dingen zugeht. Die Spielregeln garantieren eine gute Ordnung, in der man immer genau weiß, was zu tun ist. Auch als Zuschauer versteht man jede Situation auf Anhieb. Alles ist überschaubar, es gibt nichts Bedrohliches, und die Erfahrungen entsprechen letztlich den Erwartungen. Deshalb ist die Welt des Spiels besser als die Wirklichkeit. Sie bietet das absolute Erlebnis des erfüllten Augenblicks und setzt die großen Gefühle frei, die wir im Alltag nicht mehr unterbringen können. Man denke nur an das Tor von Gnabry.

Das Alltagsleben ist meist frustrierend. Wir werden mit zu komplexen Problemen konfrontiert, und alles, was geschieht, ist immer auch anders möglich. Dem entspricht das Krankheitsbild der Depression. Und niemand ist immun gegen Langeweile, Einsamkeit und Angst. Die Pandemie hat diese alltägliche Lage nun ins Panische verschärft.

Und damit sind wir bei der therapeutischen Funktion des Corona-Fußballs: Es gibt kein besseres Heilmittel gegen die Depression als die Spielfreude. Und so ist es gut, dass im September der Ball wieder rollt. Wir werden auch dann noch widerwillig den staatlich verordneten Regeln von Mundschutz und Social Distancing folgen müssen. Aber wie entlastend ist dann der Eintritt in den Zauberkreis der Spielregeln, die wir lieben.

Schiller hat nämlich recht behalten: Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Und wir können ergänzen: wo er den besten Spielern der Welt zuschauen kann.

Zum Autor: Norbert Bolz (67) ist Medien- und Kommunikationstheoretiker. Bis zu seiner Pensionierung im Juni 2018 war er Professor an der TU Berlin. Bolz ist seit 2012 auf Twitter aktiv. Unter dem Motto „Die Wahrheit in einem Satz“ veröffentlicht er dort konservative Aphorismen zum Zeitgeschehen.

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