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"Glotze aus, Stadion an": Eine ungewöhnliche Fan-Initiative


"Glotze aus, Stadion an"
Fans fordern: Sportplatz statt Fußball im TV

Von t-online
26.09.2013Lesedauer: 4 Min.
Anhänger des Oberligisten Göttingen 05 bemängeln die Zuschauerzahlen im Amateurfußball.Vergrößern des BildesAnhänger des Oberligisten Göttingen 05 bemängeln die Zuschauerzahlen im Amateurfußball. (Quelle: Till Jüttner)
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Von Sebastian Schlichting

Am Sonntag kommt der Lüneburger SK ins Göttinger Jahnstadion. Dirk Mederer von der Supporters Crew 05 weiß, was das heißt: Gästefans beim 1. SC Göttingen 05. Endlich einmal. Mederer rechnet mit vier, vielleicht fünf. Aber das sind vier bis fünf mehr als bei den meisten anderen Klubs in der Oberliga Niedersachsen. Eine handvoll Fans der Gastmannschaft als bemerkenswertes Ereignis – Mederer merkt selbst, dass das lustig klingt. Ist es aber eigentlich nicht.

Vor allem die letzte Saison war für die sehr aktive Göttinger Fanszene alles andere als lustig. Da mehrere Vereine während der Saison finanziell am Ende waren, gab es keine sportlichen Absteiger. Als Aufsteiger stand früh die zweite Mannschaft von Eintracht Braunschweig fest. Es ging für alle um nichts mehr. Auswärtsspiele wurden zum Teil abgesagt, da die Strafe geringer war als die Reisekosten. Die finanziellen Probleme machten die Saison zur Farce, es kamen noch weniger Zuschauer als sonst. Eine böse Entwicklung für eine Liga, die – wie die meisten Amateurklassen – ohnehin ein großes Wahrnehmungsproblem und nicht wenige Vereine mit Geldsorgen hat.

Die Göttinger waren frustriert und wollten ein Zeichen setzen. Dieses heißt eingängig "Glotze aus, Stadion an" (GaSa) und hat in kurzer Zeit sehr viele Unterstützer gefunden, mehr als 35 Fangruppierungen von Amateurklubs sind dabei.

Zahlen ohne Plastikkarte

"Glotze aus, Stadion an" soll daran erinnern, dass es eine Fußball-Welt jenseits des Profi-Bereichs gibt. In dieser ist man nah am Geschehen, bekommt eine Bratwurst zu zivilen Preisen, trinkt richtiges Bier und zahlt in bar, ganz ohne Plastikkarte. Diese Fußball-Welt gibt es überall, nur bekommt es kaum noch jemand mit.

In der Studentenstadt Göttingen etwa "haben fast alle, die zum Studium kommen, ihren Verein", sagt Mederer, einer der Mitbegründer der Initiative: "Viele wissen gar nicht, dass es Göttingen 05 gibt." Folge: Die Sportkneipen mit Fernseh-Fußball können sich über regen Zulauf freuen, der frühere Zweitligist spielt dagegen vor ein paar Hundert Zuschauern. In einer Stadt mit gut 115.000 Einwohnern.

Die Fan-Initiative musste ganz klein anfangen, Flyer verteilen, auf Studentenpartys auf den Verein aufmerksam machen. Erreicht werden soll ein "Grundsatz-Verständnis", wie Mederer es nennt. Dass es wieder zur Normalität wird, den Klub vor der Haustür zu besuchen. Das Ziel ist in etwa so ambitioniert, als wenn ein Oberligist ankündigt, mittelfristig in der Bundesliga zu spielen.

Internationale Beziehungen

Aber Mederer ist kein Träumer. "Wir rechnen nicht mit lawinenartigen Erfolgen", sagt der 41-Jährige. Eine Rückkehr zu alten Traditionen mit samstags halb vier als Anstoßzeit in der Bundesliga und dem Sonntag für die Amateure wird es nicht geben. Die Fan-Initiative wird nicht dafür sorgen, dass die Kassierer bald Helfer für den Kartenverkauf brauchen. Darum geht es auch nicht. Es soll Aufmerksamkeit geschaffen und eine öffentliche Diskussion in Gang gebracht werden. In einem zweiten Schritt könnten dann auch die Zuschauerzahlen im moderaten Bereich steigen.

Die im Sommer gestartete Aktion ist einerseits ein Riesenerfolg. "Wir wurden vom Zuspruch anderer Fangruppen überrollt", sagt Mederer, der GaSa zunächst als kleines Projekt für Göttingen geplant hatte. Die lockere Verbindung der Fans aus vielen Bundesländern und sogar der Schweiz soll zentralisiert werden. In Sachen Zuschauerzahlen hat die Aktion jedoch in Göttingen bisher keine positiven Auswirkungen: "Da ist die Hoffnung noch größer als der Erfolg", sagt Mederer.

TeBe Berlin in der "S-Bahn-Liga"

Noch eine Klasse tiefer als Göttingen 05 kickt Tennis Borussia. In den 70ern Bundesligist, viele Jahre in der zweiten Liga zu Hause, spielt der Klub, dessen Fans "Glotze aus, Stadion an" ebenfalls unterstützen, seit 2011 in der sechstklassigen Berlin-Liga. Auch da ist das liebe Geld immer ein Problem. "Ein großer Anteil des Saisonetats wurde und wird von Fans durch Spenden und Mitgliedschaften im Wirtschaftsklub getragen", sagt Denis Roters, seit 20 Jahren Fan und seit Sommer Pressesprecher. Inzwischen gibt es immerhin wieder einen Hauptsponsor.

In der sogenannten "S-Bahn-Liga" – alle Auswärtsspiele finden in Berlin statt – ist die Zahl der TeBe-Fans auf gegnerischen Plätzen immer dreistellig. Was im Frühjahr einen Verein dazu bewogen hat, den Eintrittspreis auf zehn Euro anzuheben. Die Fans guckten daraufhin durch den Zaun, das gesparte Geld wurde an einem Kiosk in Bier umgesetzt und die Erlöse dem Verein gespendet. Die Fanszene ist im Verhältnis zur Liga sehr groß. Und stets kreativ, wenn es darum geht, dem Verein zu helfen. "Sonst würde TeBe wohl heute nicht mehr existieren", sagt Roters.

Fanpartys oder Aktionen an Universitäten gibt es bei TeBe schon lange. "Einige, die jetzt nicht mehr wegzudenkende Bestandteile der Fanszene sind, wurden auf diesem Wege auf den Verein aufmerksam", sagt Roters. Aber die immer stärkere Konzentration auf die familienfreundliche Erlebniswelt Bundesliga bekommt auch Tennis Borussia zu spüren. Viele Fans haben einen Zweitverein im Profi-Bereich oder sehen TeBe als Zweitverein. Entscheiden sich nur 20 davon, lieber ein Spiel im Fernsehen anzuschauen als ins Mommsenstadion zu gehen, "fällt das sofort auf. Wir haben halt keine 15.000 Zuschauer, sondern 350", sagt Roters.

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