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Gegen Mexiko: Darum spielt Deutschland wirklich um 2 Uhr nachts


Kontroversen um Kracher gegen Mexiko
Trotz Kritik: Darum spielt das DFB-Team wirklich um zwei Uhr nachts


Aktualisiert am 17.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Thomas Müller: Der Offensivspieler befindet sich mit dem DFB-Team auf USA-Reise. (Quelle: IMAGO/Matthias Koch/imago-images-bilder)

Deutschland trifft heute auf Mexiko – mitten in der Nacht. Das stört Fans, und auch Funktionäre echauffieren sich. Auf der anderen Seite des Atlantiks sorgt das für Kopfschütteln.

Wenn ein gemeinhin als zurückhaltend geltender Westfale laut den Überschriften bedeutender deutscher Sportmedien "harsche Kritik" äußert, muss ihn etwas Gravierendes stören. So geschehen nach dem Bundesliga-Spiel zwischen dem FC Bayern und Freiburg (Endstand: 3:0) vor gut einer Woche. "Das kann man nicht so wirklich nachvollziehen", wetterte Münchens Leon Goretzka in Bezug auf die aktuelle USA-Reise der deutschen Nationalmannschaft.

Besonders in den Fokus stellte der gebürtige Bochumer die zweite Partie seiner Elf gegen Mexiko, welche nach deutscher Zeit mitten in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (ab zwei Uhr im Liveticker von t-online) ausgespielt wird.

Ist es wirklich so schlimm?

Das sei ein Unding, da waren sich Fan-Verbände schnell einig – gerade wegen der dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) angeblich so wichtigen Charmeoffensive gegenüber den heimischen Anhängern. So sollten die Spiele der Nationalelf durch frühere Anstoßzeiten vor allem jüngeren Zuschauern nähergebracht werden.

Entsprechend wenig begeistert war man beim DFB über die Ansetzung des Mexiko-Spiels. Wie t-online bereits vor dem USA-Trip erfuhr, soll die Anstoßzeit der Partie in Philadelphia aber ein Kompromiss zwischen den Verbänden gewesen sein. Denn: Beim 3:1-Sieg am Samstag gegen die USA im knapp vier Autostunden entfernten Hartford wurde um 15 Uhr Ortszeit begonnen – was 21 Uhr deutscher Zeit entspricht.

Gegen Mexiko liegt der Fall ganz anders. Los geht es um 20 Uhr Ortszeit – und das sorgt laut t-online-Informationen in Verbandskreisen noch immer für Unverständnis. Und zwar auch, weil sich die Kritik der deutschen Fans in Bezug auf die Anstoßzeit zuletzt immer mehr manifestierte.

Enttäuschte Fans trotz Sieg

Einer, der das vor Ort beim Erfolg der Deutschen gegen die US-Boys miterlebte, war Lutz Pfannenstiel. Der ehemalige Bundesliga-Manager ist Sportdirektor beim St. Louis City SC und holte mit dem Liga-Neuling in der nordamerikanischen Major League Soccer (MLS) überraschend den Titel der Western Conference. (Lesen Sie hier mehr zum Milliardenprojekt von Manager Pfannenstiel im Mittleren Westen.)

Bereits vor dem USA-Match befragte t-online Pfannenstiel zur DFB-Reise; auf erneute Nachfrage ob der neuen Informationen berichtet er von "enttäuschten" deutschen Fans, die ihn im Rahmen des USA-Spiels auf die Anstoßzeit gegen Mexiko angesprochen hätten.

Pfannenstiels Urteil: "Dass die Fans nicht begeistert sind, ist nachvollziehbar. Aber es ist dennoch ein Auswärtsspiel für das deutsche Team, und da kann man die Heim-Fans einfach nicht ignorieren."

"El Tri" und die besonderen Spiele im Nachbarland

Was der 50-Jährige damit konkret meint: "Die Kritik am Anpfiff ist ungerechtfertigt, weil es die einzige Möglichkeit ist, dass Leute es verfolgen können, für die es eigentlich gemacht ist." Gemeint sind die Fans der mexikanischen Nationalelf.

Denn "El Tri" hat ein besonderes Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Laut Erhebungen von 2021 leben fast 40 Millionen Menschen mit mexikanischen Wurzeln in den USA – und für viele ist Fußball die Sportart Nummer eins.

Über 100 Mexiko-Partien in den USA

Bereits 2002 wurde deshalb von der Vermarktungsagentur Soccer United Marketing (SUM) ein Vertrag mit dem mexikanischen Fußballverband geschlossen, durch den seitdem über 100 Partien mit mexikanischer Beteiligung in den USA ausgespielt wurden. Diesen sollen knapp fünf Millionen Zuschauer im Stadion beigewohnt haben.

Da zudem das ikonische Aztekenstadion in Mexiko-Stadt – Austragungsort der WM-Endspiele 1970 und 1986 – für die Weltmeisterschaft 2026 (deren Gastgeber Mexiko gemeinsam mit Kanada und den USA ist) auf Vordermann gebracht wird, gastieren die Mittelamerikaner noch häufiger in den Stadien des nördlichen Nachbarn.

Abgesehen vom Gold Cup im Sommer, der ohnehin in den USA ausgespielt wurde, hat Mexiko lediglich drei seiner vergangenen 15 "Heimspiele" im eigenen Land ausgetragen. Zu den anderen wichen "El Tri" unter anderem in US-Bundesstaaten wie Arizona, Kalifornien, Nevada oder Texas aus.

Fast obligatorisch dabei: ein volles Stadion. Wenige Stunden, nachdem die DFB-Elf die Premiere von Bundestrainer Julian Nagelsmann vor 37.743 Zuschauern gegen die USA absolviert hatte, verfolgten im Bank of America Stadion in Charlotte/North Carolina etwa 60.000 Menschen die Partie der Mexikaner gegen Ghana (Endstand: 2:0).

"In den USA leben sehr viele Menschen mit mexikanischen Wurzeln, und die meisten sind fußballverrückt", sagt MLS-Manager Pfannenstiel dazu. Er kennt das aus seinem Arbeitsort St. Louis und von Auswärtsspielen im Süden des Landes – sowie vom nächsten DFB-Spielort Philadelphia.

US-Experte: "Das muss man rein kulturell verstehen"

Einen Schlüsselmoment erlebte der gebürtige Bayer beim Champions-League-Halbfinale des nord- und zentralamerikanischen Fußballverbandes vor zwei Jahren zwischen Philadelphia Union und Mexikos Kultverein Club América.

"Von den etwa 18.000 Zuschauern in Philadelphia waren bestimmt 16.000 Club América-Fans. Bei einem Heimspiel von Philadelphia! Das muss man rein kulturell verstehen – vor allem in Deutschland und Europa", so Pfannenstiel.

Daher ist Pfannenstiel sich auch für die Partie gegen Deutschland, die im wesentlich größeren Lincoln Financial Field (fast 70.000 Plätze) in der sechstgrößten Stadt der USA ausgespielt wird, sicher: "Die Stimmung wird bombastisch sein. Man denkt, man ist im Aztekenstadion von Mexiko City statt mitten in Philadelphia."

Pfannenstiel: "Spiel ist nicht primär für das deutsche TV-Publikum"

Ob es derart hitzig wird, bleibt abzuwarten. Pfannenstiel stellt in puncto Anstoßzeit allerdings einen Aspekt in den Vordergrund, der aus seiner Sicht in Deutschland wenig bis gar nicht berücksichtigt werde: "Viele mexikanische Fans sind Gastarbeiter, die hart arbeiten, und zwar oft auf dem Bau oder im Gartenbau. Wenn man so ein Spiel in den USA auf 14 Uhr legen würde, hätte man ein fast leeres Stadion."

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Seine unmissverständliche Konklusion: "Das Fußballspiel ist nicht primär für das deutsche TV-Publikum, sondern für Mexikaner in den USA. Ganz einfach. Das Spiel gehört nicht nur dem deutschen TV-Publikum."

Ein wohl ebenso weltgewandter ehemaliger Profisportler sieht das ähnlich – DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Der Weltmeister von 1990 spielte zwar nicht wie Pfannenstiel auf allen Kontinenten, bekam von den deutschen Fans ob seiner besonderen Profikarriere allerdings die Zuschreibung "Rudi Internazionale".

Völler über DFB-Reise: "Warum machen wir sie eigentlich?"

Völler sagt über den USA-Trip: "Als ich beim DFB angefangen habe, war diese Reise schon so gut wie klar. Mein erster Reflex war – da bin ich ehrlich: 'Warum machen wir sie eigentlich?'" Aber Völler gibt auch zu bedenken, dass "wir über den Tellerrand schauen müssen, die Welt hört nach der EM 2024 in Deutschland nicht auf, sich zu drehen."

In diese Kerbe schlägt auch MLS-Manager Pfannenstiel – besonders in Bezug auf die Mexiko-Fans im Spiel gegen Deutschland: "Viele Mexikaner kämpfen jeden Tag in den USA ums Überleben, um ihre Familien zu ernähren oder ihre Verwandten in Mexiko zu unterstützen", so der 50-Jährige.

"Es ist für viele unmöglich, einfach mal einen Nachmittag freizumachen und zu sagen: 'Na dann arbeiten wir an einem Wochentag mal eben nicht und gehen nachmittags ins Stadion, um ein bisschen Fußball zu gucken.' Das ist weltfremd", so Pfannenstiel weiter.

Ob das auch Goretzka überzeugen wird, bleibt abzuwarten.

Verwendete Quellen
  • fanclub.dfb.de: USA-REISE: DAS MÜSSEN FANS WISSEN
  • welt.de: Kein Volksheld, aber der Richtige
  • sport1.de: DFB-Team: Goretzka mit harscher Kritik an USA-Reise!
  • ntv.de: Bayern-Profi Goretzka ordnet harsche Vorwürfe nochmal ein
  • transfermarkt.de: Teamprofil von Mexiko
  • transfermarkt.de: Teamprofil von Deutschland
  • Gespräch mit Lutz Pfannenstiel
  • Eigene Recherche
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