Remind Me Tomorrow Gitarre raus, Synthie rein: Sharon Van Ettens Neustart

Berlin (dpa) - Sharon Van Etten hat ihren Sound verändert - vom gitarrenbasierten Singer-Songwriter-Folk zu einem teils groovigen Elektropop. Doch ihre autobiografischen Texte sind geblieben. Und natürlich diese grandiose Stimme.
"I Told You Everything" heißt der Opener von Van Ettens neuem Album "Remind Me Tomorrow" (Jagjaguwar/Cargo). Er stellt neben einem einsamen Klavier und dunklen Keyboard-Klängen ihre stets äußerst intensiven Vocals in den Mittelpunkt. "I told You everything/about everything", singt die 37-Jährige, und später: "I told You everything/about my first time".
Ihre Lyrics seien "superpersönlich, sie sind mein Tagebuch", sagte die US-Sängerin dem Berliner "Tagesspiegel". Intimität, Einfühlsamkeit, Offenherzigkeit sind weiterhin Bestandteile ihrer Lieder - selbst wenn die depressive Grundstimmung aus Texten, Sound und Gesang insgesamt gewichen ist.
Das liegt wohl auch an Van Ettens persönlicher Situation: Sie wurde Mutter und lebt - nach mehreren in Songs dokumentierten amourösen Bruchlandungen - nun offenkundig glücklich mit ihrem Musikerkollegen und derzeitigen Manager Zeke Hutchins zusammen. "A love so real" gurrt der einstige Trauerkloß also verknallt in "Jupiter 4" - einem Track, der nüchtern nach einem der auf dem Album eingesetzten Synthesizer benannt wurde.
Van Etten ist spätestens seit ihrem Durchbruch mit dem tollen Album "Tramp" (2012) ein Kritikerliebling. Der ebenfalls brillante Nachfolger "Are We There" (2014) machte sie dann einem breiteren Publikum bekannt.
Auch "Remind Me Tomorrow", eines der ersten "wichtigen" Alben des noch jungen Pop-Jahrgangs 2019, hat wieder glänzende Kritiken erhalten - trotz des nicht ganz unriskanten stilistischen Kurswechsels der Singer-Songwriterin unter der Regie eines neuen Produzenten, des hoch angesagten John Congleton.
Ob man Sharon Van Etten nun lieber in einem klassischen Gitarren-Folkrock-Ambiente mag oder vor pochenden Rhythmen und dröhnenden, knurrenden Synthis - das ist wohl Geschmackssache. Ihre Musik und ihre Texte bleiben in jedem Fall hörenswert, und ihre Entwicklung ist auch gewiss noch nicht abgeschlossen.