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Spreewaldkrimi | Friederike Becht: "Dürfen bei diesen Themen nicht wegschauen"


Schauspielerin Friederike Becht
"Wir dürfen bei diesen Themen nicht wegschauen"

InterviewVon Maria Bode

Aktualisiert am 30.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Friederike Becht: Sie übernimmt eine Episodenhauptrolle im neuen "Spreewaldkrimi".Vergrößern des Bildes
Friederike Becht: Sie übernimmt eine Episodenhauptrolle im neuen "Spreewaldkrimi". (Quelle: Peter Müller)

Mit t-online spricht Schauspielerin Friederike Becht über ihr größtes Geschenk im vergangenen Jahr und erzählt, wofür sie sich besonders verantwortlich fühlt.

Der neue "Spreewaldkrimi" ist gewohnt düster und behandelt ein Thema, das das Publikum nicht unbedingt als Unterhaltung in der Primetime erwarten würde. Friederike Becht spielt in dem komplexen Psychodrama "Die siebte Person" (30. Januar 2023, 20.15 Uhr im ZDF) die Rolle der Maya Wiechmann. Sie hat eine dissoziative Identitätsstörung, ist Patientin in einer psychiatrischen Klinik.

Die Schauspielerin berichtet, wie intensiv sie sich auf die Rolle vorbereitet hat und erklärt, warum sie es wichtig findet, dass auch Spielfilme auf gewisse Themen aufmerksam machen.

t-online: Sie spielen im "Spreewaldkrimi" eine Person mit einer psychischen, sogenannten dissoziativen Identitätsstörung. War das herausfordernder als andere Rollen?

Friederike Becht: Für mich ist jede Rolle herausfordernd und verlangt meine komplette Aufmerksamkeit. Hier war das noch intensiver. Ich musste erst mal verstehen, was Dissoziation ist und woher sie kommt: Durch schwere Traumatisierungen in der Kindheit kann es vorkommen, dass die Persönlichkeit sich spaltet. Alle Persönlichkeiten haben bei diesen Menschen eine Funktion, einen Grund, warum sie entstanden sind, helfen beim Verarbeiten und Ertragen des Erlebten. Ich musste für die Rolle also sechs Menschen und ihre Biografien kennenlernen, die in einem Körper vereint sind.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Ich habe mich rangetastet, gegoogelt, Dokus geschaut und Bücher gelesen. Ich habe mit der Psychologin Dr. Michaela Huber gesprochen, eine Spezialistin auf dem Gebiet. Das war alles nützlich, aber mir nicht genug.

Friederike Becht
Friederike Becht (Quelle: Andreas Rentz/Getty Images)

Friederike Becht (*1986)

Sie studierte Schauspiel an der Berliner Universität der Künste, heute lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern in Bochum. Für ihre Rolle in der ARD-Miniserie "Schneller als die Angst" erhielt Becht 2022 den Deutschen Fernsehpreis.

Sie wollten Kontakt zu jemandem, der tatsächlich verschiedene Persönlichkeiten hat?

Ja, es ist ein brutales Feld: Was Menschen Kindern antun, und was das mit diesen macht. Deshalb war es für mich wichtig, mit Betroffenen zu sprechen und ihnen Fragen stellen zu können. Ich lernte dabei eine Frau mit mehreren Persönlichkeiten kennen, die sich "die Nickis" nennen. Sie waren für mich immer erreichbar und total offen. Eines meiner größten Geschenke 2022 war es nicht nur, diese Rolle zu spielen, sondern daran zu arbeiten und den Menschen zu begegnen.

Was genau ist den "Nickis" widerfahren?

Die Nickis wurden Opfer frühkindlicher, jahrelanger körperlicher und seelischer Gewalt. Es gibt mehrere Dokus über die Nickis, in der sie selbst berichten. Eine der empfehlenswerten Dokumentationen über sie heißt: "Wir sind die Nickis".

Wie lebt diese Frau heute?

Die Nickis konnten sich trotz der traumatischen Erfahrungen ein selbstbestimmtes Leben aufbauen und haben es geschafft, aus den Täterkreisen auszusteigen. Sie engagieren sich im gemeinnützigen Selbsthilfeverein Lichtstrahlen Oldenburg e. V. Dort bieten sie Unterstützung und Vernetzung für Betroffene an und engagieren sich für die öffentliche Anerkennung der Traumafolgen nach extremer organisierter Gewalt.

Geht ein besonderer Druck einher, eine solche Rolle nicht zu stereotypisieren?

Nein, aber es gibt viele Vorurteile. Die Betroffenen haben in ihrer Kindheit etwas furchtbar Traumatisches erlebt und verarbeiten das durch Persönlichkeitsspaltung – spalten Erinnerungen an die Misshandlungen ab, um die Qual aushalten zu können. Allein in NRW taucht wöchentlich Videomaterial auf, das den Missbrauch von Kindern zeigt – was wird aus den Opfern später? Die werden irgendwann groß. Das will niemand sehen, aber das ist unsere Realität. Wenn ein Kind von einem gewaltbereiten Menschen eingebläut bekommt, dass es nichts sagen darf, weil ihm sonst etwas Schreckliches passiert, wird es womöglich auch schweigen. Das ist die Taktik der Täter und so versuchen sie, die Betroffenen unter Kontrolle zu halten. In der Vorbereitung auf den Film haben wir darüber diskutiert, wie tief wir in das Thema reingehen können.

Wie meinen Sie das?

An einer Stelle wird der sexuelle Missbrauch im Säuglingsalter benannt. Da gab es im Team Stimmen – die ich auch verstehen kann –, die meinten, das sei so schrecklich, sie würden das lieber weglassen. Das ist menschlich, wir wollen das alle nicht hören. Aber ich hoffe, dass wir auf das Thema aufmerksam machen können – auf ernsthafte Art und Weise.

Welche Herangehensweise wurde dann für den "Spreewaldkrimi" gewählt?

Eine sensible Art und Weise. Durch die Rolle der Psychologin wird dem Publikum gut erklärt, was eine dissoziative Störung ist und woher das kommt.

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Es muss auf jeden Fall mehr passieren, mehr Aufmerksamkeit geschaffen werden. Es müsste – zum Thema Dissoziation – ganze Themenabende geben und Spielfilme, die sich allein mit den Menschen auseinandersetzen, ohne Krimiplot. Wir müssen den Zuschauern die Realität zutrauen. Auch andere psychische Erkrankungen sollten nicht plakativ dargestellt und rein für den Verlauf der Geschichte genutzt werden. Wenn Kindesmissbrauch weiter ein gesellschaftliches Tabuthema bleibt oder sogar abgestritten wird, macht das die Täter stark.

Sehen Sie sich denn in der Verantwortung, mehr Aufmerksamkeit zu schaffen?

Ja, es ist schön, einen Thriller oder eine Komödie zu drehen, einfach um zu unterhalten. Davon will ich mich gar nicht zurückziehen. Aber ich finde, dass ich als Schauspielerin eine Verantwortung habe, indem ich auswähle, was ich mache. Ich persönlich kann das nicht trennen.

Warum nicht?

Wir sind gut im Ausblenden von Dingen, die brennen. Da finde ich es wichtig, Prominenz auch zu nutzen – und wenn es über Spielfilme mit einem bestimmten Themenschwerpunkt ist. Wir dürfen bei all den Themen – Klimakrise, Gewalt gegen Kinder und Frauen – nicht wegschauen. Es ist schrecklich, und Film und Fernsehen sollen Spaß bringen, ablenken, unterhalten. Aber wir müssen eben auch auf Probleme und Missstände aufmerksam machen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Friederike Becht
  • "Spreewaldkrimi" vom 30. Januar 2023 - Vorabsichtung
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