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Jutta Kammann (80) kritisiert Diskriminierung älterer Frauen im TV


Kritik an "In aller Freundschaft"
Jutta Kammann: "Die taktlose Wortwahl hat mich gekränkt"

InterviewVon Benedikt Amara

22.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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Jutta Kammann: 16 Jahre lang war die Schauspielerin bei "In aller Freundschaft" zu sehen.Vergrößern des Bildes
Jutta Kammann: 16 Jahre lang war die Schauspielerin bei "In aller Freundschaft" zu sehen. (Quelle: IMAGO / POP-EYE)

Jutta Kammann feiert am 22. März ihren 80. Geburtstag. Im Gespräch mit t-online kritisiert sie den Quotendruck und die Diskriminierung älterer Frauen im Fernsehen.

Sie begann ihre Karriere Ende der Sechzigerjahre und wurde bekannt durch Auftritte in Krimiserien wie "Derrick" oder "Der Alte". Mit Anfang 20 lernte sie den 30 Jahre älteren Regisseur Wilhelm Semmelroth kennen. Die beiden wurden ein Paar, Jutta Kammann pflegte ihren Lebensgefährten bis zu seinem Tod 1992. Die Schauspielerin war 48 Jahre alt, als sie einen ihrer größten Erfolge feierte: Als Oberschwester Ingrid Rischke in der Arztserie "In aller Freundschaft" erreichte sie größte Beliebtheit. Von 1998 bis 2014 war sie dort fester Bestandteil, bis ihre Rolle aus der Serie geschrieben wurde.

Ruhiger scheint ihr Leben dadurch aber nicht geworden zu sein: Zwischen Fotoshootings, Interviews und Lesungen aus ihrer Autobiografie "Rothaarig und wild entschlossen" ist es gar nicht so einfach, einen Interviewtermin mit Jutta Kammann zu finden. Im Gespräch mit t-online spricht sie über ihren 80. Geburtstag, die größte Veränderung in ihrem neuen Lebensabschnitt und die unfaire Besetzung von Frauen in Filmen und Fernsehserien.

t-online: Mit welchen Gedanken blicken Sie auf Ihren 80. Geburtstag?

Jutta Kammann: Die 80 ist für mich nur eine Zahl. Und in Asien ist die Acht eine absolute Glückszahl. Das sollte man feiern – ich werde das mit Freundinnen und Freunden tun.

Was möchten Sie unbedingt in diesem Jahrzehnt erleben?

Nach wie vor mitten im Leben zu stehen und alles zu erleben, was es für mich zu erleben gibt. Wünschen würde ich mir, keinen geistigen oder körperlichen Abbau erleiden zu müssen und "alt" zu sein – denn alt ist nur die Zahl 80.

Was tun Sie für dieses Ziel?

Als ich bei "In aller Freundschaft" aufgehört habe, war ich immerhin schon 70 Jahre alt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich jeden Tag durchgearbeitet. Jetzt ist es zwar etwas ruhiger geworden, aber da ich ein ausgesprochen mobiler Mensch bin, habe ich Freude daran, in ganz Deutschland mit Lesungen aus meinem Buch unterwegs zu sein: Eben alles, was mir Spaß macht.

Wie blicken Sie auf Ihr Leben zurück?

Es gab gute und auch schwere Zeiten, zum Beispiel habe ich meinen Lebenspartner (Fernsehregisseur Wilhelm Semmelroth, Anm. d. Red.) zehn Jahre lang gepflegt. Aber trotzdem möchte ich sagen: Ich hatte bisher ein gutes Leben. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich ein durch und durch positiver Mensch bin.

Haben Sie Angst vorm Älterwerden?

Das hat jeder Mensch. Wir alle möchten so bleiben, wie wir auf dem Höhepunkt unseres Lebens sind. Auch ich. Aber man muss sich mit der eigenen Vergänglichkeit abfinden.

Welche Vorkehrungen haben Sie dafür geschlossen?

Eine Patientenverfügung ist da und für den Fall der Fälle habe ich zwei Betreuungspersonen bestimmt. Man weiß nie, was der liebe Gott mit einem vorhat. Meine Bestattung und alles Finanzielle sind geregelt.


Quotation Mark

Nach dem Tod meines Lebenspartners habe ich nicht als Nonne gelebt.


Jutta Kammann


Möchten Sie noch mal einen Lebenspartner an Ihrer Seite?

Nach dem Tod meines Lebenspartners habe ich nicht als Nonne gelebt, ich war damals 48 Jahre alt. Aber die meisten Männer danach verdienen es nicht, dass ich über sie rede.

Wird sich mit Ihrem neuen Lebensabschnitt etwas grundlegend ändern?

Ich habe mein Auto verkauft und damit nach 62 Jahren meine Unabhängigkeit aufgegeben.

Warum?

Natürlich denke ich, dass ich noch sehr gut fahre, aber es ist nachgewiesen, dass bei älteren Menschen das Reaktionsvermögen etwas nachlässt. Der Hauptgrund war meine Makuladegeneration auf dem linken Auge. Zwar säße ich in meinem SUV bei einem Unfall wahrscheinlich sicher, aber wenn ein anderer Mensch durch mich zu Schaden kommen würde, könnte ich diesen Gedanken nicht ertragen. Dennoch fiel mir die Entscheidung sehr schwer.

Makuladegeneration

Bei den meisten Menschen lässt die Sehkraft im Alter langsam nach. Erkrankungen wie die altersabhängige Makuladegeneration führen zu einer weiteren Verschlechterung. Schaut man Gegenstände direkt an, sind sie verschwommen und verzerrt. Auch das Lesen fällt immer schwerer.

Geben Sie damit nicht einen großen Teil Ihrer Mobilität auf?

Wenn ich auf dem Land leben würde, weiß ich nicht, ob ich diesen Schritt jetzt schon gegangen wäre. Aber ich lebe in München, hier kann ich alles sehr gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Außerdem mache ich meine beruflichen Reisen seit Jahren mit der Deutschen Bundesbahn.

Was halten Sie von einem verpflichtenden Gesundheitscheck ab einem bestimmten Alter?

Es ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn man älter ist, empfindet man den Vergleich zwischen alten und jungen Autofahrerinnen und Autofahrern als diskriminierend. Allerdings werden die größeren und schlimmeren Unfälle von Jugendlichen verursacht. Aber trotzdem wäre ein gesundheitlicher Check bei Seniorinnen und Senioren bestimmt hilfreich.

Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 4. Dezember 2023

Sind ältere Autofahrerinnen oder -fahrer in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt, so tragen sie häufiger die Hauptschuld daran als jüngere. Im Jahr 2022 waren die mindestens 65-Jährigen in mehr als zwei Drittel der Fälle (68,7 %) die Hauptverursachenden, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar gut drei von vier unfallbeteiligten Autofahrerinnen und -fahrern die Hauptschuld am Unfall zugewiesen (76,6 %). Das ist mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen.

Sie hatten zuletzt 2021 einen Auftritt bei "In aller Freundschaft". Werden Sie dort noch mal zu sehen sein?

Die Produktionsfirma hatte mir eigentlich zugesagt, dass jedes Jahr eine Geschichte für Oberschwester Ingrid geschrieben wird. Allerdings gab es seitdem einen mehrmaligen Wechsel des verantwortlichen Produzenten. Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn man mir dieses Versprechen an meinem 80. Geburtstag und gleichzeitig meinem 55-jährigen Berufsjubiläum als Schauspielerin geschenkt hätte.

Fehlt es der Film- und Fernsehbranche an Achtung vor älteren Frauen?

Dieses Phänomen ist nicht deutsch, sondern weltweit. Alfred Hitchcock sagte: "Für einen guten Film brauche ich drei Dinge: ein gutes Buch, ein gutes Buch und ein gutes Buch." Das soll bedeuten, dass wenn die Geschichte gut ist, das Alter der Figuren egal ist. Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass das Alter bei Frauen anders bewertet wird als bei Männern. Oberschwester Ingrid war vielleicht für den Klinikbetrieb über das Rentenalter hinaus. Da aber auch 16 Jahre lang ihr Privatleben gezeigt wurde, hätte man diesen Erzählstrang im Hintergrund weiter bedienen können. Bei der Kündigung hatte mich vor allem die taktlose Wahl der Worte seitens der Produktion gekränkt: "Nein, an einer alten Oberschwester haben wir auch im Privatleben kein Interesse."

Woran liegt das?

Weil man glaubt, dass nur junge Menschen Quote bringen. Es geht nur um Quote! Denn wenn man dann mal eine ältere Rolle besetzen muss, entscheidet man sich nur für sehr prominente Kolleginnen, in der Hoffnung, dass sie trotz des Alters noch die Quote bringen.

Wie viel schwerer haben es ältere Frauen als Männer in diesem Alter?

In der Betrachtungsweise wird der Mann im Alter interessanter und reifer. Bei Frauen urteilt man dann: "Die ist aber alt geworden." Wenn ich als Oberschwester Ingrid die Station zum Wohle der Patientinnen und Patienten am Laufen gehalten habe, kommt der männliche Kommentar: "Die ist aber zickig!" Wenn Professor Simoni herumbrüllt, weil irgendwas nicht funktioniert, ist der Kommentar: "Wow! Der hat aber Autorität."

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jutta Kammann
  • Kammann, Jutta: "Rothaarig und wild entschlossen" (2021, Kösel)
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