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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Das hat etwas mit mir gemacht" Nevio Passaro berichtet von Nazivorfall

Vor fast 20 Jahren sang er sich mit einem Liebeslied in die Herzen der Fans. Heute setzt Nevio Passaro auf Gute-Laune-Pop. t-online berichtet er von einem heftigen Erlebnis, das sich ihm eingebrannt hat.
Nevio Passaro kommt gut gelaunt daher, als er via Zoom auf dem Bildschirm erscheint. Er redet gerne über sein aktuelles Projekt – den Sommersong "Gelato". Doch er kann auch ernste Töne anschlagen.
Im Interview mit t-online erzählt der 45-Jährige von einem rassistischen Vorfall auf einer Toilette am Rande eines Auftritts in Magdeburg – und was dieser mit ihm gemacht hat. Zudem äußert er Kritik an der RTL-Castingshow "Deutschland sucht den Superstar". Er hat rückblickend aber auch Lob dafür übrig.
t-online: Herr Passaro, in Ihrem neuen Song "Gelato" besingen Sie ein fröhliches Lebensgefühl, wie man es mit dem Sommer verbindet. Ist das ein bewusster Gegenentwurf zur aktuellen Weltlage?
Nevio Passaro: Ich habe den Eindruck, dass italienisch angehauchte Themen ein positiver Eskapismus per se sind. Dieses italienische Lebensgefühl trägt einen angenehmen Vibe in sich – und den brauchen wir gerade.
Dabei ist in Italien politisch längst nicht alles leicht. Immerhin regiert dort ein rechtsnationales Bündnis unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Um es in Eissorten zu sagen: Meloni gehört nicht zu meinen Lieblingssorten. Wenn man nur den leisesten Verdacht hat, dass in Sachen Freiheit und Demokratie etwas bröckelt, muss man das laut benennen. Wir wissen, was passieren kann, wenn man schweigt.
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In Deutschland holt die AfD seit Jahren gute Wahlergebnisse. Sie leben also in zwei Ländern, in denen der Rechtsruck stark zu spüren ist. Wie nehmen Sie diesen wahr?
Ich habe vor einigen Monaten bei einer MDR-Sportveranstaltung in Magdeburg die deutsche Nationalhymne gesungen. Kurz vorher sprach mich auf der Toilette ein Mann an. Der sagte zu mir – Zitat: "Was würde unser Führer da sagen, wenn ein Ausländer unsere Hymne singt?" Das war heftig. Das hat etwas mit mir gemacht.
Alle haben geschwiegen [...]. Das ist in meinen Augen absolut falsch. Deswegen habe ich die Klappe aufgemacht.
Nevio Passaro
Was genau?
So etwas ist mir noch nie passiert. Dieser Nazi selbst hat mich nicht weiter beschäftigt. Aber ich hatte nach meinem Auftritt das Bedürfnis, das Erlebte zu teilen. Mit dem Tontechniker, dem Moderator und bei der After-Show-Party mit weiteren Menschen – und alle haben geschwiegen. Das macht mir Angst. Dass fünf Leute, denen ich davon erzählt habe, das einfach so hingenommen haben. Das ist in meinen Augen absolut falsch. Deswegen habe ich die Klappe aufgemacht und auf Social Media davon berichtet. Ich hätte mich dreckig gefühlt, wenn ich nichts gesagt hätte.
Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Es beschäftigt mich noch immer, weil ich so etwas zum ersten Mal am eigenen Leib in Deutschland erlebt habe. Wir merken den Rechtsruck in Europa. Sobald das zur Normalität wird, ist etwas verkehrt.
Vor allem mit Blick auf die Zukunft unserer Kinder. Sie selbst sind zweifacher Vater, werden in Ihrer Album-Promo als "Vollblutpapa" bezeichnet. Was ist damit gemeint?
Eltern klammern sich viel zu sehr an Theorien zur Kindeserziehung: Ich plädiere hingegen dafür, jedes Kind individuell zu erziehen und zu behandeln. Es gibt keine Regel oder Tipps fürs Papasein. Das ist einfach ein Gefühl. Ich fühle mich sicher im Umgang mit meinen Kindern und finde es gut, mich von meinen Gefühlen leiten zu lassen – und weniger von Ängsten, Sorgen und Theorien.
Social Media macht einem das aber oft nicht einfach. Eltern werden dort mit Erziehungstipps überflutet.
Natürlich kann man sich da inspirieren lassen. Aber wie gesagt, man muss sich frei machen von jeglicher Angst, von jeglicher Sorge. Man lebt einfach miteinander.
Wie hat sich Ihr Blick auf die Karriere verändert, seit Sie Vater sind?
Ich war immer ein Künstler, ein Musiker, der selbst Songs schreibt. Deshalb sind meine Lieder sehr autobiografisch. Ich kann und muss schreiben, was mir widerfährt, sonst kann ich es nicht auf die Bühne bringen. Jetzt bewegt mich eben das Thema Kinder, das Thema Familie.
Zuletzt war es ruhiger um Sie, Sie schienen die große Öffentlichkeit zu meiden – auch wegen der Familie?
Ich hatte 1999 meinen ersten Fernsehauftritt im ZDF. Seitdem habe ich viele Konzerte gespielt, hatte 300 TV-Auftritte, war fünfmal auf Tour und mache immer noch Alben. Mein Erfolg ist die Kontinuität.
Dennoch wirkt es so, als sei es nicht einfach, in die breite öffentliche Wahrnehmung vorzudringen. Gibt es einen Plan, wie Ihnen das besser gelingen könnte?
Es gibt etwas, aber darüber kann ich noch nicht konkret sprechen. Einen anderen Traum erfüllen wir uns jedoch demnächst als Familie: Meine Frau, die Art Director ist, und ich gründen eine 360-Grad-Kreativagentur – musica & colori. Wir bündeln unser Wissen. Dieses Jahr wird sie noch an den Start gehen.

Zur Person
Nevio Passaro ist ein deutsch-italienischer Sänger und Songwriter. 2006 war er Kandidat bei DSDS, wo er den vierten Platz belegte. Sein Hit "Amore per Sempre" erreichte 2007 Platz 2 der Charts. Passaro studierte Moderne Fremdsprachen für Dolmetscher und Übersetzer in Bologna, spricht mehrere Sprachen und arbeitet heute auch als Produzent.
Ihre Karriere hat durch die Teilnahme an "Deutschland sucht den Superstar" im Jahr 2006 an Fahrt aufgenommen. Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Für mich hat meine Karriere 1999 begonnen. Das Mitwirken als einer der Pioniere bei DSDS ist nur ein Projekt von Hunderten in meiner Laufbahn. Das war damals eine schöne Plattform. Wenn wir heute nach 20 Jahren immer noch darüber reden, muss ich Eindruck hinterlassen haben. Darüber freue ich mich. Die Wahl der Songs war damals für mich wichtig und sie waren ja fantastisch. Aber DSDS ist eine große Karaoke-Show, ich konnte also leider nicht meine eigenen Stücke performen. Trotzdem war es eine schöne Schule für den Umgang mit Medien.
Wie denken Sie heute über die Show?
Inzwischen hat sich das Format komplett gewandelt. Wir sprechen noch vom selben Namen, aber es hat nichts mehr mit dem zu tun, was es mal war. Wir waren Pioniere, als der Hype da war. Da hat sich die Familie auf dem Sofa versammelt. Mittlerweile ist es nicht mehr so. Das Thema ist einfach ausgelutscht. Aber so ist es mit TV-Shows. Die kommen und gehen.
Und wie finden Sie es, wenn Sie in den Medien immer noch als DSDS-Star bezeichnet werden?
DSDS tangiert mich nicht mehr und hat weder inhaltlich noch musikalisch etwas mit mir zu tun. Trotzdem sehe ich das sportlich. Und: Ein Star bin ich sowieso nicht. Damit kann ich nichts anfangen. Ich bin Musiker. Punkt. Ich freue mich einfach, dass ich meiner Leidenschaft nachgehen kann. Schon so lange. Das ist einfach schön.
- eigenes Interview mit Nevio Passaro
- instagram.com: Profil von neviopassaro