Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ĂŒbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Warum "Ku'damm 63" jetzt einen Nerv trifft
Auch im dritten Teil der "Kuâdamm"-Reihe vom ZDF stehen Mutter Schöllack und ihre drei Töchter wieder im Mittelpunkt. Auch in den Sechzigern hatten es Frauen nicht leicht. Der neue Dreiteiler wirft darauf ein tief strahlendes Licht.
NatĂŒrlich liegt 1963 noch fĂŒnf Jahre von der vermeintlichen Revolution der 68er-Bewegung entfernt. Die konservative Gesellschaft dominiert, Studenten dachten noch gar nicht daran, auf der StraĂe zu demonstrieren, kommunistische FĂŒhrer wie Mao Tse-tung oder Che Guevara waren noch keine Helden, und es wurden auch keine BHs verbrannt.
Trotzdem merkt man vor allen den Töchtern Monika (Sonja Gerhardt), Helga (Maria Ehrich) und Eva (Emilia SchĂŒle) die brodelnde Aufbruchsstimmung an, die sich langsam von der Nachkriegszeit zu emanzipieren versucht. "Monika und ihre Schwestern haben scheinbar ihren Platz in der Gesellschaft gefunden, doch der Drang nach VerĂ€nderung, nach mehr Freiheit und Emanzipation, ist ungebrochen" erklĂ€rt Drehbuchautorin Annette Hess in einem Statement zum Start der Staffel.
"Ku'damm 63" mit knallhartem Einstieg
Und diese beginnt mit einem krachenden Auftakt, als Mutter Caterina Schöllack (Claudia Michelsen) von einem Linienbus angefahren wird. Zwar nicht das abrupte Ende der zentralen Figur, aber ein Signal dafĂŒr, dass die Kinder sich als erwachsene Frauen von der Mutter entfernen, auch wenn âMuttiâ in der Reha nun erstmal wieder ihre Hilfe in Anspruch nimmt.
Auch die ĂŒblichen Turbulenzen, die den Spannungsbogen jeder Serie zusammenhalten, fokussieren sich auf die Selbstbestimmung der Töchter: Monika, die sich als Songwriterin und SĂ€ngerin einen Platz beim Grand Prix Eurovision erkĂ€mpft. Eva, die sich von ihrem gewalttĂ€tigen Mann trennt, aber doch nicht von seinem Geld loskommt. Und Helga, die ihren homosexuellen Mann nicht im Stich lĂ€sst, auĂer vielleicht durch die AffĂ€re mit einem argentinischen Tango-Tanzlehrer, der sich schlieĂlich als Italiener zu erkennen gibt.
Selbstbestimmung mit Humor
Humor bleibt ein essentieller Bestandteil, der fein dosiert wird und nie zum Klamauk verkommt. Erneut begeistern auch die Schauspielerinnen. In dieser Staffel sticht einmal mehr Claudia Michelsen mit einer Mischung aus konservativer Etikette und ehrwĂŒrdiger Parodie des Zeitgeistes hervor. "Eva, wie redest du denn mit deinem Mann?", fragt Caterina ihre Tochter vor deren Galerie. "So wie er es verdient hat!", lautet die knackige Antwort. 1963, dem Jahr des Kennedy-Besuchs in Berlin, in dem die Berliner Mauer zwei Jahre alt wird, können Frauen nicht ohne WiderstĂ€nde selbstbestimmt Entscheidungen treffen. Diese Kontraste aus Aufbruch und konservativer Starrhalsigkeit staffiert "Kuâdam 63" mit einer groĂartigen Detailverliebtheit aus.
Nach wie vor bleibt die Serie auch ein wenig gefangen in dem Versuch, modernen amerikanischen Serien-Glamour auf gelebte deutsche Geschichte zu ĂŒbertragen. Zumindest optisch gelingt dieses Experiment. Autorin Hess und Regisseurin Sabine Bernardi kehren sogar unverhofft den vermeintlichen Nachteil zum Vorteil, in dem sie die Sehnsuchtsmomente vergangener Jahrzehnte ansprechend abbilden. Sie schrecken aber auch nicht davor zurĂŒck, die dunklen Seiten dahinter zu beleuchten. Das bildet gerade in der anhaltenden Corona-Verzweiflung der Gegenwart einen reflektierenden Anker: das UnterhaltungsgeschĂ€ft als Seelsorge-Programm.
Und natĂŒrlich ist auch die Entstehung von "Kuâdamm 63" nicht von der Pandemie verschont geblieben. Die Dreharbeiten begannen im Februar 2020, mussten von MĂ€rz bis August jedoch pausiert werden, bevor danach bis Oktober in Berlin und Umgebung weitergedreht werden konnte. "Auf einmal bekamen all diese Szenen eine ganz neue Bedeutung", reflektiert Regisseurin Bernardi, "NĂ€he, Gemeinschaft und starke GefĂŒhle waren wie ein groĂer Sehnsuchtsort". Und dass die viel zitierte Doppelbelastung von MĂŒttern in der Corona-Pandemie zuletzt aufleuchten lieĂ, wie viel Arbeit die moderne, vermeintlich so aufgeklĂ€rte deutsche Gesellschaft noch in Sachen Gleichberechtigung hat, fĂŒhrt der Blick zurĂŒck in die Sechziger in "Ku'damm 63" ebenfalls deutlich vor Augen.
Am Sonntag, den 21. MĂ€rz 2021 um 20:15 Uhr startet die dritte Staffel der "Kuâdamm"-Reihe im ZDF. Die beiden weiteren Teile laufen am Montag, den 22. und Mittwoch, den 24. MĂ€rz.