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Unfallforscher fordern Fahrtests für Senioren


Weil es so oft scheppert
Unfallforscher fordern Fahrtests für Senioren

Von Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 31.07.2018Lesedauer: 3 Min.
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Senioren am Steuer: Oft verursachen sie Unfälle, weil sie zu sehr nach Gefühl fahren, die Vorfahrt missachten, falsch abbiegen oder Abstände nicht richtig einschätzen.Vergrößern des Bildes
Senioren am Steuer: Oft verursachen sie Unfälle, weil sie zu sehr nach Gefühl fahren, die Vorfahrt missachten, falsch abbiegen oder Abstände nicht richtig einschätzen. (Quelle: Liderina/getty-images-bilder)

Gerät ein älterer Autofahrer in einen Unfall, dann ist er fast immer der Hauptschuldige, sagen Experten. Sie fordern deshalb den Senioren-Tüv. Andere lehnen ihn als diskriminierend ab.

Wenn ein Senior ab 75 am Steuer in einen Unfall verstrickt wird, dann trägt er in drei von vier Fällen die Hauptschuld. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Da Menschen immer länger leben, wird es in Zukunft noch mehr Unfälle mit Senioren geben. Brauchen wir also Fahrtests für ältere Autofahrer?

"Der Frage geht eine andere voraus", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). "Nämlich: Sind ältere Autofahrer überhaupt gefährlich?"

Das sind die Problemfahrer

Denn erst mal nimmt mit dem Alter auch die Routine zu. Die besten Autofahrer sind zwischen 55 und 65 Jahren alt. Sie haben viel Praxis und Sicherheit, aber nicht mehr den Leichtsinn jüngerer Fahrer. Dann aber steige die Unfallkurve an – erst leicht hügelig, ab 75 Jahren dann wie eine Steilklippe.

Von 75 Jahren aufwärts: Das also sind die Problemfahrer in Brockmanns Augen. Dann kämen die Defizite durch, sagt er. "In die Computersprache übersetzt: Die Festplatte ist voll, aber der Arbeitsspeicher wird immer langsamer. Komplexe Situationen werden schlechter verarbeitet. Das gilt nicht generell. Es gibt natürlich auch fitte 80-Jährige. Wenn man aber als Gesetzgeber handeln will, darf man niemanden diskriminieren und niemanden in seiner freien Entfaltung einschränken. Deshalb brauchen wir eine statistische Marke, ab der ein Eingriff des Staates berechtigt ist. Diese Marke sehen wir beim Alter von 75 Jahren."

So regeln es andere Länder
In vielen Ländern wurden Regelungen für Senioren am Steuer getroffen: Ältere Schweizer, Italiener, Finnen, Tschechen, Neuseeländer und Kanadier etwa müssen alle paar Jahre einen Gesundheits- oder Sehtest absolvieren. In einigen Staaten kann der Arzt sie dann zum Fahrtest schicken. Wenn sie dabei scheitern, ist der Führerschein weg. Japan testet in diesem Rahmen außerdem, ob Rentner dement sind.

Ist die Risikogruppe viel kleiner?

Seniorenvertreter lehnen solche Marken ab. Diese Risikogruppe, das seien faktisch nur drei bis fünf Prozent der Älteren. Und da Senioren ohnehin weniger, vorsichtiger, eben anders fahren, seien sie ein geringeres Verkehrsrisiko als andere Altersgruppen, sagt Prof. Dr. Georg Rudinger von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e. V. (BAGSO).

"Außerdem werden die interindividuellen Unterschiede mit höherem Alter immer größer, das heißt: Gerade die Älteren sind eine sehr heterogene Gruppe", ergänzt Rudinger. Je älter die Menschen, desto stärker unterscheiden sie sich also. Mit 20 Jahren sind die meisten von uns ähnlich fit. Mit 75 oder 80 sieht das schon anders aus. Manch einer joggt noch im Wald, andere gehen höchstens noch am Stock. "Was rechtfertigt es also, die gesamte Altersgruppe obligatorisch zu testen? Das ist methodisch nicht ausgereift, ethisch nicht vertretbar und letztlich diskriminierend."

Unfallforscher fordern Pflicht-Test

Genau so einen Test fordern aber die Unfallforscher: die Rückmeldefahrt für Ältere. Dabei analysiert ein Experte, etwa ein Fahrlehrer, die Stärken und Schwächen des Fahrers. Anschließend wird die Fahrt ausgewertet. Solche Fahrten werden ab etwa 50 Euro angeboten. Das Problem: Freiwillig macht nur jeder zehnte Senior mit. Das zeigt die Erfahrung. Obendrein sind das meist die Fahrer, die es am wenigsten benötigen.

Auch Brockmann kennt dieses Problem. "Wir meinen deshalb, dass diese Fahrt mittelfristig obligatorisch werden muss", sagt der Unfallforscher.

Wie macht man eine Rückmeldefahrt?
Wer sich nicht mehr fit genug fühlt fürs Autofahren, kann den Führerschein freiwillig zurückgeben – oder zumindest eine ebenfalls freiwillige Rückmeldefahrt bei einem Verkehrsclub, einer Fahrschule oder einem anderen Anbieter absolvieren. Dabei prüft ein Experte auf dem Beifahrersitz die Fähigkeiten des Fahrers. Die Fahrt kostet ab etwa 50 Euro. Konsequenzen zieht sie nicht nach sich – dafür aber vielleicht eine wichtige Einsicht.

Die Auswertung solle Empfehlungen enthalten, etwa Trainingstipps, aber auch Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass bestimmte Probleme eines Fahrers nur in unbekannten Gegenden auftreten. Er passt dann das Fahrverhalten und die Routen seinen Fähigkeiten an – und könne dadurch länger das Auto nutzen. "Der Experte würde nur im Extremfall empfehlen, dass die Person nicht mehr Auto fahren sollte."

Anordnen kann er das ohnehin nicht. "Das wird rechtlich nie möglich sein", stellt Rudinger klar. "Denn die Fahrt ist ja nur eine Stichprobe über das Fahrverhalten. Es ist also naiv zu sagen: Die Rückmeldefahrt ist der Test des Fahrverhaltens. Sie kann und soll nur die Grundlage für weitere Maßnahmen – eben auch positiver Natur, wie Training – sein."

Hinzu kommt eine weitere Hürde: Selbst wenn ein Senior mit 75 Jahren noch sicher fährt, kann das mit 80 schon ganz anders aussehen. Für Brockmann liegt deshalb auf der Hand, dass ein einmaliger Test nicht ausreiche: "Man muss sich auf Intervalle verständigen. Ich nehme mal als Beispiel den Tüv für Autos. Der Neuwagen braucht die Prüfung alle drei Jahre, danach alle zwei Jahre. Für die Rückmeldefahrt wären drei Jahre ein gutes Intervall."

Wie auch immer sie aussehen mag – zwei Drittel aller Deutschen befürworten eine Fahrtauglichkeitsprüfung im Alter. Das zeigt eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins.

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Verwendete Quellen
  • Statistisches Bundesamt
  • dpa
  • Eigene Recherche
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