McLaren MP4-12C – Formel 1 für die Straße
Der zivile Dienstwagen von Jenson Button und Lewis Hamilton soll den etablierten Sportwagen-Herstellern das Fürchten lehren – optisch hat er auf jeden Fall das Zeug zum Supersportwagen.
Schnörkellos und modern gezeichnet, verzichtet das Design komplett auf Retro-Elemente. Die Front ist durch die großen Lufteinlässe und die weit nach unten gezogene Windschutzscheibe gekennzeichnet.
Die LED-Leuchten-Bänder am Heck fallen erst auf dem zweiten Blick auf. Ungewöhnlich ist zusätzlich, dass die beiden Auspuffendrohre sehr weit oben das Licht der Welt erblicken. Wie fast alles an diesem Spitzensportler ist dies kein optischer Gimmick, sondern hat mehrere Gründe…
… einer der wichtigsten ist die ausgeklügelte Aerodynamik mit dem verkleideten Unterboden, der am Heck in einen Diffusor endet. Mit zunehmender Geschwindigkeit saugt sich der MP4-12C so regelrecht am Asphalt fest. Das ist nicht neu und kommt bei immer mehr High-Performance-Cars zum Einsatz, aber …
… bis auf den Lexus LFA und den Bugatti Veyron bietet derzeit aber kein anderer Konkurrent eine Airbrake an. Bei starken Bremsungen stellt sich der Heckspoiler blitzschnell in den Wind und unterstützt die optionalen Keramik-Bremsen unseres Testwagens.
Der glänzt in der Sonderlackierung Volcano Red und bietet vorne unter der Haube mit 144 Litern genügend Platz für einen Wochenendtrip zu zweit. Wie bereits im Exterieur hieß das Motto bei der Entwicklung des Interieurs „Form follows function“. Der Verzicht auf Spielereien passt gut zum Gesamtcharakter des Wagens und die wenigen formschönen Schalter und Knöpfe zeugen von höchsten Qualitätsstandards.
Ohne Digitalanzeigen kommen auch im MP4-12C die Instrumente mit dem mittigen Drehzahlmesser nicht aus, allerdings verzichtet McLaren bewusst auf Effekthascherei. Dafür hat der Pilot alle wichtigen Informationen, vor allem den dominierenden Drehzahlmesser, im direkten Blickfeld.
Die bequemen und elektrisch einstellbaren Sportsitze unseres Testwagens bieten guten Seitenhalt. Auf Wunsch gibt es vielfältige Individualisierungsmöglichkeiten wie die farblich unterschiedliche Gestaltung von Fahrer- und Beifahrerbereich.
Standardmäßig getrennt in den jeweiligen Türen untergebracht, sind die Bedieneinheiten für die Klimaanlage. Das schafft Platz für das hoch-moderne IRIS-Multimediasystem mit Touchpad im Hochformat und Meridian Surround-Sound. Die unkomplizierte Bedienung gefällt ebenso wie die angenehme Geräuschkulisse im Cockpit, die selbst bei Autobahntempo noch Gespräche in normaler Lautstärke zulässt. Das ändert sich schlagartig mit einem Dreh an dem „P“-Schalter in der schmalen Mittelkonsole.
Damit kann das Setup des kompletten Antriebstrangs angepasst werden. Während „Winter“ den MP4-12C für die kalte Jahreszeit zähmt, gibt es bei „Sport“ oder „Track“ richtig was auf die Ohren. Dann brüllt der V8 hinten im Heck heiser und lautstark. Die Gasannahme ist noch spontaner und mit Launch-Control geht es auch ohne Allrad in Fabelzeiten auf 100, 200 und bis zu 330 km/h schnell.
Trotz der enormen (Fahr)Leistung ist das Fahrwerk nicht bretthart, sondern bietet mit adaptiven Dämpfern und Wankausgleich einen guten Kompromiss zwischen Sport und Komfort. Geschmeidig zieht er selbst auf schlechten Strecken durch Kurven und lässt sich unglaublich einfach bewegen. Gutmütig und dennoch verdammt schnell kann der McLaren sein ganzes Potential gar nicht auf öffentlichen Straßen ausspielen. In den Grenzbereich bringt man den Mittelmotor-Sportler höchstens auf der Rennstrecke.
Wer dort mit dem McLaren ans Limit gehen will, wird den Track-Modus des Fahrwerks- und Motor-Setups zu schätzen wissen. So geschärft, beweist der MP4-12C die Nähe zum Rennsport.
Kein Wunder, denn der neue Supersportwagen wird im englischen Woking am Stammsitz von McLaren gebaut, wo in direkter Nachbarschaft auch das Formel 1 Team von McLaren beheimatet ist.
Der hochmoderne Gebäudekomplex mit unterirdischen Verbindungen liegt an einem künstlichen See und beherbergt neben den historischen Rennwagen, eine riesige Sammlung von Siegespokalen auch einige Exemplare des McLaren F1. Der sorgte Anfang der 1990er Jahren als Straßenversion mit drei versetzten Sitzen und dem Piloten in der Mitte für Furore. Auch in Sachen Aerodynamik, Leichtbau, Leistung und Preis setze er damals neue Standards, die sich heute immer noch sehen lassen können.
Der MP4-12C ist zwar ein reiner Zweisitzer und greift das einzigartige Konzept des McLaren F1 Sportwagens nicht auf, aber die Flügeltüren der neuen McLaren-Schöpfung bieten Parallelen zu seinen legendären Ur-Ahnen. Ob sich der Newcomer in der 200.000-Euro-Liga trotz deutlich größeren Stückzahlen zukünftig auch zum begehrten Sammlerstück entwickeln wird, wissen wir nicht, aber ziemlich sicher ist, dass der MP4-12C nicht allein bleiben wird.
McLaren plant eine große Modelloffensive, die mit einer Roadster-Version schon in den nächsten Monaten beginnen wird. Wir freuen uns bereits auf mehr High-End aus Woking – der MP4-12C hat bereits unsere Erwartungen übertroffen und uns begeistert!