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Roboter-Anrufe für "Querdenken": Behörde gibt Suche auf


Bundesnetzagentur machtlos
Roboter-Anrufe für "Querdenken": Behörde gibt Suche auf


Aktualisiert am 06.07.2021Lesedauer: 3 Min.
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"Querdenken"-Demo in Stuttgart: Nicht nur der "Ruf der Trommeln" ertönte, auch per massenhafte unerwünschte Anrufe wurden Menschen zur Teilnahme aufgerufen. Hunderte Beschwerden gingen bei der Bundesnetzagentur ein.Vergrößern des Bildes
"Querdenken"-Demo in Stuttgart: Nicht nur der "Ruf der Trommeln" ertönte, auch per massenhafte unerwünschte Anrufe wurden Menschen zur Teilnahme aufgerufen. Hunderte Beschwerden gingen bei der Bundesnetzagentur ein. (Quelle: imago-images-bilder)

Eine Computerstimme am Telefon forderte Anfang April Tausende Menschen auf, zu einer "Querdenker"-Demo zu gehen. Die Bundesnetzagentur hat vergebens Hinterleute gesucht. Künftig hat sie aber mehr Mittel.

Der Fall massenhafter Roboter-Anrufer zur Bewerbung der ersten großen Querdenken-Demo in Stuttgart bleibt ungeklärt: Die Bundesnetzagentur hat nicht ermitteln können, wer hinter den Anrufen steckt. Am 3. April, einem Samstag, klingelten vor allem im Stuttgarter Raum massenhaft Telefone und es startete eine automatische Ansage.

Auf den Telefondisplays standen sogar Telefonnummern, und diese Nummern meldeten auch Angerufene in großer Zahl der Bundesnetzagentur. Rund 270 Beschwerden gingen dort ein – in der Hoffnung, dass die unerwünschten Anrufe Folgen haben. Aufgabe der Bundesnetzagentur ist es, gegen unerlaubte Werbeanrufe vorzugehen, Bußgelder "bis zu 300.000 Euro" können festgesetzt werden, heißt es auf der Internetseite. Faktisch wurden 2020 Bußgelder über 1,35 Millionen Euro verhängt, bei mehr als 63.000 Beschwerden.

"Querdenken" wies Beteiligung zurück

Bei der automatischen "Querdenken"-Werbung hatte "Querdenken-711" selbst erklärt, mit den Anrufen nichts zu tun zu haben, man begrüße aber "alle Menschen, die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen." Distanzieren könne man sich nicht, weil man "keinerlei theoretische sowie praktische Kenntnis" habe, die für eine "justiziable Stellungnahme" nötig sei.

Die Spur verliert sich. Die Anrufe kamen nämlich nicht von der angeblichen Berliner Nummer 030/77331133 oder der Dresdner Vorwahl 0351, so die Bundesnetzagentur. Das Verfahren wurde ohne Maßnahme eingestellt, teilt eine Sprecherin mit. "Nach den Erkenntnissen der Bundesnetzagentur waren die Rufnummern manipuliert, also gefälscht", erklärt sie. Call-ID-Spoofing nennt sich das.

Dagegen kann die Bundesnetzagentur bisher nur vorgehen, wenn sie den tatsächlichen Verursacher dieser Anrufe oder die Rufnummer des tatsächlich genutzten Anschlusses ermitteln kann. "Sämtliche denkbare Maßnahmen knüpfen an die Information an."

Bisher kein Zugriff auf Verkehrsdaten

Doch die Bundesnetzagentur stieß hier bislang an Grenzen, die die Behörde vielfach beklagt hat: Um zu ermitteln, von welchem Anschluss aus die Anrufe erfolgen, braucht sie Zugriff in die sogenannten "Verkehrsdaten" einer Verbindung, hat dafür aber bisher keine Grundlage. Netzbetreiber müssen bisher nicht für Recherchen der Bundesnetzagentur Verkehrsdaten über einzelne Verbindungen preisgeben. "Aufgrund des aktuellen Rechtsrahmens ist es nur sehr selten möglich, Fälle von Rufnummernmanipulationen aufzuklären."

Die Bundesnetzagentur beklagt diese Lücke schon länger – und hat offene Ohren gefunden. Wenige Tage nach der Demo in Stuttgart wurde das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz beschlossen. Im Gesetzgebungsprozess sah es schon Monate zuvor neue Möglichkeiten für die Bundesnetzagentur vor: Wenn es am 1. Dezember in Kraft tritt, müssen Telekommunikationsanbieter Verbindungsdaten für Verfahren der Bundesnetzagentur wegen Rufnummernmanipulation herausgeben.

Netzagentur kommt nun an Infos

Mit der Gesetzesänderung, der größten Reform seit Jahrzehnten, wurden in der Öffentlichkeit vor allem andere Inhalte verbunden: schnellerer Ausbau von Gigabit- und 5G-Netz, eine Umsetzung des EU-Kodex für die elektronische Kommunikation. In die Schlagzeilen geraten war das Gesetz auch, weil das Bundesinnenministerium – vergebens – eine Ausweispflicht bei der Nutzung von E-Mails und Messengern aufnehmen wollte.

Die Bundesnetzagentur sieht im Gesetz noch weitere Hebel gegen die Anrufe unter falscher Nummer. Künftig dürfen bei Anrufen aus ausländischen Netzen keine deutschen Festnetznummern übermittelt und angezeigt werden – die Rufnummernanzeige muss dann unterdrückt werden. Das soll das Vertrauen wiederherstellen, dass Anrufe mit deutscher Vorwahl auch aus Deutschland kommen.

Das könnte einen großen Teil der missbräuchlichen Anrufe betreffen: Wenn die Bundesnetzagentur bislang bei Ermittlungen weiterkommt, stößt sie häufig auf "Auslandsberührung": Die Anrufe mit gefälschten Nummern in deutschen Vorwahlbereichen kommen tatsächlich aus dem Ausland oder werden über ausländische Netze geroutet. Die Sprecherin der Bundesnetzagentur: "Mit der Neuregelung ist die Hoffnung verbunden, dass die Situation sich nachhaltig bessert."

Technik bald schon weiter?

Wie häufig die Anrufe mit falscher Nummer sind, ist unklar. Die Beschwerden dazu gehen ja meist aus anderem Grund ein: Es wurde ohne Einwilligung angerufen, um Verträge abzuschließen, teilweise betrügerisch. Dass die Rufnummer gefälscht war, ergibt sich in diesen Fällen häufig erst im Rahmen der Ermittlungen.

Doch nicht nur in der Wahl der Methoden geht die Technik weiter, massenhafte Roboter-Anrufe zur Demo-Bewerbung wurden in der Vergangenheit nicht bekannt. Auch die Technik wird weiter voranschreiten und damit die Möglichkeit, neue Lücken zu finden. Das schwant auch der Bundesnetzagentur. Sie wird daher auch nach Inkrafttreten der neuen Vorgaben deren Effektivität beobachten und analysieren.

Verwendete Quellen
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