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Künstliche Intelligenz: Das können Roboter schon


Das kann der Maschinen-Mensch schon

dpa, Petra Kaminsky, Lars Nicolaysen

14.10.2016Lesedauer: 8 Min.
Der Projektleiter des "Myon"-Projektes, Benjamin Panreck, betrachtet am das Kameraauge eines aktivierten "Myon"-Roboter.Vergrößern des BildesDer Projektleiter des "Myon"-Projektes, Benjamin Panreck, betrachtet am das Kameraauge eines aktivierten "Myon"-Roboter. (Quelle: dpa-bilder)
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Roboter mit menschlichen Zügen, Künstliche Intelligenz – in vielen Bereichen ist das keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität. Roboter oder Mensch? In Zukunft werden die Grenzen verschwimmen. Maschinen lernen denken, Menschen lassen sich Computerteile einpflanzen. Ein Ausblick auf das Leben mit Robotern.

Erica kommt aus Japan. Armar ist in Karlsruhe daheim, und Myon stapft in Berlin durch die Beuth Hochschule für Technik. Die drei kennen sich nicht. Aber es wäre spannend, das Trio und andere menschenähnliche Roboter auf einer Party zusammen tanzen zu sehen. Um zu testen, was diese Maschinen, die Augen, Hände und Körper besitzen, alles können, wann sie stolpern und stottern. Als Ehrengast käme Jewgeni Tschereschnew vorbei. Der Russe trägt einen Chip im Körper, versteht sich als Mischwesen, als Cyborg.

Humanoide können sprechen, sehen, hören

In Europa, Asien und Amerika bauen Forscher immer neue humanoide, also menschenähnliche Computerwesen. Die Automaten nutzen Sensoren zum Sehen und Hören. Manche können sprechen.

Diese Klasse der Maschinen ist etwas völlig anderes als die fest installierten Roboterarme, die in Fabrikhallen schon lange im Dauertrott Autos schweißen. Denn die neuen Maschinen lernen, werden schlauer. Das Stichwort heißt Künstliche Intelligenz. Sobald der Computer einen Körper mit Füßen oder Rollen erhält, hat der Automat die Chance, seine Umwelt zu erkunden. Manche entwickeln eine Art Charakter. Auch, weil jeder in seinem Computer-Dasein etwas anderes entdeckt und abspeichert.

Drei Forschungstrends ermöglichen die Mensch-Maschine

Forscher dringen – das ist der zweite Trend – zudem tiefer in die Prozesse des menschlichen Gehirns vor. Auf Basis dieser Erkenntnisse bauen sie Rechner, die ähnlich arbeiten wie die Zellen im Kopf. Und sie imitieren den Menschen in anderen Bereichen: Sie beobachten, wie unsere Hand greift und übertragen die Ergebnisse auf die Wesen aus Metall, Kabeln und künstlichen Gelenken.

Computerteile im Menschen

Parallel dazu schreitet die Medizintechnik dabei voran, Computerteile in Menschen einzupflanzen. Etwa Chips im Mittelohr, damit Schwerhörige mehr Töne wahrnehmen. Außerdem ist es möglich, den Körper von außen durch Stützroboter, sogenannte Exoskelette, zu verstärken. In diese Apparaturen schlüpft man rein. Gelähmte können kurze Strecken gehen. Gesunde stemmen enorme Gewichte.

Behält der Mensch die Macht über den Roboter?

Diese drei Entwicklungen zeigen: Wir werden in Zukunft auf ganz neue Art mit menschenähnlichen Automaten zusammenleben. Sie stehen nicht mehr bloß in Fabriken, sondern rücken uns nah zu Leibe. Aber wie genau die neue Gemeinschaft im Alltag aussehen wird, ist eine spannende Zukunftsfrage. Wer hat Macht über wen?

Rüdiger Dillmann, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, blickt auf mehr als drei Jahrzehnte Roboterentwicklung zurück. Beim Gang durch den Forschungstrakt im Institut für Anthropomatik bleibt der 67-Jährige bei einem Humanoiden aus der Armar-Reihe stehen.

Skepsis ist angesagt

"Es geht nicht darum, den Menschen nachzubauen. Ich halte das nicht für eine sinnvolle wissenschaftliche Zielstellung", sagt der Informatiker. "Roboter werden aber in die Richtung entwickelt, dass sie Menschen ähnlicher werden. Eine vergleichbare Motorik, Tastsinn, Hören, Sehen, das wird zunehmen." Roboter Armar III etwa, der auf Sprache reagiert und in der Küche Waren sortiert, besitzt eine Art Tonne auf Rollen als Unterkörper. So fährt er sicher und kippt nicht so schnell um. Die neue Version Armar IV dagegen läuft auf Beinen durch die Welt.

Dillmann gehört zu den Wissenschaftlern, die ihr Fachgebiet lieben und trotzdem oft sagen: "Da wäre ich skeptisch." Zum Beispiel bei der Vision, einen kompletten Computer oder auch nur ein Handy in den Menschen zu implantieren. Und Gedanken aus dem Gehirn downzuloaden.

Der Japaner Hiroshi Ishiguro dagegen kreiert Wesen, die aussehen wie menschliche Doppelgänger. Zum Beispiel Geminoid HI-1, für den Ishiguro selbst Modell stand. Noch echter sieht Erica aus. Ihr haben er und seine Mitarbeiter an den Universitäten Osaka und Kyoto sowie dem ATR-Institut eine Top-Technik zur Stimmenerkennung eingebaut.

Erica ist der schönste Androide der Welt

Die Roboterfrau mit den langen, braunen Haaren sei der "schönste und intelligenteste" Androide der Welt, meint Ishiguro. Er posiert stolz neben Erica im Labor in Osaka. Erica kann zwar nicht alleine gehen, ist aber ein Kommunikationsgenie. Wenn sie spricht, bewegen sich ihre Gesichtszüge fast so menschlich wie die einer echten Frau.

"Mensch und Technik sind untrennbar"

Für den Forscher, der teils extreme Positionen vertritt, sind Mensch und Technik untrennbar: "Die grundlegendste Definition von Mensch lautet: Tier plus Technologie", erläutert Ishiguro. Das heißt für ihn: "Wenn wir keine Technik benutzen können, können wir keine Menschen sein. Das bedeutet, wir können Menschen und Technik nicht trennen. Roboter sind die fortschrittlichsten Technologien."

Dillmann wiederum wirbt dafür, mit Bedacht zu entscheiden, wo Maschinen zum Einsatz kommen - und wo nicht: "Die Wissenschaft kann sagen: Unsere Instrumente können dies und jenes. Aber wenn man so etwas vorschlägt, was steht da für ein Menschenbild dahinter?"

Diese Debatte steht noch ganz am Anfang. Derzeit wird sie eher dominiert von der Angst vor Jobverlusten durch Automatisierung. Doch Themen wie Intelligenz von Rechnern sowie Grenzen und Risiken von klugen Maschinen rücken imemr stärker ins Zentrum.

Warum macht die Robotik gerade jetzt so große Fortschritte?

"Die Zeit ist jetzt reif für Roboter und Computer mit einer am Menschen orientierten Intelligenz", urteilt der Wissenschaftsautor Ulrich Eberl ("Smarte Maschinen"). Seit Jahrzehnten forschen Experten zu Robotern und Künstlicher Intelligenz. Große Fortschritte gab es seit den 1970er Jahren bei Industrieautomaten. Insgesamt mussten die Wissenschaftler aber auch schwierige Phasen mit Skepsis in Politik und Gesellschaft überbrücken.

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Heute treiben mehrere Faktoren die Roboterisierung voran. Als zentraler Punkt gilt die gewaltige Zunahme der Rechengeschwindigkeit von Computern. Ein Smartphone sei, so stellt Eberl (54) heraus, bei der Rechenleistung in etwa so schnell wie der beste Supercomputer Mitte der 1990er Jahre. Dazu kommt das enorme Wachstum der Speicherkapazitäten.

Punkt drei: Die Datenmenge, die per Kabel und drahtlos übertragen wird, wächst ständig. Punkt vier ist die Masse der Fotos und Informationen im Internet. Lernende Maschinen können die Datenflut als Wissensquelle nutzen. Weil sie die Materialberge wie ein Bildungsangebot anzapfen, kommen sie schneller vorwärts: etwa beim Bilder erkennen, Sprache verstehen und Texte interpretieren. Zudem nutzen sie das Netz, um Programme und Speicher auszulagern. Ein weiterer Treiber: Sensoren - also Fühler für äußere Reize – scannen ihre Umwelt genauer und liefern eine bessere Datenbasis.

Hintergründe der Debatte um Künstliche Intelligenz: Werden die Roboter ihre Schöpfer überholen?

Egal wie hoch sich die Roboter technisch noch aufschwingen werden: Am Anfang ihrer Entwicklung steht bisher immer der Mensch. Er baut den Torso und entscheidet, was die Maschine können soll. Das legt er in einem Computerprogramm fest. Mehr und mehr jedoch versuchen Forscher, ihre Zöglinge unabhängig werden zu lassen.

So ein Roboterkind ist Myon. Der Humanoide misst 1,25 Meter. Gewicht: etwa 16 Kilo. Auf seiner Schulter sitzt ein schwarz-weißer Kopf mit einem Kamera-Auge. Professor Manfred Hild und sein Team an der Beuth Hochschule haben ihn so konstruiert, dass er seine Umwelt beobachtet, geht und aus Erfahrungen lernt. "Bewegungen, die Myon allein macht, fallen ihm einfacher. Wenn ein Mensch ihn führt, muss er sich auf mehr einstellen, das wird schwieriger", sagt der 48-Jährige.

Das ist typisch für die Robotik: Was dem erwachsenen Menschen leicht fällt, stellt Maschinen vor Probleme. Wenn ein Roboter ein rohes Ei beim Anfassen nicht zerquetscht, ist das eine Leistung. Gehen ist oft eine wackelige Sache. Und wenn ein Mensch ihn an die Hand nimmt, heißt es Vorsicht! Er muss auf zwei Dinge zugleich achten.

Myon übt seit mehreren Jahren mit den Wissenschaftler des Labors für Neurorobotik. Fünf kleine Kerle gehören zur Serie. Erforscht wird, wie sie ihr Denken durch äußere Einflüsse erweitern. Nächstes Ziel: Myon soll noch eigenständiger werden. Bisher wurde er zur Weiterentwicklung mit einem externen Computer verbunden. Künftig sollen ihn die Befehle dafür allein durch Interaktion wie Sprechen, Gesten und Vormachen erreichen.

Superklug und übermächtig wie im Film?

So aufregend die Begegnungen mit Erica, Myon und Armar auch sind: Angst, dass einer von ihnen intelligenter als sein Erfinder wird, erzeugen diese Kunst-Gestalten nicht. Keiner ist ein Alleskönner, jeder macht nur in seinem Teilgebiet kleine Fortschritte. Trotzdem hat der Aufschwung des maschinellen Lernens die Furcht vor superklugen, übermächtigen Maschinen befeuert, die im Kino und im Roman schon mal die Welt beherrschen.

Roboter helfen Medizinern bei Diagnosen

US-Autoren wie Nick Bostrom ("Superintelligenz") und Ray Kurzweil ("Das Geheimnis des menschlichen Denkens") spekulieren, wann Maschinen auf ganzer Linie schlauer als Menschen sein könnten. Und nicht nur in Spezialgebieten. Schon jetzt hilft die IBM-Software "Watson" Ärzten durch rasante Datenanalyse bei Diagnosen und "AlphaGo" von Google konnte den weltbesten Go-Spieler besiegen.

Computer, die nach dem Vorbild unseres Gehirns arbeiten, haben diese Visionen beflügelt. In ihnen steckt eine Technik, die in Netzwerken aus künstlichen Neuronen denkt.

Den Technik-Geschöpfen fehlt Kreativität und Gefühl

Der deutsche Roboter-Experte Dillmann bleibt vorsichtig: "An den Traum, mit künstlicher Intelligenz letztlich den Menschen und sein Gehirn vollständig nachbilden beziehungsweise übertreffen zu können, glaube ich nicht", sagt er. "Wenn man Prozesse betrachtet, die mit Kreativität zu tun haben, nehmen wir Künstler oder Architekten, die freie Entwürfe machen, dann wird das relativ kritisch." Außerdem gehöre zum Denken auch das soziale Miteinander der Menschen. Das sei Maschinen fremd. Es sei kaum nachbildbar – und wenn, dann nur in groben Zügen als Karikatur.

Aufgabenteilung statt Machtübenahme

Der Japaner Kaname Hayashi jedenfalls hat keine Angst vor einer übermenschlichen Technik. Er ist der Vater des knuffigen Serviceroboters Pepper, der schon einige tausendmal im Einsatz ist: "Menschliche Intelligenz ist gar nicht so rational und effizient. Wir haben ständig irrationale Gedanken. Es macht auch wirtschaftlich keinen Sinn, so eine Intelligenz nachzumachen", sagt er. Er erwartet eine Aufgabenteilung: Computer erbringen sinnvolle Standard-Lösungen, Menschen sorgen für alles, was darüber hinausgeht: "Für einen großen Sprung brauchen wir ein unlogisches, irrationales Hirn."

Wie stark nähern sich Mensch und Maschine an?

Trotzdem läuft die Annäherung zwischen Mensch und Maschine weiter. Ericas Vater Ishiguro sieht den Menschen als Wesen, das im Laufe der Geschichte immer klüger und effizienter wurde – also auf gewisse Weise roboterähnlicher. Er gilt auch in Japan mit seinen Visionen als eher exotisch. Ishiguro möchte eigentlich schon heute keinen Unterschied mehr machen zwischen Leben und Technik. "Als Menschen vergrößern wir ständig unsere Möglichkeiten und unsere Definition vom Menschsein", sagt Ishiguro.

Maschine mutiert nicht zum Lebewesen

Aus Sicht seines Landsmannes Hayashi bleibt die Maschine immer ein Werkzeug. Sie könne nicht zum Lebewesen mutieren. Der Mensch jedoch sei fähig, sich Roboterteile einzuverleiben. Wie es manche schon tun mit künstlichen Körperergänzungen, etwa bei Wettkämpfen für Behinderte. "Wenn einer zum Beispiel eine Maschine als Bein hat, ist er 15 Prozent Roboter. Irgendwann gibt es vielleicht jemanden, der 51 Prozent Roboter ist. Würden Sie ihn Mensch nennen oder Roboter?", fragt der Wissenschaftler provokant.

Cyborg: Der Chip unter der Haut

Jewgeni Tschereschnew (37) sieht sich selbst als Vorreiter solcher Mischwesen – und als Mahner. Sein Technik-Baustein ist ein kleiner Chip, von außen unsichtbar. Er ließ sich – wie außer ihm eine Reihe von anderen Leuten – das Teil 2015 unter die Haut der Hand pflanzen. Den Chip mit persönlichen Daten kann er wie einen Schlüssel nutzen und Bürotüren öffnen. Der Russe mit den blonden, langen Haaren arbeitet bei der Internet-Sicherheitsfirma Kaspersky Lab. Er will mit seinem Versuch zeigen, wie leicht solche Datenspeicher von anderen gelesen und geändert werden können.

"Was wir heute als Künstliche Intelligenz bezeichnen, verdient diesen Namen eigentlich noch nicht", sagt er. "Aber in 30 bis 70 Jahren wird es das wahrscheinlich geben. Wir müssen schon vorher eine Gesellschaft bauen, die in der Lage ist, die Kontrolle zu behalten."

Auch der Berliner Professor Hild sieht die Gefahren nicht so sehr in den Robotern allein. Sondern darin, dass Konzerne, Staaten und Regierungen sich der Computer-Techniken zu eigenen, auch aggressiven Zwecken bedienen, egal ob mit Robotern, Cyborgs und allen Formen dazwischen. Doch noch bleibt nach seiner Prognose Zeit für die Vorbereitung auf den großen Auftritt der Maschinen-Menschen: "Ich glaube, dass wir in den nächsten 200 Jahren immer werden sagen können, ob da ein Roboter oder ein echter Mensch vor uns steht."

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