Sei Felix, nicht Olaf
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Die vierte Corona-Welle nimmt immer weiter an Fahrt auf β und die Politik eiert rum. Hier kΓΆnnten neue wie alte Regierung etwas von Kita-Kindern wie Felix lernen.
Mein Patenkind hat die Faxen dicke: Der kleine Felix wird in zwei Wochen fΓΌnf. Das will er natΓΌrlich feiern. Profis wissen: Geburtstagseinladungen sind in der BevΓΆlkerungsgruppe der Kleinkinder die hΓ€rteste WΓ€hrung. Lockmittel und Drohkulisse in einem.
Gibst du mir nen Lolli ab, darfst du zu meinem Geburtstag kommen. Bist du fies zu mir, dann nicht. Felix ist ein Kleinkind und damit automatisch Profi, und dementsprechend bewusst geht er mit seiner Macht um. Zu spΓΌren bekommt das nun die kleine Marie, Felixβ Kitafreundin β oder besser: Ex-Freundin. Ihren Namen hat er von seiner Einladungsliste gestrichen.
"Marie schubst immer und Γ€rgert. Ich hab ihr jetzt ganz oft gesagt, dass sie das nicht soll und dass ich sie nicht einlade, wenn sie das nicht lΓ€sst. Hat sie nicht drauf gehΓΆrt, jetzt darf sie halt nicht kommen", sagt Felix und zuckt mit seinen schmalen, kindlich-runden Achseln, wΓ€hrend er mir das einzig ihm Logische auseinandersetzt.
Kita-Kinder sind auch gute Lehrer fΓΌr Social Media
In seinem Denken gibt es da gar keinen Spielraum: Er hat etwas erklΓ€rt, und zwar mehrfach, er hat gedroht, er hat die Konsequenzen aufgezeigt β nun zieht er sie. Kinder sind da geradlinig und knallhart.
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriΓΆse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nΓ€mlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter β wo sie bereits Zehntausende Fans hat. In ihrer Kolumne auf t-online filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist ΓΌberall erhΓ€ltlich.
Pipieinfach, oder? In den sozialen Netzwerken funktioniert das auch spitzenmΓ€Γig! Sie behaupten immer noch, die Impfung gegen Corona wΓΌrde nichts bringen, weil ja auch Geimpfte auf den Intensivstationen liegen? Block. Sie vergleichen sich mit den Juden im Dritten Reich, weil Sie 2G befolgen mΓΌssen? Block.
Lockerer als mein Blockfinger in den sozialen Netzwerken sitzt wohl nur noch die Schraube bei SchwurbelkΓΆnigen wie Attila Hildmann oder dem Wendler, die sich beide komplett ins Aus geschossen haben. Unter anderem haben ΓΌbrigens auch soziale Netzwerke wie Instagram dabei geholfen, solche Leute ins gesellschaftliche Abseits zu befΓΆrdern: indem sie sie gesperrt haben. Superblock.
Klare Kante β wΓΌrde man sich nicht nur bei Kindern wΓΌnschen
Eine Strategie, die auch der Politik gut zu Gesicht stΓΌnde. Und sie wΓΌrde die gesellschaftliche Mitte stΓ€rken β und damit unsere Demokratie. Denn durch einen konsequenten Umgang mit denjenigen, die nicht dazugehΓΆren wollen, kΓΆnnten die Spahns, Scholzens, Lindners, Baerbocks dieser Welt die Gefahr bannen, auch noch diejenigen zu verprellen, die sich nicht beirren lassen in ihrem Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse.
Trotz grandiosen Missmanagements in dieser Pandemie β sowohl der Groko als auch der nun sehr blass leuchtenden Ampel. Wer in der Lage ist, ohne Schaum vorm Mund und ohne Agenda namens "Ich ich ich ich ich" im Kopf auf SΓ€ulen- und Tortendiagramme zu schauen, weiΓ seit Monaten: Wir sind die Mehrheit. Die ganz eindeutige Mehrheit.
Wir hassen die BeschrΓ€nkungen auch β sie sind dennoch nΓΆtig
Wir, die wir die BeschrΓ€nkungen auch hassen. Aus tiefstem Herzen. Die wir auch sehen, dass erst eine Impfpflicht kategorisch ausgeschlossen wurde und nun wohl doch kommt. Die wir aber unser Vertrauen eher verlieren wΓΌrden, wenn die Fakten ignorierend an etwas festgehalten wΓΌrde, was aus anderen Zeiten stammt.
Erstens aus einer Zeit, in der Wahlkampf herrschte und zweitens aus einer Zeit, in der schwerstkranke Menschen noch nicht in drΓΆhnend lauten Flugzeugen quer durch die Republik geflogen werden mussten, weil man sich auf den Intensivstationen nicht mehr angemessen um sie kΓΌmmern konnte.
Der Fehler ist nicht, nun doch eine Impfpflicht einzufΓΌhren. Der Fehler war, sie kategorisch auszuschlieΓen, ohne Not. Genauso ΓΌbrigens wie die Formulierung "Impfangebot". Diese Krise ist nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine kommunikative.
Aber die gute Nachricht: Die Mehrheit will keine ideologische Politik, in der es wichtiger ist, an etwas festzuhalten um des Festhaltens willen. Die Mehrheit will Politik, die sie berΓΌcksichtigt und sich nicht versteckt hinter unwahren Behauptungen wie einer "Spaltung der Gesellschaft". Eine Politik, die nicht auf Sicht fΓ€hrt, sondern StΓ€rke demonstriert, die sich auch Γ€uΓert in der FΓ€higkeit, umzusteuern. Dazuzulernen.
Die Mehrheit will, dass die Schwurbler eine Ansage bekommen
Die Mehrheit will, dass diejenigen, die schubsen und Γ€rgern, eine Ansage kriegen. Diejenigen, die mit Quatschfakten argumentieren und diese als "Meinung" deklarieren. Aber Fakten sind, man muss es stetig wiederholen wie ein Papagei, keine Meinung. Und wer so einen Unsinn wie den weiter oben beschriebenen 20 Monate nach Beginn der Pandemie noch von sich gibt, findet Fakten nur in Form von FeigenblΓ€ttern gut: Er missbraucht Fake-Fakten, um den eigenen Egoismus dahinter zu verstecken.
Ob Angst vorm Impfen, Bequemlichkeit, sich endlich mal einzulesen in die Datenlage, Feigheit, die eigene Blase zu verlassen oder einfach keine Lust, sich einzuschrΓ€nken. Solche Leute verlassen sich auf eine Gesellschaft, die β das dΓΌrfen wir nicht vergessen β zum ganz ΓΌberwiegenden Teil solidarisch handelt. Und verhalten sich dieser Gesellschaft gegenΓΌber nicht anders als asozial.
Es gab genug Warnungen. Nun muss mal Schluss sein mit Kindergeburtstag.
Der kleine Felix wird seinen nicht feiern. Er weiΓ das noch nicht, aber seine Eltern wissen es. Die Lage lΓ€sst es nicht zu. Eine Politik mit Angst vor einer Minderheit hat einen beachtlichen Teil dazu beigetragen.