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Kolumne zur Corona-Politik: Sei Felix, nicht Olaf


Corona-Krise
Sei Felix, nicht Olaf

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

01.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Olaf Scholz: Er könnte durchaus noch von Kita-Kindern lernen, glaubt Kolumnistin Nicole Diekmann.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Er könnte durchaus noch von Kita-Kindern lernen, glaubt Kolumnistin Nicole Diekmann. (Quelle: Mike Schmidt/imago-images-bilder)

Die vierte Corona-Welle nimmt immer weiter an Fahrt auf – und die Politik eiert rum. Hier könnten neue wie alte Regierung etwas von Kita-Kindern wie Felix lernen.

Mein Patenkind hat die Faxen dicke: Der kleine Felix wird in zwei Wochen fünf. Das will er natürlich feiern. Profis wissen: Geburtstagseinladungen sind in der Bevölkerungsgruppe der Kleinkinder die härteste Währung. Lockmittel und Drohkulisse in einem.

Gibst du mir nen Lolli ab, darfst du zu meinem Geburtstag kommen. Bist du fies zu mir, dann nicht. Felix ist ein Kleinkind und damit automatisch Profi, und dementsprechend bewusst geht er mit seiner Macht um. Zu spüren bekommt das nun die kleine Marie, Felix’ Kitafreundin – oder besser: Ex-Freundin. Ihren Namen hat er von seiner Einladungsliste gestrichen.

"Marie schubst immer und ärgert. Ich hab ihr jetzt ganz oft gesagt, dass sie das nicht soll und dass ich sie nicht einlade, wenn sie das nicht lässt. Hat sie nicht drauf gehört, jetzt darf sie halt nicht kommen", sagt Felix und zuckt mit seinen schmalen, kindlich-runden Achseln, während er mir das einzig ihm Logische auseinandersetzt.

Kita-Kinder sind auch gute Lehrer für Social Media

In seinem Denken gibt es da gar keinen Spielraum: Er hat etwas erklärt, und zwar mehrfach, er hat gedroht, er hat die Konsequenzen aufgezeigt – nun zieht er sie. Kinder sind da geradlinig und knallhart.

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie bereits Zehntausende Fans hat. In ihrer Kolumne auf t-online filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich.

Pipieinfach, oder? In den sozialen Netzwerken funktioniert das auch spitzenmäßig! Sie behaupten immer noch, die Impfung gegen Corona würde nichts bringen, weil ja auch Geimpfte auf den Intensivstationen liegen? Block. Sie vergleichen sich mit den Juden im Dritten Reich, weil Sie 2G befolgen müssen? Block.

Lockerer als mein Blockfinger in den sozialen Netzwerken sitzt wohl nur noch die Schraube bei Schwurbelkönigen wie Attila Hildmann oder dem Wendler, die sich beide komplett ins Aus geschossen haben. Unter anderem haben übrigens auch soziale Netzwerke wie Instagram dabei geholfen, solche Leute ins gesellschaftliche Abseits zu befördern: indem sie sie gesperrt haben. Superblock.

Klare Kante – würde man sich nicht nur bei Kindern wünschen

Eine Strategie, die auch der Politik gut zu Gesicht stünde. Und sie würde die gesellschaftliche Mitte stärken – und damit unsere Demokratie. Denn durch einen konsequenten Umgang mit denjenigen, die nicht dazugehören wollen, könnten die Spahns, Scholzens, Lindners, Baerbocks dieser Welt die Gefahr bannen, auch noch diejenigen zu verprellen, die sich nicht beirren lassen in ihrem Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse.

Trotz grandiosen Missmanagements in dieser Pandemie – sowohl der Groko als auch der nun sehr blass leuchtenden Ampel. Wer in der Lage ist, ohne Schaum vorm Mund und ohne Agenda namens "Ich ich ich ich ich" im Kopf auf Säulen- und Tortendiagramme zu schauen, weiß seit Monaten: Wir sind die Mehrheit. Die ganz eindeutige Mehrheit.

Wir hassen die Beschränkungen auch – sie sind dennoch nötig

Wir, die wir die Beschränkungen auch hassen. Aus tiefstem Herzen. Die wir auch sehen, dass erst eine Impfpflicht kategorisch ausgeschlossen wurde und nun wohl doch kommt. Die wir aber unser Vertrauen eher verlieren würden, wenn die Fakten ignorierend an etwas festgehalten würde, was aus anderen Zeiten stammt.

Erstens aus einer Zeit, in der Wahlkampf herrschte und zweitens aus einer Zeit, in der schwerstkranke Menschen noch nicht in dröhnend lauten Flugzeugen quer durch die Republik geflogen werden mussten, weil man sich auf den Intensivstationen nicht mehr angemessen um sie kümmern konnte.

Der Fehler ist nicht, nun doch eine Impfpflicht einzuführen. Der Fehler war, sie kategorisch auszuschließen, ohne Not. Genauso übrigens wie die Formulierung "Impfangebot". Diese Krise ist nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine kommunikative.

Aber die gute Nachricht: Die Mehrheit will keine ideologische Politik, in der es wichtiger ist, an etwas festzuhalten um des Festhaltens willen. Die Mehrheit will Politik, die sie berücksichtigt und sich nicht versteckt hinter unwahren Behauptungen wie einer "Spaltung der Gesellschaft". Eine Politik, die nicht auf Sicht fährt, sondern Stärke demonstriert, die sich auch äußert in der Fähigkeit, umzusteuern. Dazuzulernen.

Die Mehrheit will, dass die Schwurbler eine Ansage bekommen

Die Mehrheit will, dass diejenigen, die schubsen und ärgern, eine Ansage kriegen. Diejenigen, die mit Quatschfakten argumentieren und diese als "Meinung" deklarieren. Aber Fakten sind, man muss es stetig wiederholen wie ein Papagei, keine Meinung. Und wer so einen Unsinn wie den weiter oben beschriebenen 20 Monate nach Beginn der Pandemie noch von sich gibt, findet Fakten nur in Form von Feigenblättern gut: Er missbraucht Fake-Fakten, um den eigenen Egoismus dahinter zu verstecken.

Ob Angst vorm Impfen, Bequemlichkeit, sich endlich mal einzulesen in die Datenlage, Feigheit, die eigene Blase zu verlassen oder einfach keine Lust, sich einzuschränken. Solche Leute verlassen sich auf eine Gesellschaft, die – das dürfen wir nicht vergessen – zum ganz überwiegenden Teil solidarisch handelt. Und verhalten sich dieser Gesellschaft gegenüber nicht anders als asozial.

Es gab genug Warnungen. Nun muss mal Schluss sein mit Kindergeburtstag.

Der kleine Felix wird seinen nicht feiern. Er weiß das noch nicht, aber seine Eltern wissen es. Die Lage lässt es nicht zu. Eine Politik mit Angst vor einer Minderheit hat einen beachtlichen Teil dazu beigetragen.

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