t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeDigitalNicole Diekmann: Im Netz

Kinderbuch Conni: Meme-Streit entfacht juristischen Kulturkampf


Streit um Kinderbuch
Ist Conni ein Neonazi?

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

16.07.2025 - 12:20 UhrLesedauer: 4 Min.
imago images 0762614636Vergrößern des Bildes
Conni-Meme-Buchcover: Conni wird zur Symbolfigur gesellschaftlicher Debatten. (Quelle: IMAGO/Müller-Stauffenberg/imago)
News folgen

Der Kulturkampf tobt. Mittendrin ein kleines Mädchen, dem man eigentlich nur einen Vorwurf machen kann: Es ist sterbenslangweilig.

Die Me-too-Debatte hat einige Männer dazu gebracht, sich wie Volltrottel aufzuführen. "Man darf ja als Mann jetzt gar nichts mehr!", behaupten einige von ihnen mit theatralisch weit aufgerissenen, kläglich-fragenden Augen. Andere wandern noch einen Schritt weiter auf dem schier unendlich weiten Pfad des Sich-Dummstellens und fragen: "Darf man denn einer Frau jetzt überhaupt noch die Tür aufhalten?"

Loading...

Es gibt einen Fachausdruck für dieses Laienschauspiel. Er lautet "strategische Inkompetenz". Der Trick: Man tut so, als wäre man völlig überfordert, und hofft, auf diesem Wege unliebsamen Verhaltensänderungen aus dem Weg gehen zu können. Zum Beispiel der, das eigene Verhalten zu reflektieren. Oder Frauen keine unaufgeforderten Penisfotos mehr zu schicken.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr

Die kleine Conni, seit 30 Jahren fester Bestandteil des Kleinkinderbuch-Kanons, ist nun Teil einer solchen Debatte, die von einigen Beteiligten mit der inzwischen leider zeitgemäßen Eskalationsgier betrieben wird.

Für die Glücklichen, die bisher um Conni herumgekommen sind, ein kurzer Steckbrief: Conni ist ein Mädchen. Ein sehr braves Mädchen. Ach, was soll's, das hier ist ja eine Kolumne und kein Werbebrief für Conni-Veröffentlichungen. Ich sage, wie es ist: Conni ist so spießig, dagegen wirkt Mutter Beimer wie eine Hausbesetzerin. So fad ist dieses Mädchen, dass man sich wünscht, man würde während des Vorlesens vom eigenen, noch grobmotorischen Kind versehentlich mit eben einem solchen Conni-Buch bewusstlos geschlagen und damit zumindest zeitweise befreit aus diesem aus intellektueller Unterforderung und Anpassung gemauerten Knast.

Plötzlich wurde die Figur cool

Plötzlich aber wurde Conni cool, denn Conni wurde zum Meme. Memes, das sind Bilder oder Videos, die mit Text versehen im Netz als satirischer Inhalt verbreitet werden. Plötzlich klaute Conni bei Rewe. Plötzlich wurde Conni gar politisch: "Conni geht die AfD ärgern" kursiert in den sozialen Netzwerken, oder auch "Conni erwischt Jens Spahn beim Maskendeal".

Tja. Es kam, wie es kommen musste: Conni steht jetzt im Zentrum einer juristischen Auseinandersetzung und eines Kulturkampfes.

Vor einigen Tagen nämlich hat sich der Verlag hinter der Conni-Reihe zu Wort gemeldet: Bei dem Meme-Trend handele es sich "um unwissentliche Verletzungen von Urheber-, Marken- und/oder Titelrechten". Man erteile grundsätzlich keine Genehmigung für Memes und werde juristische Schritte prüfen.

Niemand wird im Knast landen

Die Aufregung war – Sie ahnen es – gleich mal wieder groß. "Carlsen Verlag verbietet Conni-Memes und verschickt Abmahnungen", machte eine an Krawall interessierte Zeitung daraus. Dass ein Verlag keine gesetzgeberische Funktion hat, war da wohl ein bisschen untergegangen. Eine andere Zeitung erklärte den Verlag enttäuscht für nicht zeitgemäß, weil Memes ja eben genau das sind. Carlsen habe eine große Chance vertan, war da zu lesen: Conni hätte zur Influencerin werden können! Social Media reagierte, wie Social Media eben reagiert: Mit übertriebener Empörung und mit liebenswerter Anarchie: Es wurden einfach noch mehr Memes gepostet.

Achtung, Entwarnung: Kaum jemand muss sich nun Sorgen machen, im Knast zu landen. Und Conni kann immer noch Influencerin werden, wenn sie es nicht sogar schon ist. Denn Carlsen stellte klar, es gehe ihm um "menschenverachtende, rassistische, gewaltverherrlichende und pornografische Verwendungen der Conni-Figur”.

Einige sollten sich besinnen

Nun wurde, Gott sei Dank, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wirklich journalistisch tätig und recherchierte. Erstens hat sie dabei herausgefunden, dass tatsächlich eine Anzeige vorliegt. Die richtet sich demnach gegen einen Rechtsextremisten, der 2024 auf seinem Telegram-Kanal ein Conni-Meme veröffentlicht hatte. Darauf hält ein schwarzer Junge ein weißes Mädchen beim Spielen im Wasser im Arm. Der Text: "Matumbo erforscht Mädchenkörper im Freibad". Insgesamt habe man bis heute eine zweistellige Zahl von Personen aufgefordert, eine unzulässige Verwendung der Conni-Figur zu löschen, teilte eine Verlagssprecherin mit.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Das klingt überschaubar und nachvollziehbar. Finde ich. Und ich schätze, Sie auch. Was aber lese ich nun in einem Newsletter? Der Begriff "menschenverachtend" sei ja nun wirklich Auslegungssache. Wie man denn da bitte rechtssicher noch Conni-Memes posten wolle?

Ich sag’s mal so: Vor Menschen, denen der Begriff "menschenverachtend" schwammig erscheint, türmen sich im Alltag ziemlich sicher zahlreiche Probleme auf. Da wäre es womöglich einfach die beste Variante, gar nichts zu veröffentlichen und sich stattdessen sehr ausgiebig zu besinnen.

Temperatur herunterfahren

Und hier noch eine gute Nachricht für alle, die den galaktisch breiten Grat zwischen rassistisch, gewaltverherrlichend und pornografisch auf der einen Seite und nicht rassistisch, nicht gewaltverherrlichend und nicht pornografisch auf der anderen Seite immer noch mit bloßem Auge erkennen: Sie können weiter posten. Denn die "FAZ" hat noch eine zweite Sache herausgefunden. Indem sie, auch diese Möglichkeit gibt es ja und ist im seriösen Journalismus weit verbreitet, einen Fachmann gefragt hat. Einen Juristen.

Und deshalb wissen wir nun, dass es im Urheberrechtsgesetz unter Paragraf 51a ganz klar heißt, "dass die Verbreitung eines veröffentlichten Werks ‘zum Zweck der Karikatur, der Parodie oder des Pastiche’ zulässig ist." Als "Pastiche", erklärt die "FAZ", "werden Werke bezeichnet, die verschiedene Elemente anderer Werke nachahmen oder miteinander kombinieren, zum Beispiel als Samples in Liedern". Und jetzt kommt es: "In der Begründung der Bundesregierung zu dem Gesetz werden Memes ausdrücklich als Beispiel für Parodie oder Pastiche genannt", so der Jurist.

Es dürfen sich also alle wieder beruhigen. Wir dürfen posten. Und Männer dürfen Frauen die Tür aufhalten. Alles ist gut.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom