t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeDigitalNicole Diekmann: Im Netz

Nadja Abd el Farrag: Ihr Tod bringt ihr späten Respekt und Anerkennung


Tod von Nadja Abd el Farrag
"Naddel" war ein aggressiver Akt gegen sich selbst

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

14.05.2025 - 12:20 UhrLesedauer: 4 Min.
imago images 0817860273Vergrößern des Bildes
Nadja Abd el Farrag: Eine Frau zwischen Medienzirkus und persönlichem Kampf. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON/imago)
News folgen

Jahrelang wurde Nadja Abd el Farrag verspottet und gedemütigt. Erst mit ihrem Tod wird sie respektvoll behandelt. Sie war auch ein Opfer ihrer Zeit, meint t-online-Kolumnistin Nicole Diekmann.

Jede Zeit hat ihre Phänomene. Ein durch und durch typisches dieser Tage: Zu sterben und anschließend im Netz auch Häme zu ernten. Es finden sich eigentlich immer solche, die Pietät für eine französische Delikatesse halten. Und ihr Leben für so schlimm, dass sie ihrem Frust selbst dann keinen Einhalt zu gebieten vermögen, wenn das eines anderen endet.

Bei Nadja Abd el Farrag aber war es anders: Als am Montag bekannt wurde, dass sie mit nur 60 Jahren gestorben war, gab es kein Nachtreten. Sondern Betroffenheit und Respekt. Für eine Frau, die so lange gegen ihre Abhängigkeiten gekämpft hatte. Gegen die wohl emotionale und finanzielle von ihrem Ex-Partner Dieter Bohlen. Gegen die vom Teufel Alkohol. Und gegen die von den traditionellen Medien.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr

Denn auch die Neunzigerjahre hatten ihre Phänomene. Zum Beispiel C-Promis. Menschen, die weder in der höchsten noch in der zweithöchsten Liga mitspielten, was Talent, Erfolg, Macht, Geld und/oder andere notwendige Mitbringsel für das Leben im Rampenlicht anging. Sondern irgendwie darunter rangierten und im Zweifel deshalb in einer sich radikal ändernden Medienwelt vorkamen, weil sie etwas eben gerade nicht gut konnten, trotzdem aber daran festhielten. Oder aber, weil sie sich im Lichtkegel von A- oder B-Promis bewegten. Ein Beispiel: Fußballerfrauen.

Skandale und demütigende Momente

Auch Nadja Abd el Farrag war ein C-Promi. Sie hatte sich nicht in einen Fußballer verliebt, sondern in "Modern Talking"-Legende Dieter Bohlen. In einer Hamburger Disco hatte er diese Frau erblickt, sie umworben. Die beiden wurden ein Paar. Und Nadja Abd el Farrag wurde zu "Naddel". Zur +1 des A-Promis Bohlen.

Nadja Abd el Farrag mochte den Namen "Naddel" nicht. Und ließ ihn doch als Marke eintragen. Ein so eklatanter Widerspruch und aggressiver Akt gegen sich selbst, der alles aussagt über ihr Verhältnis zum Medienzirkus und seine Allmacht vor den Zeiten des Internets. Nadja Abd el Farrag musste sich in ein von außen aufgedrücktes Image fügen, das sie nie wieder loswurde, aber auch nicht zu Geld machen konnte. Um daraus Unabhängigkeit zu schöpfen.

Nadja Abd el Farrag tat all das, wovor Mütter ihre Töchter warnen sollten: Sie verliebte sich in einen Mann und begab sich in die Abhängigkeit. Er verdiente das Geld, sie machte den Haushalt. Kein eigenes Einkommen, keine Rücklagen. Nicht mal eine Absicherung in Form einer Ehe. Bohlen und sie heirateten nie. Als die Beziehung dann nach einigen Jahren mit öffentlich ausgeschlachteten Skandalen und wirklich demütigenden Momenten endgültig zerbrach, stand sie da mit nichts. Außer diesem Namen, der sie zu etwas Besonderem machte. Den ihr Bohlen gegeben und den die Boulevardpresse übernommen hatte für diese sehr große, schöne, ruhige und erstaunlich zurückhaltende Frau mit sehr weißen, ebenmäßigen Zähnen.

Es steckte alles drin

Dieser Name stand für die Frau, die öffentlich von Bohlen gedemütigt wurde, als er sie für Verona Feldbusch abservierte, die er dann nach nur vier Wochen in Las Vegas heiratete. Bohlen, der nach nur wenig später eingezogener Ernüchterung nicht zu Abd el Farrag zurückkehrte, sondern, nein, sie huldvoll wieder bei sich einziehen und putzen ließ. Sie ließ sich viel antun, während sie niemandem etwas Böses tat, außer sich selbst. Weil sie schwach war.

All das machte sie eigentlich zu einer von vielen: eine Frau, die in eine geschlechtertraditionelle Falle getappt war. Sie hatte, weil sie Bohlen nach eigenen Angaben verfallen war, jede Vernunft außer Acht gelassen. Sie war ihrem Gefühl gefolgt, hatte, klar, auch Annehmlichkeiten dafür geerntet. Und sich vom Hof jagen lassen. Allerdings, und das ist der entscheidende Unterschied: einem Hof, über den wir alle ständig in der Presse und im Fernsehen informiert wurden. Zu unserer Belustigung, Unterhaltung und zu unserer Bestätigung darin, alles richtiger zu machen als "Naddel".

Da steckte alles drin, womit der Boulevard seit jeher Kasse macht: Klischees. Junge, schöne, naive Frau trifft reichen Macker. Das berühmte Cinderella-Motiv: von der Apothekenhelferin zum – immerhin – C-Promi. Und der Fall, als es vorbei war. Plus Sex, Drugs und – na ja, Rock 'n' Roll, wenn man "Modern Talking" und Bohlens Anschlussprojekt "Blue System" mal sehr großzügig kategorisieren will.

Solche Bilder gab es zuhauf

Mit Drogen jedoch hatte Abd el Farrag tatsächlich zu tun. Sie war alkoholkrank. Darüber hat sie in den letzten Jahren ihres Lebens offen gesprochen, und auch das wurde natürlich von der Presse ausgeschlachtet. Fast nichts befriedigt unsere niederen Instinkte, die den Boulevard am Laufen halten, mehr als Suff-Fotos von Promis. Alkohol ist keine Promi-Droge, sondern fester Bestandteil unserer Welt. Wir alle haben Zugang zu Alkohol. Bilder von einem entgleisten, muskelerschlafften Promi-Gesicht, Augen ziellos auf halbmast, womöglich sogar ein öffentlicher Sturz nach torkelnden Schritten – all das ermöglicht uns den direkten Vergleich. Und wir, sofern wir Glück haben und nicht an Alkoholismus leiden, schneiden da besser ab. Solche Bilder gab es zuhauf von "Naddel".

Man konnte ihrem Abstieg quasi in Echtzeit zuschauen. Hinter diesen genüsslich ausgeschlachteten (und konsumierten) Bildern von "Naddel" verschwand Nadja Abd el Farrag. Eine Frau, die es nun trotz aller Trash-TV-Auftritte, trotz Teilnahme am RTL-"Dschungelcamp" und öffentlichen Wiegens einer ihrer Brüste bei Sat.1, trotz Ballermann-Fanpublikums nun sogar bis in die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" geschafft hat. Und eine Frau, die von Journalisten, die sie kennenlernen durften, beschrieben wird als anständig, zurückhaltend, weich.

Man kann viel Schlechtes sagen über Social Media. Wer diese Kolumne regelmäßig liest, weiß: Mir fällt dazu viel ein. Aber die sozialen Netzwerke haben einen unbestreitbaren Vorteil – etwas Revolutionäres sogar: Sie haben den traditionellen Medien einen riesigen Teil an Macht genommen. Instagram, YouTube, TikTok und andere ermöglichen es Menschen, die berühmt werden wollen oder es schon sind, einen beachtlichen Teil ihres Images selbst zu bestimmen und zu steuern. Auch, und das ist nicht zu unterschätzen, weil es für Redaktionen natürlich viel günstiger ist, Postings zu übernehmen beziehungsweise darüber zu berichten, statt für viel Geld Paparazzi-Bilder zu kaufen oder sich selbst was zu überlegen. Im Zweifel auch: auszudenken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel


Bleiben Sie dran!
App StorePlay Store
Auf Facebook folgenAuf X folgenAuf Instagram folgenAuf YouTube folgenAuf Spotify folgen


Telekom