t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenRatgeberGeldanlageDerivate

Hebelprodukte: Leicht verdientes Geld oder viel zu riskant?


Anlagewissen
Hebelprodukte: Leicht verdientes Geld oder viel zu riskant?


Aktualisiert am 21.10.2022Lesedauer: 8 Min.
Qualitativ geprüfter Inhalt
Qualitativ geprüfter Inhalt

Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Ein Mann tippt auf einem Tablet (Symbolbild): Hebelprodukte versprechen großes Geld in kurzer Zeit.Vergrößern des Bildes
Ein Mann tippt auf einem Tablet (Symbolbild): Hebelprodukte versprechen großes Geld in kurzer Zeit. (Quelle: Jay Yuno/getty-images-bilder)

Mit wenig Kapital hohe Gewinne machen – oder alles verlieren. Mit Hebelprodukten ist beides möglich. Worauf Sie bei der Investition achten sollten.

Wenn es um Geld geht, tickt jeder Mensch ein bisschen anders: Manch einer hortet sein Einkommen auf dem Girokonto, wo es zwar sicher ist, aber keine Erträge bringt, ein andere geht volles Risiko und spekuliert mit Derivaten. Zu dieser Art von Finanzinstrumenten zählen auch Hebelprodukte.

Was das genau ist, wie sie funktionieren und was alles darunter fällt, erfahren Sie in diesem Überblick. Außerdem klärt t-online die Frage, für wen sich Hebelprodukte eigenen und wer lieber die Finger davon lassen sollte.

Was sind Hebelprodukte?

Hebelprodukte sind Finanzinstrumente aus der Gruppe der Derivate. Der Name ist dabei Programm: Derivate (vom Lateinischen "derivare", zu Deutsch "ableiten") sind Finanzprodukte, deren Preis sich von einem zugrunde liegenden Basiswerten, auch Underlying genannt, ableitet. Das können etwa Aktien sein, Indizes oder auch Anleihen. Kaufen Sie ein Derivat, besitzen Sie den Basiswert also nicht, haben aber trotzdem Anteil an dessen Entwicklung.

Bei einem Derivat mit Hebel, also einem Hebelprodukt, können Sie um ein Vielfaches von der Entwicklung des Basiswerts profitieren – je größer der Hebel, desto stärker. Das bedeutet, dass Sie mit einem vergleichsweise geringen Kapitaleinsatz hohe Renditen erzielen können. Aber: Sie hebeln damit im gleichen Maße auch Ihre Verluste – womöglich bis zum Totalverlust. Die Aussicht auf hohe Renditen gibt es also nur gegen hohes Risiko.

Derivate zählen zudem nicht zum Sondervermögen. Das heißt, geht ein Emittent (Herausgeber) eines Derivats pleite, erleiden Sie sehr wahrscheinlich einen Totalverlust. Emittenten sind zum Beispiel Banken.

Wie funktionieren Hebelprodukte?

Allen Hebelprodukten ist gemein, dass Sie mit Ihnen sowohl auf steigende als auch fallende Kurse setzen können, um überproportional an der Kursentwicklung des Basiswerts teilzuhaben, auf den sich das Hebelprodukt bezieht.

Spekulieren Sie auf steigende Kurse, nennt sich das Hebelprodukt Long oder Call, erwarten Sie fallende Kurse, spricht man von Short oder Put.

  • Beispiel: Nehmen wir an, Sie besitzen ein Produkt mit dem Hebel 4, das von einer Aktie abgeleitet ist und mit dem Sie auf steigende Kurse setzen. Tritt dieser Fall ein und die Aktie steigt um 2 Prozent, steigt Ihr Hebelprodukt nicht bloß um 2, sondern – wegen des Hebels 4 – um 8 Prozent. Fällt der Kurs der Aktie hingegen um 2 Prozent, fällt auch der Wert Ihres Hebelprodukts um das Vierfache.

Um den Hebel zu berechnen, benötigt man den Kurs des Basiswerts, das Bezugsverhältnis und den Kurs des Hebelprodukts.

Hebel = Kurs des Basiswerts x Bezugsverhältnis / Kurs des Hebelprodukts

  • Beispiel: Nehmen wir an, der Basiswert eines Hebelprodukts ist eine Aktie, deren Kurs bei 1.000 Euro liegt. Nehmen wir weiter an, das Hebelprodukt kostet 1,10 Euro und das Bezugsverhältnis liegt bei 0,01. Dann ergibt das einen Hebel von 9 (1.000 Euro x 0,01 / 1,10 Euro = 9). Steigt der Kurs der Aktie also um 1 Prozent, steigt der Wert Ihres Hebelprodukts um 9 Prozent, also von 1,10 Euro auf 1,19 Euro.

Was für Hebelprodukte gibt es?

Hebelprodukte ist ein Oberbegriff für viele verschiedene abgeleitete Finanzinstrumente, die alle unterschiedlich funktionieren. Zu den wichtigsten zählen Optionsscheine, Hebelzertifikate und sogenannte "Contracts-for-Difference" (CFDs).

Optionsscheine

Optionsscheine, auch Warrants genannt, sind der Klassiker unter den Hebelprodukten. Sie kaufen sich damit das Recht, nicht jedoch die Pflicht, einen bestimmten Basiswert zu einem vorab festgelegten Preis (Optionsprämie), innerhalb eines bestimmten Bezugsverhältnisses zu kaufen oder zu verkaufen. Das kann zu einem bestimmten Zeitpunkt wie im Falle der "europäische Option" geschehen, oder innerhalb eines festgelegten Zeitraumes wie beim Standardfall einer sogenannten "amerikanische Option".

Wie teuer ein Optionsschein ist, hängt entscheidend von seiner Laufzeit ab: Je kürzer die Restlaufzeit, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sich der Kurs des Basiswerts stark ändert – und desto geringer ist deshalb auch der Preis. Herausgeber dieser Papiere sind oft Banken. Obwohl es sich eigentlich um unterschiedliche Finanzprodukte handelt, werden die Begriffe Optionsscheine und Option häufig synonym verwendet.

Mit Optionsscheinen wetten Sie auf eine bestimmte Kursentwicklung, müssen Ihre Option aber nicht nutzen, wenn sich Ihre Erwartungen nicht einstellen. Ihr für den Optionsschein eingesetztes Kapital, die Optionsprämie, hätten Sie dann aber trotzdem verloren.

  • Beispiel: Sie kaufen einen Optionsschein, der Sie dazu berechtigt, eine Aktie am 31. Oktober für 100 Euro zu kaufen – ganz egal, bei welchem Kurs die Aktie an diesem Tag tatsächlich steht. Für dieses Recht wird eine Optionsprämie von 10 Euro fällig. Damit sich das für Sie lohnt, muss die Aktie am 31. Oktober bei mehr als 110 Euro stehen, denn dann hätten Sie die Prämie von 10 Euro wieder hereingeholt und noch etwas Gewinn gemacht, wenn Sie von Ihrer Option Gebrauch machen. Je weiter die Aktie über 110 Euro liegt, desto mehr Gewinn machen Sie. Liegt sie hingegen unter 100 Euro, zum Beispiel bei 97 Euro, ergibt es keinen Sinn, Ihre Option zu nutzen. Denn dann hätten Sie nicht nur die 10 Euro Prämie verloren, sondern zusätzlich noch 3 Euro. Ziehen Sie Ihre Option nicht, verlieren Sie nur die Prämie. Würde die Aktie zwischen 100 und 110 Euro liegen, zum Beispiel bei 105 Euro, sollten Sie die Option nutzen, um wenigstens nur die halbe Prämie zu verlieren.

Gut zu wissen: In diesem Beispiel ist das Bezugsverhältnis 1:1, weil der Optionsschein Ihnen das Recht gibt, eine Einheit des Basiswerts (also eine Aktie) zu kaufen. Es gibt aber auch andere Bezugsverhältnisse, zum Beispiel 10:1. Dann benötigen Sie zehn Optionsscheine, um eine Einheit des Basiswerts zu kaufen oder zu verkaufen.

Eine Kennzahl zur Beurteilung eines Optionsscheins ist das sogenannte Aufgeld (Agio). Es gibt an, um wie viel Prozent der Kauf oder Verkauf eines Basiswerts über den Optionsschein teurer ist, als der direkte Erwerb an der Börse.

Hebelzertifikate

Auch mit Hebelzertifikaten können Sie auf die Kursentwicklungen von Aktien, Indizes, Rohstoffen und Co. spekulieren und dabei überproportional gewinnen oder verlieren. Es gibt viele verschiedene Arten von Hebelzertifikaten, zum Beispiel Knock-out-Zertifikate und Faktor-Zertifikate.

Bei allen Zertifikaten – ob mit Hebel oder ohne – handelt es sich rechtlich um Schuldverschreibungen der herausgebenden Bank. Für Sie heißt das im schlimmsten Fall: Geht die Bank pleite, ist Ihr eingesetztes Kapital Teil der Insolvenzmasse – und womöglich komplett verloren.

Bei Knock-out-Zertifikaten errechnet sich die Höhe des Hebels aus dem aktuellen Stand des Basiswerts und einem festgelegten Basispreis, auch Strike genannt. Der Strike ist häufig auch die Knock-out-Schwelle. Es gilt: Je näher der Kurs oder Preis des Basiswerts dem Strike kommt, desto höher ist der Hebel, um das Produkt für Anleger attraktiv zu machen.

Denn je näher die Knock-out-Schwelle, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Basiswert diese Schwelle erreicht und der namensgebende Knock-out eintritt. Das Zertifikat ist dann nichts mehr wert – die Folge: Totalverlust.

Bei Faktor-Zertifikaten gilt jeden Tag aufs Neue ein bestimmter Faktor, mit dem die Kursentwicklung multipliziert wird – positiv wie negativ. Allerdings sollten Sie diese Zertifikate nicht länger als einen Tag halten. Als Faustregel gilt: Je höher der Hebel, desto wahrscheinlicher geht das Geld verloren.

Faktor-Zertifikate haben keine Knock-out-, sondern eine Anpassungsschwelle. Sie soll den Totalverlust verhindern, indem der Wert des Zertifikats bei heftigen Kurseinbrüchen nicht unter eine festgelegte Grenze sinken kann. Diese liegt aber meist nur kurz vor dem Totalverlust – Sie haben damit in der Praxis also nicht viel gewonnen.

Außerdem ist ein Totalverlust trotzdem möglich – selbst wenn sich der Kurs des Basiswerts nur "seitwärts" entwickelt, sich also über einen längeren Zeitraum kleine Ausschläge nach oben und unten abwechseln. Dann entsteht eine sogenannte negative Seitwärtsrendite – nicht gut für Sie als Anleger. Die mathematische Logik dahinter ist nicht besonders intuitiv.

"Contracts-for-Difference" (CFDs)

CFDs nennt man auf Deutsch auch Differenzkontrakt oder Differenzvertrag. Sie schließen damit einen Vertrag auf die Differenz zwischen dem Kurs des Basiswerts bei Vertragsabschluss und dem Kurswert bei Vertragsende. Diesen Unterschied bekommen Sie ausgezahlt, wenn sich der Kurs in die Richtung entwickelt hat, auf die Sie spekuliert hatten. Andernfalls müssen Sie die Differenz zum Ausgangskurs zahlen. Ihre Verluste sind allerdings auf das verfügbare Guthaben auf dem CFD-Konto begrenzt.

Loading...
Loading...
Loading...

CFDs haben keine Laufzeit, keine Knock-out-Schwelle, bei der sie wertlos verfallen, und bilden den Basiswert exakt 1:1 ab. Einen Hebel gibt es durch die sogenannte Margin (Sicherheitsleistung). Wenn Sie Ihr Geld in CFDs anlegen, müssen Sie nur einen Bruchteil des Vertragswerts als Sicherheit hinterlegen, haben aber vollständig an der Kursentwicklung des Basiswerts teil. Wohlgemerkt: wieder sowohl an Gewinnen als auch Verlusten.

  • Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie wollen von einer Kurssteigerung des Dax profitieren. Liegt dieser bei 10.000 Punkten, von denen jeder 1 Euro wert ist, hätte ein CFD darauf einen Gesamtwert von 10.000 Euro. Zahlen müssen Sie dafür aber je nach Hebel deutlich weniger. Liegt der Hebel zum Beispiel bei 1:20, müssten Sie nur 500 Euro einsetzen, also ein Zwanzigstel der Summe, die bei einem Direktinvestment fällig geworden wären. Steigt der Dax nun auf 10.200 Punkte, entstünde ein Gewinn von 200 Euro beziehungsweise 40 Prozent, wohingegen der Gewinn bei einem Direktinvestment nur 2 Prozent gewesen wären.

Wo kann man mit Hebelprodukten handeln?

Sie können Hebelprodukte ganz klassisch an der Börse handeln, aber auch außerbörslich. Im Gegensatz zum Handel mit Aktien traden Sie Hebelprodukte allerdings direkt beim Emittenten, also etwa einer Bank. Während der Geschäftszeiten können Sie beim Herausgeber des Hebelprodukts ständig die Kurse einsehen.

Handeln Sie Hebelprodukte außerbörslich, also direkt bei einem Händler, sparen Sie sich die Kosten für das Trading und Sie können frei von den Handelszeiten der Börse agieren. Allerdings fehlt Ihnen hier die Sicherheit der Börsenaufsicht.

Sind Hebelprodukte für Einsteiger geeignet?

Kurz und knapp: nein. Wer in Hebelprodukte investiert, geht große Risiken ein, weil der Hebel auch im Falle eines möglichen Verlustes voll zuschlägt. Je nach Produkt kann das so weit führen, dass Sie Ihr gesamtes eingesetztes Kapital verlieren – oder sogar darüber hinaus.

Hebelprodukte sind deshalb nur etwas für geübte Anleger, die genau verstehen, wie das Investment funktioniert und das Geld erübrigen können, das sie investieren. Laut Börsengesetz ist es Banken sogar untersagt, Anlegern den Handel mit Hebelprodukten zu gestatten, wenn diese sich nicht damit auskennen.

Die Alternative für Anfänger: ETFs

Einsteiger sollten sich nicht vom Versprechen nach schnellen Gewinnen locken lassen, sondern langfristig und mit Bedacht anlegen. Das funktioniert vergleichsweise bequem und günstig mit einem Sparplan auf einen Indexfonds, kurz ETF ("Exchange Traded Funds). ETFs bilden mithilfe eines Computeralgorithmus einen bestimmten Aktienindex ab, zum Beispiel den internationalen Index MSCI World.

Das bedeutet, dass Sie bei einer Anlage in einen ETF mit wenig Geld in die gesamte Weltwirtschaft investieren können. So streuen Sie Ihr Risiko, weil sie es auf viele verschiedene Karten gleichzeitig setzen. Wenn Sie nun noch mindestens 15 Jahre Zeit mitbringen, können Sie sogar heftige Kurseinbrüche aussitzen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Finanztip
  • bergfuerst.de
  • finanzen.net
  • boerse.ard.de
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website