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Trumps Ukraine-Wende: Zwischen Härte und Hinhaltetaktik


Trumps Ukraine-Wende
Putin kann zunächst aufatmen

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

14.07.2025 - 19:56 UhrLesedauer: 4 Min.
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Im Video: Donald Trump findet überraschende Worte für Nato-Chef Rutte.
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Trumps erste echte Drohung – oder doch nur wieder Show? Donald Trump kündigt im Weißen Haus eine Ukraine-Wende an: Waffen, Zölle, Ultimatum. Doch was wie Härte klingt, könnte am Ende vor allem das typische Muster des US-Präsidenten sein.

Das war ein Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird. Nicht nur wegen der aufgeblasenen Eigenlobhudelei, die man von Donald Trump inzwischen gewohnt ist. Der US-Präsident präsentierte im Weißen Haus an der Seite des neuen Nato-Generalsekretärs Mark Rutte eine vermeintliche Zeitenwende: Waffenlieferungen im großen Stil für die Ukraine, finanziert von den Europäern, verteilt durch die Nato. Und: eine deutliche Drohung an Wladimir Putin. Sowie an dessen Unterstützerstaaten.

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Sollte Putin nicht innerhalb von 50 Tagen zu einer Waffenruhe bereit sein, will Trump "sehr harte Zölle" verhängen. Gemeint sind Strafzölle auf russische Importe, aber eben auch auf Güter aus Ländern, die Russland im vierten Kriegsjahr wirtschaftlich den Rücken freihalten. Indien, China und vielleicht auch einige Staaten am Golf dürften sich angesprochen fühlen.

Erstmals seit seinem Amtsantritt wirkte Trump damit sichtlich bemüht, Härte gegen Wladimir Putin zu zeigen. Erstmals überhaupt hat er die Möglichkeit sekundärer Sanktionen, also solcher gegen Drittstaaten, die Russland unterstützen, konkretisiert. Und erstmals hat er dem Kremlchef eine Frist gesetzt.

Trotzdem bleibt Trump damit offenbar seinem Prinzip treu: Auf große Worte folgt keine sofortige Tat. Die 50-Tage-Frist bleibt ein doppelter Boden. Sie ist Trumps Rückversicherung gegen zu viel Eskalation. Die erste wahre Drohung gegen Putin bleibt damit stecken zwischen Härte und Hinhaltetaktik, zwischen Abschreckung für Putin und Eigeninteressen von Trump.

Signale, die es in sich haben

Die Reaktion des neben Trump sitzenden Nato-Generalsekretärs Mark Rutte war erwartbar: Er nannte die Ankündigungen und Drohungen "really big", also "wirklich groß". Und er hat ja Recht: Trump verknüpft zwei Signale, die es auf den ersten Blick in sich haben.

1. Mit diesem militärischen Aufrüstungs-Deal durch die Nato wird nicht nur deutlich, wie viel Führung Washington im Rahmen der Verteidigungsallianz bereit ist zu übernehmen. Dieses Vorgehen wertet die Nato ungemein auf. Die Abmachung zeigt auch, wie eng die transatlantische Zusammenarbeit in dieser neuen Phase des Ukraine-Kriegs funktionieren kann. Nämlich dann, wenn die Europäer bereit sind, zu bezahlen, was Trump ihnen zu Verteidigungszwecken der Ukraine verkaufen will.

2. Ist das ein eindeutiges Signal an den Kriegsverbrecher Wladimir Putin und seine Partner: So wie bisher geht es nicht weiter.

Das gibt Hoffnung. Und zwar trotz Trump, der bislang fast immer gegen Wolodymyr Selenskyj geschossen und die Nato in der Vergangenheit schon fast für überflüssig erklärt hat.

Und trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl. Denn warum erst in 50 Tagen? Woher nimmt Trump diese Frist? Weil die USA zufällig 50 Bundesstaaten haben? Warum nicht sofort?

Wenn Trump wirklich glaubt, wie er sagt, dass "das alles hätte längst vorbei sein können", dann wirkt diese symbolische Frist wie ein altbekanntes Manöver: Härte markieren, aber sich alle Türen offenhalten. Seit Monaten setzt Trump auf sein Spiel mit künstlich geschaffenen Ultimaten – ob beim Handelsstreit mit China oder bei der Zollpolitik gegenüber Europa. Nun also auch im Ukraine-Krieg.

Moskauer Börse reagiert positiv

Wird der US-Präsident, wie schon oft bewiesen, am Ende dann auch wieder zurückrudern? Denkbar. In Amerika nennen sie dieses Phänomen TACO (Trump Always Chickens Out).

Eine Wirkung hat Trump allerdings schon erzielt: Die Börse in Moskau reagierte prompt, aber nicht so, wie er womöglich gehofft hatte und wie es zu erwarten gewesen wäre. Sie stieg. Die ersten Analysten deuten das als Zeichen der Erleichterung. Zumindest vorerst. Offenbar hatte man in Russland mit viel drastischeren Maßnahmen gerechnet. Denn seit Wochen war über die sekundären Zölle von bis zu 500 Prozent spekuliert worden. Nun also sind es "nur" 100 Prozent und auch das erst in knapp zwei Monaten. Vielleicht.

Was also bremst Trump? Die Wahrheit dürfte sein: Er will keine neuen Fronten aufmachen. Indien, als wichtiger Absatzmarkt und strategischer Partner, soll nicht verprellt werden. Auch gegenüber China hält sich Trump die Option offen, statt einer weiteren Konfrontation lieber einen neuen Deal zu erzielen. In Wahrheit steckt in der 50-Tage-Frist also wohl nicht in erster Linie Entschlossenheit, sondern geopolitische Berechnung und das Kalkül, für Verhandlungen Spielraum zu gewinnen.

Rutte in undankbarer Rolle

Trumps Ankündigung ist riskant: Einerseits rüstet er die Ukraine indirekt massiv auf. Womöglich nicht aus reiner Überzeugung, aber in jedem Fall mit der Absicht, Europa zahlen zu lassen. Andererseits will er Putin zum Einlenken zwingen, ohne es sich mit anderen Großmächten zu verderben. Dass Trump sich gleich mehrfach darüber beklagte, "viermal kurz vor einem Deal" mit Russland gestanden zu haben, sagt viel über sein Selbstbild. Und über seine Frustration.

Mark Rutte dürfte all das bewusst sein. Seine Rolle ist im Grunde undankbar: Ein Nato-Chef, der die westliche Einheit betonen muss, während neben ihm ein Präsident steht, der sich selbst in Wahrheit wichtiger nimmt als das Bündnis. Doch wegen der Abhängigkeit der Nato von den USA bleibt auch ihm am Ende nichts anderes übrig, als Trump einmal mehr überschwänglich zu loben: Diese Ankündigung sei "großartig für die Ukraine".

In der Tat: Wenn sie hält, was sie verspricht, könnte sie der Ukraine am Ende eine dringend benötigte militärische Atempause verschaffen. Oder sie könnte bei Putins Sturheit zu einer massiven Schwächung Russlands führen. Aber ob sie am Ende wirklich hält, also umgesetzt wird, entscheidet nicht Rutte. Sondern Trump. Und damit ist weiterhin alles offen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
  • Presseauftritt von Donald Trump und Mark Rutte im Weißen Haus
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