Was Arztbewertungsportale wirklich taugen
FΓΌr diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfΓ€ltig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Patienten erhalten auf Arzt
Wer frΓΌher einen Arzt gesucht hat, fragte meist Freunde und Bekannte nach einer Empfehlung. Heute werfen die meisten Menschen (auch) einen Blick ins Internet. Auf Bewertungsportalen wie Sanego, Arzt-Auskunft, Docinsider oder Jameda finden sie die Bewertungen anderer Patienten. Mit 2 Millionen Beurteilungen ist Jameda das grΓΆΓte Portal zur Bewertung von Γrzten. Aber wie zuverlΓ€ssig ist es fΓΌr Patienten?
Regina Behrendt, Gesundheitsreferentin von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, findet es grundsΓ€tzlich gut, dass Verbraucher die MΓΆglichkeit haben, die Meinung anderer Nutzer ΓΌber die Leistung von Γrzten einzuholen. "Auch wenn es uns natΓΌrlich lieber wΓ€re, wenn es ein neutraler Anbieter wΓ€re", sagt sie.
Im Gegensatz zu unabhΓ€ngigen Portalen wie beispielsweise "Die weiΓe Liste" punktet das Bewertungsportal Jameda durch die hohe Anzahl an Nutzern (sechs Millionen pro Monat). UngΓΌnstig sei allerdings, dass mit dem Portal auch kommerzielle Zwecke verbunden sind. "Es mischen sich marktwirtschaftliche Aspekte mit Bewertungsaspekten", sagt Behrendt.
Auf die Kennzeichnung "Anzeige" achten
Denn zum einen tauchen ganz oben in den Bewertungslisten auch Werbeanzeigen auf. Die sind zwar mit dem Wort "Anzeige" als solche gekennzeichnet, auf den ersten Blick aber nicht unbedingt als solche zu erkennen. "Da muss man als Verbraucher schon stark drauf achten, dass man das nicht durcheinander wirft", stellt Behrendt fest.
Zum anderen erhalten bei Jameda Mediziner, die jeden Monat einen gewissen Betrag bezahlen β je nach Art des Premium-Pakets zwischen 59 und 139 Euro β zusΓ€tzliche Funktionen. Erst dadurch kΓΆnnen sie zum Beispiel auf ihrem Profil ein Foto hochladen oder ihre eigene Praxis-Homepage hinterlegen.
VerbraucherschΓΌtzerin Behrendt geht in diesem Zusammenhang von einem "selbstbestΓ€rkenden Effekt" aus: "Ein Profil mit Foto erweckt einen besseren Eindruck und wird mehr genutzt", sagt sie. Wer das teuerste Paket kauft, kann darΓΌber hinaus seine Auffindbarkeit auf der Jameda-Startseite oder in Suchmaschinen verbessern.
Wer zahlt, wird im Marketing unterstΓΌtzt
"Γrzte, die ein Premium-Paket kaufen, werden von Jameda auch in Bezug auf das Marketing unterstΓΌtzt", sagt Behrendt. Das betrifft auch den Umgang mit Bewertungen. Wenn eine kritische Bewertung eingestellt wird, bekommen die zahlenden Γrzte laut der VerbraucherschΓΌtzerin besonders schnell einen Hinweis darauf. "Und sie werden dahingehend beraten, wie sie negative Bewertungen wieder abstellen oder wie sie sich besser verkaufen, damit das gar nicht mehr vorkommt", so Behrendt. Zudem kΓΆnnen die zahlenden Γrzte Kriterien individuell festlegen, die ihre Patienten benoten sollen.
Auch wenn es bei Jameda heiΓt, dass ein Premium-Profil keinerlei Einfluss auf die Bewertungen und das Ranking des Arztes habe, scheint sie es indirekt doch zu haben. Das deutet zumindest eine Erhebung der "Zeit" an. Dabei wurden Daten von Jameda-Profilen ausgewertet und es wurde festgestellt: Diejenigen Γrzte, die fΓΌr ihr Profil Geld bezahlen, haben eine bessere Durchschnittsbewertung als jene, die nichts fΓΌr ihr Profil ausgeben.
Dabei fiel auch die unterschiedliche Verteilung der Einzelnoten auf: Schlechte Noten kamen bei den Zahlenden so gut wie nicht vor. FΓΌr ihre Erhebung werteten die Mitarbeiter der "Zeit" 3.770 Profile von Medizinern aus acht Fachrichtungen und den zehn grΓΆΓten deutschen StΓ€dten aus.
"Kein Arzt kann eine schlechte Bewertung gegen Geld lΓΆschen lassen"
"Kein Arzt kann sich bei Jameda eine gute Bewertung kaufen oder eine schlechte Bewertung gegen Geld lΓΆschen lassen", sagt dazu Anne Schallhammer, Pressesprecherin bei Jameda. Bei der Erhebung wird ihrer Meinung nach Korrelation mit KausalitΓ€t verwechselt. "Es mag sein, dass Γrzte mit einem Premium-Profil tendenziell mehr oder bessere Bewertungen haben", sagt sie. "Ein mΓΆglicher Grund dafΓΌr wΓ€re, dass Γrzte mit einem Premium-Profil aktiver auf Patienten zugehen und um eine Bewertung bitten."
DarΓΌber hinaus weist sie darauf hin, dass es ebenfalls Γrzte mit einem Premium-Profil gibt, die schlechte Bewertungen haben. Gleichzeitig wΓΌrden es nicht zahlende Γrzte in die Top-Ten-Listen einiger StΓ€dte schaffen. Das Bewertungsportal geht auΓerdem gerichtlich gegen gekaufte Bewertungen von dubiosen Anbietern vor. "Uns bei Jameda sind authentische Bewertungen sehr wichtig."
Portal bietet einen ersten Eindruck
Das mag sein. Dennoch wisse der Verbraucher bei dem Portal nicht, ob das Ranking tatsΓ€chlich aufgrund der Verbraucherbewertungen zustande kommt oder wie viel Prozent auf den Marketingaspekt zurΓΌckgehen, sagt Behrendt von der Verbraucherzentrale NRW. FΓΌr Verbraucher sei das Portal aber zumindest ein Anhaltspunkt.
"Man bekommt schon einen Einblick, was fΓΌr einen Eindruck ein Arzt hinterlΓ€sst", sagt die Expertin. "Aber man sollte es nicht als einzige Informationsquelle nutzen und sich nicht so darauf verlassen." Man kΓΆnne darΓΌber hinaus zum Beispiel Freunde und Bekannte fragen, die vielleicht schon bei dem Arzt waren.
Verbraucher sollten immer im Blick behalten, dass nur, weil sich auf dem Portal jemand weniger optisch aufwendig prΓ€sentiert, er nicht gleich ein schlechter Arzt ist. "Wenn jemand das nicht pflegen will, dann heiΓt das ja noch nicht, dass er kein Interesse an den Patienten hat. Sondern dann heiΓt es ja erstmal nur, dass er kein Interesse daran hat, einem Dienstleister Geld in den Rachen zu werfen."
Negative Bewertungen werden ΓΆfter gelΓΆscht
Negative Bewertungen finden sich vergleichsweise selten auf dem Portal. Denn diese haben es schwer, dort zu verbleiben. "Das liegt an der Rechtsprechung", erklΓ€rt Behrendt. "Es wird Verbrauchern relativ schwer gemacht, eine negative Arztbewertung einzustellen."
Anbieter wie Jameda sind dazu verpflichtet, nicht nur das Interesse des Verbrauchers an einer breiten Meinungsbildung zu wahren, sondern auch das PersΓΆnlichkeitsrecht des Arztes. Stellt ein Patient eine negative Bewertung ein, so kann der Arzt sich dagegen wehren. Behauptet er, dass das in der Bewertung Geschriebene nicht stimmt, muss Jameda sich an den Patienten wenden. Dieser muss dann Belege beibringen β durch Terminvereinbarungen, Bonushefte oder Rezepte zum Beispiel β, dass er den entsprechenden Arzt auch wirklich besucht hat.
Ein groΓer Aufwand, bei dem der Patient auch noch persΓΆnliche Dokumente einreichen muss. "Das werden die wenigsten machen", sagt Behrendt. Die Konsequenz: Die negative Bewertung wird gelΓΆscht.
So formulieren Sie Bewertungen richtig
Das kann auch passieren, wenn der Patient seine Bewertung als Tatsachenbehauptung formuliert β und nicht als Meinung. Er sollte also nicht schreiben: "Der Arzt hat mir eine Sekunde ins Gesicht geschaut und dann das GesprΓ€ch abgebrochen." Im Zweifel mΓΌsste er dann vor Gericht beweisen, dass die Behandlung tatsΓ€chlich nur eine Sekunde gedauert hat.
Besser ist es laut VerbraucherschΓΌtzerin Behrendt, SΓ€tze zu formulieren wie: "Ich hatte den Eindruck, dass der Arzt sich nicht genΓΌgend Zeit fΓΌr mich nimmt." oder "Ich habe mich schlecht behandelt gefΓΌhlt." Die eigene Meinung, das eigene Empfinden sollte also herausgestellt werden. Beleidigungen haben in einer Arztbewertung hingegen nichts zu suchen.
Behrendt rΓ€t darΓΌber hinaus, nach einer abgegebenen negativen Bewertung am Ball zu bleiben. Das bedeutet: im Zweifelsfall Unterlagen einzureichen. "Patienten sind da nicht schutzlos", sagt sie. Sie kΓΆnnen ihren Namen auf den Unterlagen zum Beispiel schwΓ€rzen. Jameda darf diesen so oder so nicht dem Arzt weiterleiten. WΓ€hrend des gesamten PrΓΌfprozesses wird die AnonymitΓ€t des Patienten also gewahrt. Wie wichtig eine RΓΌckmeldung der Patienten ist, unterstreicht auch Jameda: "Nur so kΓΆnnen wir uns fΓΌr ihre Bewertung einsetzen."