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Interview mit einem Physiotherapeuten: "Wir brauchen einen Rettungsschirm"


Physiotherapeut zur Corona-Krise
"Wir brauchen einen Rettungsschirm, sonst wird es uns nicht mehr geben"

InterviewVon Sandra Simonsen

Aktualisiert am 06.04.2020Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Uwe Eisner: Seit 2009 hat er eine eigene Physiotherapie-Praxis.Vergrößern des Bildes
Uwe Eisner: Seit 2009 hat er eine eigene Physiotherapie-Praxis. (Quelle: Privat/Uwe Eisner)

Zu den systemrelevanten Berufen zählen nicht nur Ärzte oder Verkäufer: Auch Physiotherapeuten wie Uwe Eisner arbeiten weiterhin unter erschwerten Bedingungen. Im Interview mit t-online.de spricht er über die Sicherheit von Patienten und Therapeuten.

Uwe Eisner hat nicht nur seit 2009 eine eigene Praxis, seit September 2019 ist er auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Physiotherapie. Er studierte zunächst Informatik, um dann eine Ausbildung zum Physiotherapeuten zu machen.

Eisner wurde 1982 in Darmstadt geboren, studierte und lernte in Mannheim und gründete schließlich eine eigene Praxisgruppe mit vier Standorten und 60 Mitarbeitern. Im Gespräch mit t-online.de erklärt er, welche Herausforderungen mit dem neuen Coronavirus auf ihn und seine Kollegen zukommen und was er sich von Politik und Patienten jetzt wünschen würde.

t-online.de: Herr Eisner, als Physiotherapeut arbeiten Sie eng mit Menschen zusammen, die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus steigt also. Wie sicher fühlen Sie und Ihre Kollegen sich in der aktuellen Situation?

Uwe Eisner: Grundsätzlich haben wir erweiterte Schutzmaßnahmen, die den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts entsprechen. Per se behandeln wir die Patienten erst einmal noch ganz normal, außer sie gehören zu einer Risikogruppe. Dann werden die Patienten angehalten, einen Mund-Nasen-Schutz oder eine FFP-1-Maske zu tragen. Das hat den Hintergrund, dass wenn die Patienten husten oder niesen müssen, sich die Tröpfchen nicht frei im Raum verteilen.

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Ansonsten haben wir für uns Therapeuten Mund-Nasen-Schutz, Desinfektionsmittel und Handschuhe. Dort gibt es jedoch einen massiven Engpass, genauso wie bei allen anderen Berufssparten auch. Die Lage scheint sich ganz langsam zu normalisieren, aber da kämpfen wir natürlich noch weiter, bis ausreichend Materialien in den Praxen vorhanden sind.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Was die Sicherheit angeht: dass wir in die zentralen Verteilungssysteme der Länder aufgenommen werden. Das passiert zwar teilweise, größtenteils aber noch nicht. Auch bei uns ist deutlich zu wenig Schutzmaterial vorhanden – und wir reden nicht von FFP-2- und FFP-3-Masken. Die brauchen wir in den Praxen noch nicht und wahrscheinlich auch nie. Aber wenn wir Covid-19-Patienten künftig physiotherapeutisch behandeln müssen, benötigen wir die FFP-2/3-Masken. Ohne ausreichenden Schutz: keine Behandlung. Aber was Mund-Nasen-Schutz angeht: Klar, wenn die Politik da auf Länderebene an systemrelevante Berufe verteilt, gehören wir natürlich dazu und dürfen nicht vergessen werden.

Wurden Sie in der Vergangenheit vergessen?

Wir stehen nicht so im Fokus wie aktuell Ärzte, Pfleger oder auch der Rettungsdienst. Das sind vorrangige Berufsgruppen, die versorgt wurden. Also so richtig im Mittelpunkt standen wir nicht, werden aber auch aufgrund unserer intensiven politischen Sensibilisierung zunehmend wahrgenommen.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Corona-Krise für Physiotherapeuten?

Wir haben in der Patientenversorgung massive Rückgänge. Also wirtschaftlich gesehen stehen unsere Praxen momentan mit dem Rücken zur Wand. Es ist politisch so gewollt und auch in den Erlassen so festgehalten, dass nur die Behandlungen durchgeführt werden, die auch medizinisch absolut notwendig sind. Das sind im Übrigen alle die Behandlungen, für die ein Arzt auch heute noch ein Rezept ausstellt. Der Arzt muss also genau Risiko und Nutzen abwägen.

Teilweise haben wir massive Rückgänge von bis zu 90 Prozent der Behandlungszahlen. Wir sind zwingend darauf angewiesen, dass uns die Politik mit einem Rettungsschirm versorgt, denn sonst werden wir nach der Corona-Krise keine Physiotherapiepraxen mehr haben. Dann wird es niemanden mehr geben, der diese Patienten rehabilitiert. Krankenhäusern, ambulanten Arztpraxen wurde geholfen – das war alles richtig und wichtig. Und jetzt müssen die Gesundheitsfachberufe, die genauso systemrelevant sind, auch wirtschaftlich abgesichert werden, sonst werden wir sie morgen nicht mehr sehen.

Wie können sich Patienten jetzt richtig verhalten: Sollten sie Termine beim Physiotherapeuten lieber absagen oder trotzdem wahrnehmen?

Das kann man so grundsätzlich nicht sagen. Das ist eine Einzelfallentscheidung, die in enger Absprache zwischen dem Physiotherapeuten, dem behandelnden Haus- oder Facharzt und dem Patienten erfolgen muss. Das ist immer eine Abwägung zwischen einer möglichen Infektion auf dem Weg in die Praxis oder sogar in der Praxis und den gesundheitlichen Folgen einer Nichtbehandlung. Das ist immer individuell zu sehen.

Welche physiotherapeutischen Behandlungen finden weiterhin statt, welche nicht?

Wir haben Berichte aus den Ländern, dass Patienten stationäre Anschlussheilbehandlungen und Reha-Maßnahmen nicht mehr bekommen. Das sind natürlich Extremfälle. Wenn Sie also keine geplante Operation, sondern einen Unfall hatten, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt, müssen Sie natürlich rehabilitativ versorgt werden. Etwas anderes ist beispielsweise der chronische Knieschmerz-Patient: Ob der jetzt in der Hochphase der Corona-Pandemie versorgt werden muss, das ist eine ganz individuelle Entscheidung, da spielen auch Begleiterkrankungen eine Rolle. Das lässt sich pauschal nicht sagen.

Welche Rolle spielt dabei das Coronavirus?

Das ist der Grund, warum wir diese Systemrelevanz haben. Weil Rehakliniken zunehmend Patienten nicht aufnehmen. Deshalb müssen die Praxen offen bleiben, damit wir die Nachsorge nach stationärer Versorgung sicherstellen können. Hinzu kommt der nächste Schritt, der auf uns zukommt: Covid-19-Patienten, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen, müssen im Anschluss wieder "aufgepäppelt" werden. So müssen Herzkreislauf- und Lungenfunktion nach einer so schweren Infektion und langen Liegezeiten auf jeden Fall rehabilitiert werden. Da wird die Physiotherapie ganz extrem gefragt sein.

Wie können Patienten sich selbst helfen, wenn ihre Behandlung nicht stattfindet? Gibt es dabei Unterstützung für die Patienten – per Telefon, Video-Call et cetera?

Wir haben die Möglichkeit der Videobehandlung für Patienten, die nicht zwingend angefasst werden müssen, sondern durch Anleitung und Schulungsmaßnahmen auch zu Hause versorgt werden können.

Das ist eine Sondervereinbarung mit den Krankenkassen. Bis Ende Mai können wir auf einem ganz normalen Krankengymnastik-Rezept entscheiden, ob wir eine Präsenz- oder eine Videobehandlung durchführen. Das kann der Therapeut frei entscheiden.

Gibt es auch empfehlenswerte Onlineprogramme oder Apps, mit denen zumindest bestimmte Muskelaufbau- oder Haltungsübungen daheim gemacht werden können?

Für Patienten mit einer Erkrankung ist das schwierig, weil man natürlich genau schauen muss, wo das Problem liegt. Die allgemeingültigen Empfehlungen – regelmäßig an die frische Luft, spazieren gehen, Bewegung – müssen weiterhin unterstützt werden. Alle allgemeinen Fitness- oder Bewegungsübungen aus Programmen oder Apps sind ohne Erkrankungen natürlich immer gut. Wenn jemand eine Erkrankung wie zum Beispiel die Kniearthrose hat, dann sollten Übungen individuell mit dem Therapeuten abgesprochen werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Eisner.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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