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Dritte Corona-Impfung von Biontech nötig? Experte: Das ist Geschäftemacherei


Dritte Biontech-Impfung?
Experten zeigen sich skeptisch: "Ist gut fürs Geschäft"


Aktualisiert am 10.07.2021Lesedauer: 4 Min.
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Corona-Impfung: Kommt der dritte Piks für alle?Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung: Kommt der dritte Piks für alle? (Quelle: Steve Taylor/imago-images-bilder)

Biontech plant den Antrag auf Zulassung einer dritten Impfung. Daten aus Israel deuteten auf eine Abnahme des Immunschutzes hin, so der Konzern. Kommt der dritte Piks? Wie Experten das einschätzen.

Der US-Konzern Biontech/Pfizer hält eine dritte Impfung mit seinem Präparat gegen das Coronavirus eventuell für erforderlich. "Wie anhand der vom israelischen Gesundheitsministerium erhobenen Daten aus der praktischen Anwendung bereits deutlich wurde, sinkt die Schutzwirkung des Impfstoffs gegenüber Infektionen und symptomatischen Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung", heißt es in der Pressemitteilung. Auf Basis der bisher vorliegenden Daten sei es wahrscheinlich, "dass eine dritte Dosis innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der vollständigen Impfung erforderlich sein wird".

Zuvor hatte bereits Astrazeneca eine mögliche dritte Impfung ins Spiel gebracht. Forscher der Universität Oxford, an der der Impfstoff entwickelt wurde, hatten Ende Juni erklärt, dass eine mit einem Abstand von sechs Monaten verabreichte dritte Dosis zu einem "erheblichen Anstieg" an Antikörpern führe und die Immunreaktion fördere.

Biontech will nun Details seiner Studie in der kommenden Woche bei der US-Arzneimittelbehörde FDA, dem europäischen Pendant Ema und bei anderen Zulassungsbehörden einreichen. Der Konzern gehe davon aus, dass eine dritte Dosis das höchste Schutzniveau gegenüber allen bisher getesteten Coronavirus-Varianten erhalte, hieß es weiter. Das gelte auch für die sich ausbreitende Delta-Variante. Darüber hinaus werde eine auf die Mutante angepasste Version entwickelt.

Behörden sehen keinen Handlungsbedarf

Die US-Zulassungsbehörden erteilten dem Vorhaben auf Basis der bisher bekannten Daten aber bereits eine Absage. Amerikaner, die vollständig geimpft seien, benötigten derzeit keine Auffrischungsimpfung. Die Frage werde untersucht, es werde sich aber nicht ausschließlich auf Daten der Pharmafirmen verlassen.

Auch die Europäische Arzneimittelagentur Ema sieht noch keine Datengrundlage für Corona-Auffrischungsimpfungen. "Es ist im Moment zu früh zu bestätigen, ob und wann eine Booster-Dosis bei Corona-Impfstoffen nötig sein wird", teilte die Agentur der Deutschen Presse-Agentur mit.

Auch andere Experten sehen die Berichte aus Israel, auf deren Auswertung sich Biontech stützt, kritisch. "Diese Zahlen muss man noch etwas mit Vorsicht betrachten. Es ist methodisch schwierig, in einem solchen Setting wie in Israel mit niedrigen Inzidenzen und lokalen Ausbrüchen die genaue Effektivität der Impfung zu bestimmen", sagte der Infektionsimmunologe an der Berliner Charité, Leif Erik Sander, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Daten aus Großbritannien deuteten darauf hin, dass der Impfschutz kurz nach der zweiten Dosis nur geringfügig reduziert sei bei Delta – verglichen mit der bisher vorherrschenden Alpha-Variante.

"Das ist gut fürs Geschäft"

Und auch der Immunologe Dr. Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin, erteilt dem Begehren von Biontech eine klare Absage: "Es war zu erwarten, dass die Impfstoffhersteller versuchen, häufige Nachimpfungen zu empfehlen. Das ist gut fürs Geschäft", erklärt er gegenüber t-online. "Diesen Einlassungen der Pharmalobbyisten kann ich nur energisch widersprechen."

Die vorliegenden Daten zeigten, dass nach rund sechs Monaten die Antikörper der akuten Impfreaktionen verschwunden seien und danach die Antikörper des immunologischen Gedächtnisses uns über viele Jahre schützten.

Immunologe: Antikörper bleiben erhalten

Biontechs Begründung des absinkenden Immunschutzes ist nach Radbruchs Sicht daher nicht stichhaltig: "Bei jedem Impfstoff fällt der Antikörperspiegel nach der akuten Immunreaktion innerhalb eines Jahres ab, alles andere wäre ja auch Energieverschwendung für den Körper und eine gefährliche chronische Immunreaktion. In der Gedächtnisphase, die nach einem halben Jahr anfängt, bleiben etwa zehn bis zwanzig Prozent der Antikörper erhalten. Das ist bei Covid-19-Genesenen so und auch bei allen bekannten Impfstoffen gegen andere Viren. Dadurch bleiben wir geschützt, so zum Beispiel gegen Pocken, Masern, Tetanus und Diphtherie. Und der Schutz hält über Jahrzehnte, sogar das ganze Leben."

Wichtig für das Erreichen eines Immunschutzes sei die Bildung von Gedächtniszellen im Knochenmark, die weiterhin Antikörper produzierten. Radbruch: "Das ist auch für die Corona-Impfstoffe zu erwarten, die ersten Daten deuten darauf hin."

Zu viele Impfungen können gefährlich werden

Und er bringt einen anderen Aspekt ins Spiel: In der Fachzeitschrift Nature weist Radbruch darauf hin, dass bereits beim Vorgänger des SARS-Virus Beobachtungen gemacht wurden, die auf einen langjährigen Immunschutz hindeuten. "Interessanterweise sind mit SARS-CoV-1 im Jahr 2003 Infizierte und Genesene heute noch durch neutralisierende Antikörper genau so gut geschützt wie kurz nach der Infektion." Diese neutralisierenden Antikörper werden auch bei Impfungen gebildet.

Aber gilt bei Impfungen nicht vielleicht auch der Satz: Besser einmal zu viel als einmal zu wenig? Radbruch winkt klar ab: "Wenn jährliches Nachimpfen immunologisch-wissenschaftlich keinen Sinn macht, sollte man es auch unterlassen, denn es potenzieren sich durch häufige Nachimpfungen natürlich auch alle Nebenwirkungen. Und: Es können sogar neue Nebenwirkungen auftreten, bis hin zu einem möglicherweise erhöhten Risiko für Autoimmunerkrankungen."

Knackpunkt Risikogruppen

Auch wenn die dritte Impfung für alle derzeit nicht auf der Tagesordnung zu stehen scheint: Für bestimmte Menschen könnte eine Booster-Impfung sinnvoll sein. Bei Älteren oder immungeschwächten Menschen laufen die Prozesse zur Bildung einer Immunantwort langsamer oder weniger intensiv ab. Leif Erik Sander, Infektionsimmunologe an der Berliner Charité, vermutet, dass es ohne Auffrischungsimpfung im Winterhalbjahr zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen zu zusätzlichen Infektionen kommen könnte, "einem gewissen Jo-Jo-Effekt". Eine solche Auffrischung beziehungsweise "Booster" sollte dann nicht nur Senioren, sondern auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem angeboten werden, etwa zum Zeitpunkt der Grippeschutzimpfung im Oktober.

Doch wie ermittelt man, wer die dritte Impfung wirklich braucht? Radbruchs Vorschlag sind exemplarische Antikörpermessungen, also etwa Antikörpertests bei Älteren. Von diesen Stichproben könnte dann abgeleitet werden, wer eine Drittimpfung braucht. "Fallen da besondere Gruppen auf, die bislang eine schlechte Immunantwort entwickelt haben, sollten diese Menschen nachgeimpft werden."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Andreas Radbruch (9. Juli 2021)
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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