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Initiative Changemakers.film: "Das grüne Drehen muss zum Standard werden"


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Klimaschutz beim Film
"Das grüne Drehen muss zum Standard werden"

InterviewVon Maria Bode

Aktualisiert am 15.03.2021Lesedauer: 8 Min.
Laura Fischer, Miriam Stein, Moritz Vierboom und Pheline Roggan: Sie riefen die Initiative Changemakers.film ins Leben.Vergrößern des Bildes
Laura Fischer, Miriam Stein, Moritz Vierboom und Pheline Roggan: Sie riefen die Initiative Changemakers.film ins Leben. (Quelle: Joachim Gern)

Fliegen schlägt sich negativ auf die CO2-Bilanz nieder, die Stromerzeugung verursacht immense Emissionen. Das ist bekannt. Aber haben Sie sich je Gedanken gemacht, wie klimaschädlich ein "Tatort"-Dreh sein kann? Die Initiative Changemakers setzt sich für eine nachhaltigere Filmbranche ein.

Die Schauspielerinnen Pheline Roggan und Miriam Stein, Schauspieler Moritz Vierboom und Regisseurin Laura Fischer sind schon länger in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv. Schließlich haben sie sich zusammengetan und im vergangenen Jahr im ersten Lockdown Changemakers.film gegründet, um das Thema "Grünes Drehen" voranzubringen. Unterzeichnet wurde die Initiative schon von namhaften Filmstars wie Bjarne Mädel, Heike Makatsch, Emilia Schüle und Lars Eidinger.

Die beiden Changemakers-Gründungsmitglieder Roggan und Vierboom erzählen im t-online-Interview, dass es gerade in ihrer Branche noch viele Möglichkeiten gibt, CO2 zu reduzieren. Wie genau das funktionieren kann, warum es dazu einer Selbstverpflichtung bedarf und wie viel Müll und irrsinnig viel Kohlenstoffdioxid beim Dreh eines durchschnittlichen Filmes entstehen, berichten Pheline Roggan und Moritz Vierboom in einem Videointerview über Zoom.

t-online: In Verbindung mit Changemakers haben Sie eine Selbstverpflichtung aufgesetzt. Warum?

Pheline Roggan: Wir wollten das Thema "Grünes Drehen" in der Filmbranche voranbringen und haben uns mit den unterschiedlichen Gewerken über Zoom ausgetauscht. Dabei haben wir gemerkt, dass eine Positionierung der Schauspieler fehlt, denn wir werden gerne als Ausrede dafür benutzt, weshalb bestimmte Dinge nicht durchgesetzt werden können. Es heißt dann immer, wir würden auf Luxus bestehen. Daraus ist die Idee der Selbstverpflichtung entstanden, die wir im Lockdown entwickelt und zu Papier gebracht haben. So hat es angefangen und seitdem wird es immer mehr.

Moritz Vierboom: Wir haben uns ausgetauscht und dabei festgestellt, dass es in unserer Branche ein unglaublich großes Potenzial gibt, aktiv CO2 zu reduzieren. Das hat erstmal viel damit zu tun, dass man in der Vorproduktion schon klarmacht, zu was man selbst bereit ist und die Themen anspricht, die noch nicht präsent genug sind. Das ist auch ein bisschen eine Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit.

Würden Sie einer Produktion absagen, weil sie nicht nachhaltig genug ist?

Roggan: Wenn man das jetzt schon kategorisch ausschließen würde, bliebe nicht mehr viel Arbeit übrig. Uns geht es eher darum, das Bewusstsein für das Thema zu verbreiten und miteinander daran zu arbeiten. Das ist auch Sinn der Selbstverpflichtung, die man am besten direkt dem Arbeitsvertrag beilegt. Dann liegen die nachhaltigen Punkte dem Produktionsleiter vor und finden automatisch Beachtung. Auch wir selbst müssen Bereitschaft signalisieren. Es geht nicht darum, etwas abzusagen. Unser Ziel ist es, verpflichtende Richtlinien zu erarbeiten, die an Fördergelder gebunden sind und dass das "Grüne Drehen" zum Standard wird. So würde man gar nicht in Situationen kommen, etwas abzusagen, weil sich alle an die Richtlinien halten müssen.

Vierboom: Die Kommunikation spielt eine wichtige Rolle, wenn man etwas verändern möchte. Ich hatte gerade eine Produktion, da war das Thema Nachhaltigkeit nicht so präsent. Ich bin aber wie gewohnt Zug gefahren, hatte immer mein Faltrad mit und bin damit zum Set gekommen. Das macht was mit den Leuten. Dadurch kommt man ins Gespräch. Genauso wenn sie mitbekommen, dass ich mich vegan ernähre. Wenn man nicht mit dem Zeigefinger kommt, sondern mit Inspiration, dann entstehen Neugier und Interesse.

Um das Ganze ein bisschen greifbarer zu machen, lässt sich veranschaulichen, wie viel Müll und wie viel CO2 beim Dreh eines Filmes entstehen?

Roggan: In Deutschland gibt es noch keine verlässlichen Zahlen, die werden gerade erst erhoben. In England wurden aber die CO2-Emmissionen von 19 großen dort produzierten Filmen ausgewertet. Ein durchschnittlicher Film dieser Größenordnung verursachte so viel CO2 wie elf Oneway-Flüge zum Mond. Mit dem verbrauchten Strom könnte man fünf Tage den Times Square beleuchten. Und es werden so viele Einwegplastikflaschen verbraucht wie 168 Leute durchschnittlich im Jahr verbrauchen. Da entsteht so viel Müll. Hier geht es um einen großen Film, aber man kann das ungefähr vergleichen mit anderen Produktionen.

Vierboom: Vieles ist abhängig vom Drehort, weil die Energieversorgung einer der größten CO2-Treiber ist. Dementsprechend kann man das nicht pauschal sagen, aber es gab mal die Berechnung, dass ein "Tatort" in Deutschland im Durchschnitt rund 100 Tonnen CO2 verbraucht. Das wären 300 Quadratmeter arktisches Packeis, das schmilzt.

Roggan: Allgemein muss natürlich beachtet werden, dass jeder Film eine andere Produktionsweise hat. Eine Serie wie "Babylon Berlin" z.B. hat ein wesentlich größeres Team und eine aufwendigere Ausstattung als z.B. ein Dokuformat, dass im kleinen Rahmen produziert wird. Das macht es schwierig, Durchschnittswerte zu finden.

Durch die Beispiele wird aber gut veranschaulicht, wie umweltschädlich die Filmindustrie und wie wichtig Ihre Initiative ist.

Vierboom: Auch deswegen machen wir die Initiative und weil wir zusammen viel bewegen können. Changemakers.film sollte im besten Fall auch eine Blaupause für andere Branchen sein, die sich inspiriert fühlen dürfen.

Mal in die Praxis umgesetzt: Was lässt sich am Filmset am einfachsten grün machen? Wo sind die größten Probleme?

Roggan: Eine einfache, wirksame Handlung ist die Umstellung der Produktion auf Ökostrom. Was schwierig ist, aber viel Emissionen verursacht, ist der Bereich Transport. Da hapert es im Moment, weil es bei den Autoverleihern nicht genügend Elektroautos oder Gas-Lkws gibt. Wenn sich die Filmbranche aber zu nachhaltigem Drehen verpflichtet, geben wir damit hoffentlich einen Anreiz an die Autoverleiher, sich dementsprechend auf- und umzustellen. Im Kleineren gibt es beispielsweise beim Catering die Möglichkeit, dass es nicht jeden Tag Fleisch sein muss. Oder im Bereich Kostüm: Wenn man nur eine kleine Rolle hat, muss keine neue Jeans gekauft werden, dann kann auch mal eine eigene mitgebracht werden.

Vierboom: Woran man nicht direkt denkt, ist die Unterbringung. Aber in der Regel sind Apartments wesentlich energiefreundlicher als die meisten Hotels. Die größten Treiber sind Energieversorgung und Transport von Personen und Material. Darauf hat auch das Fördersystem in Deutschland einen großen Einfluss, was sich negativ in der CO2-Bilanz niederschlagen kann. Durch das System sollen im jeweiligen Bundesland steuerliche Effekte erzielt werden: Das Geld, mit dem gefördert wird, soll auch in dem Bundesland ausgegeben werden. Das kann dazu führen, dass eine große Produktion mit allem drum und dran nur aus diesem Grund von Berlin nach NRW reist. Da muss es dringend andere Lösungen und Richtlinien geben.

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Sie haben gerade schon das Thema Geld angesprochen. Klischeehaft heißt es oft, es sei teurer, nachhaltig zu leben und zu arbeiten. Stimmt das oder spart man am Ende sogar?

Roggan: Wir können hier Philip Gassmann zitieren, der einer der Experten für grünes Produzieren im deutschen Film ist: Je konsequenter man grün dreht, desto mehr spart man dadurch. Gassmann sagt, ein Film kann durch nachhaltige Produktion ungefähr 2.000 bis 5.000 Euro teurer werden, was auf einen Filmdreh gerechnet nicht viel ist. Sobald es verbindliche Richtlinien gibt und das grüne Drehen das normale Drehen wird, wird es auch günstiger werden – wenn man quasi keine Extrawürste mehr bestellt.

Sie haben die Initiative erst in der Corona-Zeit gegründet. War der Stillstand durch die Pandemie für die Ausarbeitung Ihres Anliegens sogar passend?

Roggan: Der Drehstopp hat alles sehr befeuert. Sonst hätten wir gar nicht die Zeit gehabt, uns so intensiv zusammenzufinden. Dennoch wurde durch Corona das Bewusstsein für die Klimakrise in den Hintergrund gedrängt. Man muss aufpassen, dass die Corona-Krise und die Klimakrise nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir sind der Meinung, dass Corona und das grüne Drehen zusammengedacht werden müssen. Jetzt, wo eh schon eine Transformation passiert, macht es absolut Sinn. Dennoch herrscht gerade der Gedanke vor, dass man sich damit nicht auch noch befassen kann, weil die Corona-Situation so fordernd ist. Das ist schade. Man sollte es aber als Chance sehen, jetzt notwendige Veränderungen einzuleiten.

Vierboom: Politisch gesehen ist es falsch, dass es immer noch das Wording gibt, dass wir nach Corona wieder zur Normalität zurückkehren und weitermachen können wie zuvor. Das können wir uns nicht leisten. Gerade die Klimakrise wird sich sonst, was ja wissenschaftlich belegt ist, immer weiter zuspitzen. Durch Corona sehen wir gerade auch in Deutschland, als starkes europäisches Industrieland, wie fatal es ist, dass keine vorausschauende Politik in Bezug auf Pandemien und andere Krisensituationen gemacht wurde. Corona ist ein Weckruf. Es muss dringend was passieren.

Welche Ziele oder Ambitionen gibt es in diesem Jahr für Changemakers?

Roggan: Durch das Wahljahr ist es wichtig, das Thema Klimakrise wieder in den Vordergrund zu rücken. Die Entscheidungen, die von der nächsten Regierung getroffen werden, fallen in einen Zeitraum, in dem es noch einmal möglich ist, die Weichen zu stellen oder Veränderungen herbeizuführen. Deshalb arbeiten wir gerade mit den Wissenschaftlern Dirk Notz und Nils König an Videos, die von unseren Unterzeichnenden weiterverbreitet werden sollen. Wir wollen mehr Leuten das Bewusstsein für die Dringlichkeit vermitteln und sie ermutigen, sich zu äußern und laut zu werden.

Vierboom: Unsere freiwillige Selbstverpflichtung ist zwar bis jetzt hauptsächlich von Schauspielern unterschrieben worden, aber wir wollen mehr Unterzeichnende aus anderen Gewerken erreichen. Da sind besonders auch Regisseure gefragt, weil die in der Vorproduktion einen großen Einfluss nehmen, Prozesse hinterfragen oder andere kreative Lösungen finden können.

Es klingt nach einer Menge Arbeit, die Sie neben dem Job machen. Wie viele Leute haben inzwischen unterschrieben?

Roggan: Ungefähr 500.

Gibt es eine Unterschrift, über die Sie sich besonders gefreut haben?

Roggan: Wie Moritz sagte, freuen wir uns sehr, wenn auch andere Gewerke unterschreiben, gerade die Regie mit ihrer Entscheidungsmacht. Tom Tykwer hat unterschrieben und die nächste "Babylon Berlin"-Staffel wird grün produziert. So etwas ist toll. Wir mussten Tykwer nicht überzeugen, er hatte schon vorher ein Bewusstsein für das Thema, aber das hat eine immense Strahlkraft, wenn eine der großen Prestigeproduktionen auf diesem Niveau einen grünen Dreh umsetzt.

Vierboom: Bei "Babylon Berlin" setzen sich auch die Hauptdarsteller Liv Lisa Fries und Volker Bruch sehr konkret dafür ein, das Thema "Grüne Produktion" bestmöglich umzusetzen, ob beim Catering oder dem Transport. Es kommt darauf an, dass alle Akteure zusammendenken. Und eine Umstellung ist nur in guten Kooperationen zu schaffen. Ich persönlich freue mich über alle, die dazukommen und Teil der Initiative sind. Je mehr wir sind, desto mehr können wir bewegen.

Sie haben wahrscheinlich ein großes Netzwerk in der Branche. Treten Sie auch selbst an Leute ran oder kommen inzwischen auch schon Leute auf Sie zu?

Roggan: Wir gehen schon auf die Leute zu. Das bewirkt ganz schön viel. Man kann am Set gut diskutieren, man muss aber aufpassen, dass man nicht in die anstrengende Ecke geschoben wird. Letztendlich gibt es schon ein relativ großes Bewusstsein. Ich habe eher Verständnis erlebt und wenig totale Ablehnung. Man merkt immer mehr, dass man nicht allein ist mit dem Willen, etwas zu verändern. Das gibt Energie und ist beflügelnd – und gar nicht so anstrengend. Es gibt nicht mehr viele Leute, die sagen, das sei Quatsch.

Das klingt vielversprechend …

Vierboom: Es gibt aber leider auch Menschen, die als Ausrede, sich zu engagieren, sagen, dass sie in ihrem Privatleben noch nicht nachhaltig genug leben. Wenn alle etwas beitragen und Erfahrungen und Wissen teilen, dann können wir sehr viel bewirken. Die Klimakrise ist menschgemacht, also können wir Menschen sie auch aufhalten.

Roggan: Man muss nicht perfekt sein, das geht gar nicht. Man muss auch nicht alles zu 100 Prozent richtig machen. Wichtig ist, dass man überhaupt anfängt. Sich zu engagieren heißt nicht, dass man moralisch komplett integer sein muss. Dieser Gedanke hält viele Leute davon ab, sich zu äußern. Da gibt es, glaube ich, eine Angst, sich angreifbar zu machen. Doch natürlich ist es wichtig, dass jeder umdenkt und versucht, privat oder in seinem Bereich etwas zu ändern. Aber letztendlich braucht es politische Entscheidungen. Sonst ist die Transformation nicht machbar, vor allem nicht in der kurzen Zeit, die uns noch bleibt. Umso wichtiger ist es, die Wahl zu einer Klimawahl zu machen, sonst können wir mit unserem Recup-Bechern auch nichts ändern. Das ist alles schön und das hilft. Aber der große Teil muss systemisch entschieden werden.

Vielen Dank für das Interview!

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Pheline Roggan und Moritz Vierboom
  • eigene Recherchen
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