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Wasserstoff: Deutschland will es grün und günstig


Wasserstoff statt Diesel
Hier soll der grüne Kraftstoff für deutsche Lkw entstehen


26.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Ein Wüstenstück in Namibia (Symbolbild): Die Bundesrepublik hofft darauf, dass die vielen Sonnenstunden, hohen Windgeschwindigkeiten und günstigen Produktionsbedingungen ihr bald massenweise billige Wasserstoffimporte ermöglichen.Vergrößern des Bildes
Ein Wüstenstück in Namibia (Symbolbild): Die Bundesrepublik hofft darauf, dass die vielen Sonnenstunden, hohen Windgeschwindigkeiten und günstigen Produktionsbedingungen ihr bald massenweise billige Wasserstoffimporte ermöglichen. (Quelle: imago-images-bilder)

Diamanten und Gold: Seltene Rohstoffe stammen häufig aus dem südafrikanischen Namibia. Geht der Plan der Bundesregierung auf, gilt das bald auch für grünen Wasserstoff. Denn Deutschland selbst ist die Produktion zu teuer.

Im Sommerurlaub bitte viel Sonne. Damit das klappt, reisen viele Deutsche in den Süden. Derselben Logik folgt nun auch die Bundesregierung. Im Südwesten von Afrika sucht sie im Namen des Klimaschutzes nach den Sonnenstunden, die hier fehlen.

Denn um Lkws, Züge, Chemiewerke und Stahlöfen ohne klimaschädliche Brennstoffe zu betreiben, setzt die Regierung auf Wasserstoff. Der soll am besten aus Solarstrom und Windenergie gewonnen werden - massenweise und deshalb so günstig, wie möglich. Beispielsweise in Namibia.

Deutschland und Namibia sind erstmals Partner

Das südafrikanische Land hat jährlich fast doppelt so viele Sonnenstunden wie die Bundesrepublik und eine lange Küste mit hohen Windgeschwindigkeiten. "Weltklasse-Ressourcen an erneuerbaren Energien", wie der namibische Präsident Hage Geingob sagt. Dazu kommen riesige Flächen, die fast unbesiedelt sind – viel Platz für Solarfarmen, Windparks, Meerwasserentsalzungsanlagen und sogenannte Elektrolyseure – Maschinen, die das entsalzte Meerwasser mithilfe von Ökostrom in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Das lockt die deutsche Regierung.

Wasserstoff: Das farblose Gas ist zentral für die deutschen Klimapläne. Wasserstoff soll dort zum Einsatz kommen, wo elektrische Antriebe meist nicht genug Energie aufbringen: im Flugverkehr, in Schiffsantrieben, für Lkw, Züge und Stahlöfen. Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdgas oder Erdöl, die bei ihrer Verbrennung große Mengen Treibhausgase verursachen, verbrennt Wasserstoff sauber. Übrig bleiben Wasserdampf und eine kleine Menge Stickoxide. Um wirklich nachhaltig und "grün" zu sein, muss Wasserstoff aber auch klimafreundlich hergestellt werden - am besten mit Strom aus Wind- oder Solarenergie statt beispielsweise Kohle.

Am Mittwoch unterzeichnete Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) stellvertretend eine "Wasserstoff-Partnerschaft" mit Namibia. Man sei stolz in Berlin, dass man der erste Partner ist, mit dem das Land einen solchen Deal geschlossen hat. Lange war das Verhältnis der beiden Regierungen eher angespannt.

Mehr als hundert Jahre hatte es gedauert, bis die Bundesregierung in diesem Frühjahr die Kolonialverbrechen des deutschen Reiches in Namibia, dem einstigen Deutsch-Südwestafrika, offiziell eingestand. Deutschlands Anerkennung des Völkermordes dürfte auch den Weg für die neue wirtschaftliche Verbindung bereitet haben.

Im Rahmen des Wasserstoffabkommens will Deutschland 40 Millionen Euro in Machbarkeitsstudien, Pilotprojekte und die Aus- und Weiterbildung namibischer Fachkräfte stecken. Gleichzeitig ist Namibia aber nur ein Puzzlestück in der deutschen Strategie. Auch andernorts ist die Bundesregierung auf Partnersuche, denn die Zeit drängt. Deutschland braucht mehr nachhaltigen Wasserstoff. Und es braucht ihn schnell.

Der Hunger nach Wasserstoff ist riesig

Schon in wenigen Jahren soll die Nachfrage an grünem Wasserstoff in Deutschland enorm steigen. Der Grund sind die zunehmend ambitionierten Klimaziele. Aktuell gilt 2045 als Zieljahr, für das sich die Bundesrepublik die eigene Klimaneutralität vorgeschrieben hat. Ab dann sollen mehr Treibhausgase eingespart als produziert werden.

Spätestens 2030 wird der Bedarf an Wasserstoff deshalb enorm steigen, so die Prognose des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung. Denn in vielen Industrien lassen sich CO2 und andere Treibhausgase nur mithilfe von Wasserstoff effektiv einsparen. Nach Berechnungen des Nationalen Wasserstoffrates (NWR) brauchen dann allein die deutsche Stahl- und Chemieindustrie rund 1,7 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr.

Hinzu kommt die geplante Verkehrswende im Schiffs-, Flug-, Lasten- und Zugverkehr. Auch hier sollen immer mehr Wasserstoffantriebe die Maschinen bewegen. Reichen dafür im Jahr 2030 noch 0,8 Millionen Tonnen, rechnet der NWR ab 2050 schon mit einem Bedarf von mehr als 6 Millionen Tonnen Wasserstoff für Mobilitätszwecke.

Die Suche nach dem günstigsten Preis

Angesichts dieser riesigen Mengen stellt sich vor allem eine Frage: Wo soll der ganze grüne Wasserstoff herkommen? Die heimische Produktion wäre vergleichsweise teuer. Ein einziges Kilo aus deutscher Herstellung würde auch 2030 noch rund drei Euro kosten, so die Prognose eines Forscherteams der Uni Köln. Die Zahlen des Umweltbundesamtes zeigen, dass es vorerst auch schwierig sein dürfte, überhaupt genug Ökostrom für grünen Wasserstoffproduktion in Deustchland zu bekommen: Wind- und Solarenergie machen hier noch immer weniger als die Hälfte des verfügbaren Stroms aus. Die Lösung: Importe aus dem Ausland. Am liebsten "Made in Namibia", denn dort ist der Wasserstoff besonders billig.

Bei der Unterzeichnung der Wasserstoff-Partnerschaft schwärmte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek deshalb auch vom „gewaltigen Standortvorteil“ Namibias. Läuft alles nach Plan, soll ein Kilo Wasserstoff dort nur 1,50 Euro bis 2,00 Euro kosten – ein "weltweiter Spitzenwert". Wegen des hohen Bedarfs schaut man sich aber auch in anderen Ländern um.

Neue Abhängigkeiten

Vor allem der Nahe Osten und Nordafrika liegen im deutschen Fokus. Dort wo Deutschland sich ohnehin in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert, sind die Voraussetzungen häufig besonders gut, um Ökostrom und schließlich grünen Wasserstoff zu produzieren. Die Region könnte deshalb zum globalen Hotspot für grünen Wasserstoff werden.

Seit vergangenem November kooperiert die Bundesrepublik daher bereits mit der marokkanischen Regierung: Deutsche Entwicklungshilfegelder fließen in den Aufbau der dortigen Infrastruktur für die Wasserstoffherstellung. Ob und wie hier oder in Namibia tatsächlich eine „Win-Win-Situation“ für das Geber- und das Empfängerland entsteht, muss sich laut Friedrich-Ebert-Stiftung noch zeigen.

Auch für Deutschland ergeben sich durch die neuen Partnerschaften allerdings neue Risiken. So stand die marokkanische Kooperation zuletzt aus diplomatischen Gründen auf der Kippe. Denn: Den Partnern in Marokko passt die deutsche Haltung zum Westsahara-Konflikt nicht.

Öl oder Wasserstoff: Ein Problem bleibt

Im Gegensatz zu den USA erkennt Deutschland den marokkanischen Anspruch auf große Teile der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara nicht an. Zuletzt zog das Königreich Marokko im Mai deshalb seine Botschafterin aus Berlin ab – die Zusammenarbeit beim Thema Wasserstoff hängt seitdem in der Schwebe.

Auch wenn das Aus fossiler Brennstoffe Deutschland zukünftig weniger abhängig von russischem Gas und arabischem Öl macht, sind neue Verflechtungen programmiert. Daran, dass die Bundesrepublik einen Großteil seines grünen Wasserstoffs importieren muss, wird sich nämlich nichts ändern - auch wenn aktuell erst einmal nur 2 Milliarden Euro für die internationalen Wasserstoff-Partnerschaften vorgesehen sind.

Im Bundesministerium für Bildung und Forschung geht man davon aus, dass schon 2030 mehr als zehn Millionen Tonnen Wasserstoff aus dem Ausland beschafft werden müssen. Zwanzig Jahre später könnte diese Zahl dann bereits bei mehr als vierzig Millionen Tonnen liegen.

Verwendete Quellen
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