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YouNow: Medienexperten warnen vor Video-App - Das müssen Eltern wissen


Live-Videos aus dem Kinderzimmer
Medienexperten warnen: Jugendliche breiten vor laufender Kamera bei Younow ihr Privatleben aus

06.02.2015Lesedauer: 5 Min.
So ähnlich präsentieren sich Jugendliche bei Younow. Medienexperten warnen vor sorglosem Umgang mit privaten Informationen.Vergrößern des BildesSo ähnlich präsentieren sich Jugendliche bei Younow. Medienexperten warnen vor sorglosem Umgang mit privaten Informationen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Stellen Sie sich vor, Ihre 14-jährige Tochter sitzt nebenan im Kinderzimmer auf ihrem Bett vor einer Webcam. Sie plaudert live im Internet über ihre Hobbys und Stylingtipps, reagiert geschmeichelt auf Komplimente, die Unbekannte ihr über ein Chatfenster schreiben und beantwortet unbefangen Fragen zu ihrem Alter und Wohnort. Genau das geschieht rund um die Uhr auf der Internetseite Younow, die Jugendschützer alarmiert.

Younow ist eine Plattform, auf der sich jeder in Echtzeit vor laufender Kamera präsentieren kann - im Gegensatz zu Youtube, wo abgeschlossene Videobeiträge ins Netz gestellt werden. Anfangs wurde Younow vor allem von Musikern und DJs genutzt, aber inzwischen mutiert es zum Teenie-Live-TV.

"Striptease im Kinderzimmer", wie derzeit oft zu lesen ist, scheint die Ausnahme zu sein. Keineswegs übertrieben ist allerdings die Warnung von "Daten-Striptease" vieler minderjähriger Nutzer und die Gefahr, im Chat von Pädophilen kontaktiert zu werden. Außerdem droht juristischer Ärger, wenn Persönlichkeits- und Urheberrechte verletzt werden.

Schulen warnen per Elternbrief vor Younow

In den USA gibt es Younow seit 2011. Seit November 2014 gewinnt die Plattform, die man als App auf dem Smartphone oder Computer installieren kann, schneeballartig immer mehr junge Fans in Deutschland hinzu. Der Elternredaktion von t-online.de liegt ein Rundschreiben vor, mit dem Schulen in Hessen die Eltern über die Brisanz des neuen Internet-Trends aufklärt. "Da zieht es mir die Schuhe aus, wie naiv und leichtsinnig sich dort viele, insbesondere Mädchen, mit ihrem vollem Namen live vor der Webcam präsentieren und freigiebig jede Menge persönliche Daten in die Welt hinaus plappern", schreibt Günter Steppich, Fachberater für Jugendmedienschutz am Staatlichen Schulamt Wiesbaden.

"Ihr könnt alle meine Freunde sein - aber nicht die Pädos"

Es genügt, auf der Startseite wahllos einige Profile anzuklicken, um innerhalb weniger Minuten Dinge über die Jugendlichen zu erfahren, die sie besser für sich behalten hätten. Vieles ist harmlos und albern, anderes wirkt aufreizend auf eine Art und Weise, die den Mädchen womöglich gar nicht bewusst ist. Ähnlich wie bei der in Verruf geratenen Chat-Plattform knuddels.de ist nicht immer nachvollziehbar, ob ein Gleichaltriger harmlos flirtet, oder ein Erwachsener mit sexueller Absicht Kontakt knüpfen will.

Eine junge Frau beantwortet unreflektiert sämtliche Fragen ihrer anonymen Zuschauer im Chat: "19 Jahre alt, wohne in Bremen, habe gerade keinen Freund, suche Arbeit als Verkäuferin..." Ein etwa 14-jähriges Mädchen mit langen blonden Haaren verkündet: "Ihr könnt alle meine Freunde sein, nur nicht die, die so pädo sind und von BH reden."

Bloß nicht mit dem echten Namen anmelden

Manche Mädchen und Jungen haben bei Younow ihre Vor- und Nachnamen angegeben, manche ein Pseudonym. Aber oft sind auch Nutzernamen und Links zu Profilen bei anderen sozialen Medien öffentlich sichtbar hinterlegt - je mehr Angaben, desto leichter lässt sich für jeden Internetnutzer problemlos die echte Identität googeln.

Die Registrierung bei Younow ist kinderleicht gestaltet: Ein Klick auf den jeweiligen Button genügt, um schon vorhandene Konten auf Facebook, Google und Twitter mit dem Streamingportal zu verknüpfen. Die Tücke ist, dass Younow direkt den echten Namen ins Nutzerprofil übernimmt. Wenn die jungen Nutzer nicht wissen, wie und wo sie das nachträglich ändern können, geben sie aller Welt ihre Identität preis. Deshalb rät Steppich Kindern und Jugendlichen eindringlich, in sozialen Netzwerken und bei der Nutzung von Apps niemals unter dem richtigen Namen zu agieren.

Sechs Ratschläge des Jugendmedienexperten Günter Steppich

  • Zur Anmeldung in Apps und bei Websites eine neutrale E-Mail-Adresse anlegen, die keine persönlichen Angaben wie Name, Alter, Geschlecht preisgibt.
  • Sichere Passwörter verwenden.
  • In Apps und auf Websites niemals unter dem echten Namen agieren.
  • In Chats keinerlei persönliche Informationen wie Telefonnummer, Wohnort, Schule, Hobbies an Unbekannte herausgeben.
  • Keine Fotos in sexy Posen per Handy verschicken oder online stellen.
  • Live ist live, wie bei einer Fernsehsendung: Nichts lässt sich löschen oder zurücknehmen. Man muss dabei sehr überlegt vorgehen.

Rechtliche Tücken bei der Nutzung von Younow

Eltern müssen auch wissen, dass es rechtliche Risiken gibt, wenn ihre Kinder auf Younow aktiv sind. Besonders heikel sind Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht. Wenn Kinder die Kamera in Klassenräumen, auf Partys oder anderen öffentlichen Räumen mitlaufen lassen, und dabei andere Personen zu sehen sind, wird dadurch deren Persönlichkeitsrecht verletzt. Das gilt auch für das heimliche Mitschneiden und Übertragen von Gesprächen.

Anlass für eine Abmahnung können ebenso Urheberrechtsverletzungen sein, zum Beispiel, wenn während des Live-Streams im Hintergrund Musik läuft. "Ohne die Erlaubnis des Rechteinhabers dürfen die Musikstücke nicht der Öffentlichkeit präsentiert werden", erklärt der Kölner Medienanwalt Christian Solmecke auf dem IT-Portal golem.de.

Kontrolle der Nutzungsregeln ist unmöglich

Weil die Plattform von den USA aus betrieben wird, gibt es die ausführlichen Nutzungsbedingungen nur auf Englisch. Erst seit einigen Tagen sind einige Regeln auch in holprigem Deutsch verfasst. Aber die Hinweise auf Altersbeschränkungen und Etikette - "absolut keine Nacktheit oder sexuell provokatives Benehmen" und "keine Aufforderung zu Nacktheit" - haben eher Alibi-Charakter. "Wenn dort tausende Nutzer im Chat schreiben, lässt sich das nicht moderieren oder kontrollieren," sagt der Medienexperte im Gespräch mit t-online.de. Das Mindestalter für die Mitgliedschaft ist mit 13 Jahren angegeben, aber es gibt keine wirksame Kontrolle. Laut Steppich sind schon Grundschüler auf Younow unterwegs.

"Die Eltern sind naiver als die Kinder"

Steppich ist selbst Lehrer an einem Gymnasium und vermittelt schon Fünftklässlern Grundregeln im Umgang mit dem Internet und bei der Selbstdarstellung in sozialen Medien. Anhand von Beispielen sensibilisiert er seine Schüler dafür, wie sie Kontaktanfragen von Pädophilen erkennen können. Nach seiner Erfahrung sind die Schüler sehr aufgeschlossen und einsichtig.

Als Experte für Jugendmedienschutz betreibt er Aufklärungsarbeit an Schulen und bietet Info-Abende für Eltern an. Oft sei er fassungslos, "wie digital naiv Eltern heutzutage immer noch sind". Es gebe reichlich Informationen über Kinder- und Jugendschutz im Internet. "Wenn man will, findet man diese Informationen."

Er hält es für unverantwortlich, schon Grundschülern ein internetfähriges Smartphone in die Hand zu drücken.

Vielen Eltern sei nicht bewusst, dass das Internet ein Abbild der normalen Welt ist - mit den gleichen Gefahren, vor denen Eltern ihre Kinder ja auch im Alltag schützen wollen. "Ein ausführliches Gespräch über die Wahrung der Privatsphäre im Netz und die Tatsache, dass es, wie auf der Straße, auch im Internet jede Menge zwielichtige Gestalten mit gefährlichen Neigungen gibt, gehört aus meiner Sicht heute zur elterlichen Erziehungspflicht," so Steppichs Appell auf der Website medien-sicher.de.

Musik machen ist okay, nackte Haut und Telefonnummer tabu

Steppich rät Eltern, sich einige Minuten Zeit zu nehmen, um sich gemeinsam mit dem Kind anzuschauen, was auf Younow los ist. "Ich würde ihm an konkreten Inhalten erklären, was andere dort falsch machen." Zum Beispiel, dass es okay ist, vor der Kamera Musik zu machen, aber tabu, Privates zu erzählen und zu zeigen.

"Ich kann die Faszination an Younow verstehen", sagt Steppich. Innerhalb von Minuten ein Publikum zu haben und direktes Feedback zu bekommen, sei für viele Jugendliche eine großartige Erfahrung. Es geht um Selbstdarstellung und Anerkennung, Fans und Likes. Aber auch Mobbing ist auf direktem Weg möglich: "Wer die Jugendlichen beleidigt oder provoziert, kann direkt sehen, wie diese reagieren", gibt Petra Grimm, Professorin am Institut für Digitale Ethik in Stuttgart, beim Technik-Portal heise.de zu bedenken.

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