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wo Alleinerziehende Hilfe gegen drohende Armut finden


Schattenseite der Unterhaltsreform
Hier finden Alleinerziehende Hilfe gegen drohende Armut

t-online, Silke Asmußen

Aktualisiert am 06.07.2016Lesedauer: 4 Min.
Alleinerziehende sind sehr viel häufiger von Armut bedroht als Eltern-Paare.Vergrößern des BildesAlleinerziehende sind sehr viel häufiger von Armut bedroht als Eltern-Paare. (Quelle: dpa-bilder)
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Mehr als ein Drittel der Alleinerziehenden in Deutschland lebt in Armut. Zu dem erschreckenden Ergebnis kommt der WSI Genderdatenreport der Hans-Böckler-Stiftung. Aber Alleinerziehende können selbst etwas tun, damit sie nicht in finanzielle Not geraten.

Zum Vergleich: Bei Paaren mit zwei Kindern sind nur 8,5 Prozent in Gefahr, in die Armut abzurutschen, heißt es im WSI-Report. Single-Eltern haben hingegen ein besonders hohes Armutsrisiko, da sie Beruf und Familie ohne Unterstützung eines Partners stemmen müssen und zudem wegen der Kinder einen hohen finanziellen Bedarf haben.

35,2 Prozent der 1,6 Millionen Ein-Eltern-Haushalte in Deutschland müssen mit einem Einkommen unterhalb des Schwellenwerts für die Armutsgefährdung auskommen. Grundsätzlich gilt gemäß EU-Definition eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung beträgt. 2013 lag der Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 979 Euro im Monat beziehungsweise 11.749 Euro im Jahr.

Single-Mütter oder -Väter mit einem Kind unter 14 Jahren sind nach Berechnungen des Statistik-Portals "Statista" mit einem Nettoeinkommen von 1015 Euro arm, bei zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die Grenze bei 1250 Euro.

Die Unterhaltsreform macht mehr Alleinerziehende arm

Warum Alleinerziehende oft um ihre Existenz kämpfen müssen, beleuchtet eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung. Ein schwerwiegender Grund ist demnach die Unterhaltsreform aus dem Jahr 2008. Nach der aktuellen Regelung gibt es kein Geld vom Ex-Partner mehr für die Erziehung des Nachwuchses, wenn das Kind älter als drei Jahre und eine Betreuungsmöglichkeit verfügbar ist.

Ein weiteres Problem: Der vereinbarte Unterhalt reicht häufig nicht aus, um den Alltag mit Kindern zu bestreiten. In zwei Dritteln der Fälle liegt die Summe laut der Analyse unterhalb des Existenzminimums. Und nur für jedes zweite Kind wird der festgelegte Unterhalt auch tatsächlich überwiesen. Die Folge sind häufig finanzielle Engpässe bei Alleinerziehenden, die sich nur schwer ohne Hilfe ausgleichen lassen.

Die WSI-Experten zeigen sozialpolitische Auswege aus dem Dilemma auf – etwa durch den Wegfall des Alterslimits und einen längeren Bezug des Unterhaltsvorschusses, wenn der zweite Elternteil keinen Unterhalt zahlt.

Der Arbeitsmarkt fordert zu viel Flexibilität

Seit Langem werde zudem eine angemessene steuerliche Entlastung über höhere Freibeträge für Alleinerziehende angemahnt, sagt WSI-Forscherin Christina Klenner. Ebenso in der Pflicht sieht sie die Arbeitgeber. Sie fordert, dass Unternehmen Single-Eltern ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen - etwa durch familienfreundliche Arbeitszeitmodelle oder vollzeitnahe Teilzeitanstellungen.

Doch tun sich Alleinerziehende weiter schwer auf dem deutschen Arbeitsmarkt, der zunehmend eine Flexibilität fordert, die gerade mit Kindern unter drei Jahren kaum zu leisten ist. Laut der Untersuchung "Alleinerziehende in Deutschland" des Bundesfamilienministeriums verhindern vor allem fehlende Betreuungsmöglichkeiten und unpassende Arbeitsangebote den Job-Einstieg.

Ein Teufelskreis, denn ohne Arbeitsstelle steigt die Gefahr, in die Armut abzurutschen, um das Zehnfache: Die Armutsgefährdungsquote von Single-Eltern mit Vollzeitjob beträgt laut dem Ministerium 5,2 Prozent, bei Erwerbslosen klettert der Wert auf 52 Prozent.

Aber auch mit Arbeitsstelle reicht es bei vielen Betroffenen hinten und vorne nicht – kein Wunder, erhalten doch Frauen im Schnitt noch immer ein Viertel weniger Gehalt als Männer für eine vergleichbare Arbeit. Ein Drittel der Single-Mütter verdiene nur 900 Euro netto im Monat, "weil viele Frauen im Einzelhandel und im Gastgewerbe arbeiten", zitiert die "Zeit" Mareike Richter, Projektleiterin beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB.

40 Prozent der Alleinerziehenden brauchen finanzielle Hilfe vom Staat

Die Folge: Knapp 40 Prozent der Single-Eltern sind auf staatliche Grundsicherung angewiesen - mehr als 620.000 Haushalte. Bei ihnen kommen selbst Kindergeld-Erhöhungen nicht an, da die staatliche Unterstützung auf das Kindergeld angerechnet wird.

Eine Lösung könnte die Einführung einer Kindergrundsicherung sein, wie sie der Deutsche Kinderschutzbund fordert. Dabei würde das Kindergeld durch eine Kindergrundsicherung von etwa 530 Euro monatlich ersetzt, die sich am steuerlichen Existenzminimum orientiert. Durch die Besteuerung schmelze die Kindergrundsicherung je nach Einkommen der Eltern ab, betonen die Experten. Familien mit geringem Einkommen bekämen so mehr Geld, Haushalte mit hohem Verdienst würden wie bisher entlastet.

Schon vor einer Trennung zum Anwalt gehen

Um nicht in die Armutsfalle zu tappen, empfiehlt Antje Asmus, wissenschaftliche Referentin des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), sich schon vor einer Trennung oder Scheidung von einem Fachanwalt beraten zu lassen. Die Kosten dafür müssen Mütter mit geringem Einkommen nicht selbst tragen: Sie können einen Beratungshilfeschein beim Amtsgericht beantragen.

Eine gute Anlaufstelle in Bezug auf Unterhaltsfragen ist laut der VAMV-Referentin außerdem das Jugendamt, das eine so genannte Beistandschaft stellen kann. Der Beistand ermittelt etwa das Einkommen des Unterhaltspflichtigen, errechnet die Höhe des Unterhalts und versucht, durch Gespräche mit allen Beteiligten eine Einigung zu erreichen. Kommt es zu Konflikten, vertritt der Beistand das Kind auch in einem gerichtlichen Unterhaltsverfahren.

Sind Alleinerziehende bereits in bedrohlicher finanzieller Schieflage, können Schuldnerberatungen helfen, einen Überblick zu gewinnen und die Finanzen nachhaltig zu ordnen.

Der Alleinerziehenden-Verband unterstützt und bietet Kontakte

Praktische Unterstützung bieten zudem die lokalen VAMV-Verbände und Kontaktstellen vor Ort – etwa mit Tipps zur Kinderbetreuung und zum Umgang mit den Vermittlern im Jobcenter. Single-Eltern sollten diese unbedingt darauf hinweisen, dass sie einen existenzsichernden Arbeitsplatz und eine langfristige Perspektive benötigen oder aber eine familienfreundliche Teilzeit-Ausbildung, sagt Asmus. Bei Schwierigkeiten im Jobcenter lohne es sich, die dortige Beauftragte für Chancengleichheit einzuschalten, die sich speziell mit den Bedürfnissen von Frauen auskenne.

Nicht zuletzt kämen Alleinerziehende durch den VAMV auch in Kontakt mit anderen Single-Eltern – allein das sei oft eine enorme Entlastung in einer extremen Situation, sagt Asmus.

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