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Coronavirus: Mehr Gewalt gegen Kinder zu Hause befürchtet


Geschlossene Kitas und Schulen
Mehr Gewalt gegen Kinder zu Hause befürchtet

Von afp, dpa
29.03.2020Lesedauer: 3 Min.
Gewalt an Kindern: Experten befürchten, dass die Schließung der Kitas und Schulen zu mehr Fällen von Kindesmisshandlungen und -missbrauch führen könnte.Vergrößern des BildesGewalt an Kindern: Experten befürchten, dass die Schließung der Kitas und Schulen zu mehr Fällen von Kindesmisshandlungen und -missbrauch führen könnte. (Quelle: imagebroker)
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Kitas und Schulen sind wegen der Ausbreitung des Coronavirus geschlossen. Deshalb befürchten Experten jetzt besonders viele Fälle von Kindesmissbrauch und Gewalt an Kindern. Welche Rolle spielt soziale Kontrolle?

Die Berliner Gewaltschutzambulanz befürchtet durch die Coronakrise einen starken Anstieg von Kindesmisshandlungen. "Die soziale Kontrolle ist derzeit nicht da – der Bereich, wo sonst Verletzungen von Kinder auffallen, also in Schulen, Kitas oder bei Tagesmüttern, ist ja gerade weggefallen", sagte die Vizechefin der Ambulanz, Saskia Etzold. Schulen und Kindereinrichtungen wurden geschlossen, um eine Ausbreitung des gefährlichen Virus einzudämmen.

Verletzungen der Kinder fallen nicht mehr auf

Verletzungen von Kindern, die nun viel zu Hause sind und von ihren Eltern geschlagen oder getreten werden, würden derzeit von außen kaum bemerkt werden. "Sie sind jetzt da, wo es nicht auffällt, wenn sie verletzt sind", sagte Etzold. Die Oberärztin rechnete damit, dass erst nach dem Ende der Kontaktsperren das Ausmaß sichtbar werde und sich dann verstärkt betroffene Kinder meldeten oder gemeldet würden. Wichtig sei das, bevor Verletzungen wieder verheilten.

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Aus ihren Erfahrungen könne man das mit langen Ferien vergleichen, so die Ärztin. "Nach dem Ende müssen wir uns jedes Mal um sprunghaft mehr Fälle von Kindesmisshandlung kümmern." 2019 wurden 70 solcher Fälle dokumentiert. Insgesamt wurden in der Ambulanz im vergangenen Jahr 1.540 Gewalttaten, also auch von Gewalt unter Erwachsenen, erfasst.

Sorgen und Ängste verstärken Gefahr für Kinder

In der jetzigen Situation müssten viele Menschen um ihren Job bangen, sie hätten Angst um ihre Zukunft, es gebe finanzielle Sorgen. "All das sind starke Risikofaktoren für Ausbrüche, von denen dann die Schwächsten getroffen werden", sagte Etzold. Große psychische Belastung könne Gewalt enorm verstärken. "Wir müssen wohl davon ausgehen, dass die innerfamiliäre Gewalt in den nächsten Wochen deutlich ansteigen wird."

Nach Angaben von Polizeipräsidentin Barbara Slowik stiegen in Berlin vom 1. bis zum 24. März die registrierten Gewalttaten in Familien, oft von Männern gegen Frauen und Kinder gerichtet, gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp elf Prozent.

Etzold betonte, es komme jetzt darauf an, Menschen auf Hilfen hinzuweisen, so dass sie schnell staatliche Unterstützung bekommen könnten. Die gerade angelaufenen Programme seien elementar wichtig, Betroffenen Angst und Sorge zu nehmen. "Wir müssen als Gesellschaft aufeinander achten."

Ambulanz untersuchte bereits Tausende Gewaltfälle

Die Ambulanz mit elf Mitarbeitern, davon sieben Ärztinnen und Ärzten, arbeitet nach Angaben der Vizechefin uneingeschränkt weiter. "Unser Job funktioniert nicht im Homeoffice." Die Mitarbeiter tragen normalen Mundschutz und Handschuhe und es werde noch intensiver als sonst desinfiziert.

Die vor sechs Jahren gegründete Ambulanz gehört zur Berliner Charité. Opfer – sowohl Kinder als auch Erwachsene – können ihre Verletzungen dort von Rechtsmedizinern vertraulich und kostenlos dokumentieren lassen. Sie müssen nicht sofort entscheiden, ob sie die Täter anzeigen. Die Dokumentation zählt auch später vor Gericht.

Rund 6.500 Gewaltfälle wurden in der Ambulanz bislang untersucht. Drei Viertel der erwachsenen Gewaltopfer sind Frauen, rund ein Fünftel aller Betroffenen Kinder. Gefördert wird die Ambulanz in diesem Jahr vom Land Berlin mit knapp 1,2 Millionen Euro. Auch im kommenden Jahr ist diese Summe vorgesehen, hieß es in der Justizverwaltung.

Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung warnt vor Gewalt

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat vor einer Zunahme häuslicher und sexueller Gewalt gegen Kinder während der Corona-Krise gewarnt. "Jeder, der sich im Kinderschutz engagiert und für das Kindeswohl kämpft, der ist im Moment in größter Sorge", sagte Rörig dem RBB-Inforadio. Ohnehin bestehende Gefahren würden durch häusliche Isolation verstärkt.

Durch den Druck, der jetzt wegen der Kontaktsperren und der Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens aufgrund der Corona-Krise wirke, sei das Kindeswohl durch die eigenen Familienmitglieder erheblich gefährdet, sagte Rörig weiter. "Kinder, die sexueller Gewalt sowieso in der Familie ausgesetzt sind durch ihre Väter, Brüder oder auch durch die Mütter, deren Lage verschärft sich jetzt nochmal enorm, weil natürlich Schule und Freizeit als Fluchtmöglichkeit fehlt."

Öffnen Kitas und Schulen nach den Osterferien wieder?

Die Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik Frankfurt am Main, Christine Freitag, forderte, Schulen und Kitas nach den Osterferien wieder zu öffnen. Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen würden viele Familien vor enorme Herausforderungen stellen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Vor allem in engen Wohnsituationen birgt das großes Gewaltpotenzial." Allerdings müssten für die Schulen dann langfristige Hygiene-Konzepte erarbeitet werden, verlangte sie weiter.

Auch der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) warnte vor einer Zunahme von Depressionen und Gewalt. "Viele Menschen haben derzeit ganz reale Ängste – sei es um ihre Gesundheit oder den Arbeitsplatz. Da ist es wahrscheinlich, dass Depressionen und Angststörungen vermehrt auftreten und somit auch Suizidalität zunehmen kann", sagte BDP-Präsidentin Meltem Avci-Werning den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Isolation sei hier "eine große Belastung".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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