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Diese nicht-heimischen Bäume könnten bald in deutschen Städten stehen


Deutschlands Bäume schwächeln
Diese nicht-heimischen Bäume könnten bald in Deutschland stehen

  • Jennifer Buchholz
Von Jennifer Buchholz

Aktualisiert am 01.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Edelkastanie: Die Marone (Castanea sativa) zählt zu den klimaresistenten Baumarten.Vergrößern des Bildes
Edelkastanie: Die Marone (Castanea sativa) zählt zu den klimaresistenten Baumarten. (Quelle: blickwinkel/imago-images-bilder)

Sie verschönern das Stadtbild, bieten Nahrung und Wohnraum für zahlreiche Tiere und sorgen für ein besseres Klima: Stadtbäume. Doch mit dem kleinen Stück Natur an den Straßenrändern könnte es bald vorbei sein. Lässt sich das Baumsterben aufhalten?

Die letzten heißen und trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben die Bäume stark belastet – auch in der Stadt. Obwohl zahlreiche Städte und Gemeinden sowie Verbände die Bürger dazu aufgerufen haben, auch die Bäume am Straßenrand zu gießen, kam es bei vielen Pflanzen zu schwerwiegenden Hitzeschäden.

Hinzu kommt die geringe Fläche, die den Bäumen in den engen Straßen und Gassen zur Verfügung steht: gerade einmal vier Quadratmeter – oder sogar weniger. Ihre Wurzeln müssen sich unter einer versiegelten Fläche, vorbei an Rohren und Kellerwänden, ausbreiten. Und der Hunde- und Menschenurin sowie das Streusalz im Winter setzen den Stadtbäumen ebenfalls zu.

Diese und weitere Gründe führten dazu, dass der Baumbestand in den Städten zunehmend sinkt oder große, abgestorbene Bäume nach und nach durch kleinere Jungbäume ersetzt werden müssen. Die durch diese Umstände geschwächten Bäume sind deutlich anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Sowohl hierdurch als auch durch die Hitzeschäden steigt das Risiko des Absterbens. "Was mit kleineren Blättern beginnt, geht mit frühzeitigem Laubfall weiter und endet vielfach mit dem Absterben von Kronenteilen oder des gesamten Baumes", erklärt Jens Düring vom Bund Deutscher Forstleute t-online. Die Stadtbäume können somit auch zur Gefahr der Verkehrssicherheit werden. Sie müssen daher im Ernstfall gefällt werden.

"Hinzu kommt, dass viele Bäume in Städten, aber vor allem auch in den Wäldern, bereits vorgeschädigt sind. Einige Krankheiten, wie zum Beispiel die Rußrindenkrankheit bei Ahorn, schreiten so schnell voran, dass ganze Bäume innerhalb weniger Monate absterben und morsch werden", so Düring. Das verringert den Bestand an Bäumen zusätzlich.

Diese fremden Bäume könnten bald in den Städten stehen

Unter den regelmäßigen Dürre- und Hitzeperioden leiden vor allem heimische Baumarten. Sie sind nicht an diese klimatischen Veränderungen angepasst. Nehmen die Häufigkeit und Dauer dieser Wetterphänomene zu, könnten deutsche Baumarten in deutschen Städten kaum noch überleben.

Abhilfe könnte das Pflanzen von gebietsfremden Baumarten schaffen. Hierzu wird in Berlin mit der Ungarischen Eiche und in Heilbronn mit der Zerreiche experimentiert. Beide überstehen längere Hitze- und Trockenperioden gut. Die Ungarische Eiche ist zudem frostresistent – was ein wesentlicher Vorteil in puncto Verkehrssicherheit ist. In Bayern wurden positive Erfahrungen mit der Silberlinde (Tilia tomentosa "Brabant") gemacht. Diese Stadtbaum-Alternative verträgt Trockenheit – allerdings ist sie nicht frostresistent und daher nur für wärmere Städte in Deutschland geeignet. Weiterhin könnten laut Düring auch die Traubeneiche, Winterlinde oder Hainbuche genutzt werden. "Diese heimischen Baumarten sind zur Begrünung der Straßenbereiche geeignet und erfüllen die entsprechenden Anforderungen." Unter den gebietsfremden Arten haben sich Amberbaum, Ginkgo und die Hopfenbuche bislang bewährt, so der Baumexperte. Gleiches gelte für die Edelkastanie (Castanea sativa), auch als Esskastanie bekannt. All diese Bäume stimmen gut mit den dort bestehenden klimatischen Bedingungen überein. Sie könnten künftig vermehrt in deutschen Städten zu finden sein. "Invasive Baumarten, wie bestimmte Eschenarten oder der Blauglockenbaum sind zwar ebenfalls resistent, eignen sich jedoch nicht für jeden Bereich", sagt Düring gegenüber t-online.de. Da sich diese stark vermehren, dürfen sie nicht in den Randbereichen sowie in der Nähe von Gewässern stehen.

"Durch die Neupflanzung von Bäumen ist das Problem jedoch noch nicht behoben, erklärt Derk Ehlert von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) in Berlin t-online.de. Die jungen Pflanzen bräuchten eine sehr intensive Pflege, ehe sie den exogenen Faktoren standhielten. Wichtig sei es zudem, so Ehlert, sich nicht nur auf eine Baumart zu fokussieren. So könne schnell eine Monokultur entstehen, die stark anfällig für Schädlinge, Pilze und andere Krankheitserreger ist.

Das Problem mit gebietsfremden Arten

Laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) stellt das Einführen fremder Arten "kein Naturschutzproblem dar". Nur wenige gebietsfremde Arten gefährden in ihrer neuen Heimat die biologische Vielfalt und werden daher als 'invasiv' bezeichnet", so das Bundesamt. Allerdings könnte es aufgrund der Klimakrise nicht ausgeschlossen werden, dass sich durch die Verbreitung gebietsfremder Arten auch invasive Arten in den jeweiligen Gebieten ausbreiten. Das wiederum würde die einheimische Flora und Fauna gefährden – sie würden in starker Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum mit den neuen Arten stehen. "Neben Naturschutzproblemen können gebietsfremde Arten aber auch ökonomische (zum Beispiel Schädlinge, Managementkosten) oder gesundheitliche Probleme verursachen", warnt das BfN. Ehlert steht der Einführung gebietsfremder Bäume ebenfalls kritisch gegenüber: "Heimische Arten sollten als Alternative zu klimaresistenten Stadtbäumen bevorzugt werden. Zahlreiche andere Organismen leben schließlich von und mit ihnen. Sie bilden eine Symbiose."

Und auch ein weiteres Problem gibt es mit der Pflanzung gebietsfremder Baumarten: Deren ökologisches Verhalten unter mitteleuropäischen Bedingungen müsse erst in einer ausreichend langen Bewährungszeit erprobt werden, ehe sie flächendeckend gesetzt werden könnten. Darüber sind sich Ehlert und die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft einig. "Erst nach zehn bis 15 Jahren zeigt sich, ob die gebietsfremden Bäume sowohl Sturmschäden, als auch Wurzelschäden, Versiegelungen und anderen äußeren, sie stark belastenden Umständen, standhalten können", erklärt Ehlert.

"Völlig falsch wäre es demnach, in einer panischen Reaktion auf den Klimawandel weit hergeholte Gastbaumarten ohne sorgfältige Prüfung zur Lösung der Probleme zu verwenden", so die Landesanstalt.

Düring ergänzt: "Es gibt nur etwa fünf einheimische Baumarten, die an die künftigen Bedingungen in Städten – vor allem an Straßen – angepasst sind. Einen vitalen vielfältigen Baumbestand erhält man damit nicht." Vielmehr müsse man auf sehr vielfältige Baumbestände mit vielen Baumarten setzen. Die meisten hiervon werden zukünftig nicht einheimisch sein. "Bei Beachtung einiger Rahmenbedingungen verringert sich dann auch das Risiko von Invasivität rapide", so der Baumexperte.

Verwendete Quellen
  • Derk Ehlert, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK)
  • Prof. Dr. Ulrich Weihs, LWK Niedersachsen ö.b.u.v. Sachverständiger für Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen, Baumwertermittlung
  • Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. "35 Bäume für die Zukunft"
  • Deutschlandfunk "Das Sterben der Stadtbäume"
  • Eigene Recherche
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