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Deepfake-Erpressung und Cybergrooming bedroht Jugendliche weltweit


Gefährlicher Trend aus Asien
Das bedroht eine ganze Generation

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

03.06.2025Lesedauer: 3 Min.
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Innenminister Alexander Dobrindt (CSU): Sein Ministerium warnt seit Längerem vor Cybergrooming. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Immer mehr Menschen werden mit Nacktbildern erpresst. Eine Bevölkerungsgruppe gehört auffallend oft zu den Opfern. Die Politik muss dringend handeln.

Viele Jugendliche sind heutzutage den Gefahren der digitalen Welt ausgesetzt. Das wurde mir in einer Stunde mit meiner früheren zehnten Klasse bewusst. Ich hatte meine Schüler aufgefordert, die Augen zu schließen und sich zu melden, wenn sie schon einmal eine verstörende oder übergriffige Nachricht von einem Erwachsenen erhalten hatten. Was geschah, war erschütternd. Nur ich sah es, da die Schüler ja ihre Augen geschlossen hatten: Alle hoben die Hand.

(Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Bildungsinfluencer und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Threads und auf Instagram als @netzlehrer, wo ihm mehr als 160.000 Menschen folgen. Sein neues Buch "Warum noch lernen?" ist ab sofort im Handel erhältlich.

Cybergrooming – die gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener zu Minderjährigen mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs – ist längst kein Randphänomen mehr. Laut der JIM-Studie aus dem vorigen Jahr (Jugend, Information, Medien) erlebt mehr als ein Viertel der 12- bis 19-Jährigen mindestens einmal im Monat sexuelle Belästigung im Netz. Besonders erschreckend: 15 Prozent der Betroffenen sind jünger als 14 Jahre.

Das Problem ist seit Langem bekannt. Trotzdem verschärft es sich zunehmend. Die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz hat neue Formen der digitalen Gewalt ermöglicht. In Südkorea wurden etwa Studentinnen heimlich fotografiert und ihre Gesichter per Software in pornografisches Material montiert. Was wie Science-Fiction klingt, ist längst Realität – auch an deutschen Schulen.

Genau das nutzen Kriminelle aus

Lehrerinnen und Lehrer berichten mir über Instagram von Fällen, in denen Bilder von Schülerinnen per Deepfake-Technologie verfremdet und anschließend in Klassenchats verbreitet wurden. Die Gesichter von Klassenkameradinnen tauchen plötzlich in expliziten Bildern auf – für die Betroffenen eine beschämende und traumatische Erfahrung. Die Rechtsanwältin Gesa Gräfin von Schwerin, die mit ihrem Aufklärungsprojekt Law4School bereits über 250.000 Jugendliche erreicht hat, spricht in diesem Zusammenhang von einem "Massenphänomen in Schulklassen". Dass dabei sogar strafbare Darstellungen sexuellen Missbrauchs entstehen, sei "den Schülern in der Regel nicht bewusst."

Diese digitalen Übergriffe sind nicht nur emotional zerstörerisch, sie sind auch technisch kaum zu stoppen. Ist ein Bild einmal im Netz, lässt es sich kaum vollständig entfernen. Genau das nutzen Kriminelle aus. Besonders perfide ist dabei eine Masche, die in vielen Fällen aus Südostasien stammt und weltweit Opfer fordert: Über soziale Netzwerke werden vor allem junge Männer kontaktiert, ihnen wird ein Flirt vorgespielt. Nach dem Austausch von Nacktbildern – sogenanntem Sexting – folgt die Erpressung. Wer nicht zahlt, dem droht die Veröffentlichung der Bilder im Freundes- oder Familienkreis.

Es betrifft nicht nur Jugendliche

Was die Täter kalt kalkulieren: Viele Betroffene schämen sich so sehr, dass sie zahlen – obwohl sie es besser wissen. Und genau auf dieses Schweigen bauen die Täter. Oft bleibt es nicht bei einer Zahlung. Es wird weiter Geld gefordert, teilweise aber auch unfassbare Dinge: Nacktbilder von Geschwistern oder Videos, in denen Haustiere gequält werden. Nicht, um sadistische Fantasien auszuleben, sondern weil sich solche Inhalte weiterverkaufen lassen.

Es wäre ein fataler Trugschluss, das Problem auf Jugendliche zu begrenzen. Auch viele Erwachsene sind betroffen. Von den über 4.000 bekannten Opfern im vergangenen Jahr war ein erheblicher Teil volljährig. Das macht deutlich: Es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Dennoch braucht es gerade für junge Menschen Schutzräume, in denen sie anonym Hilfe suchen können – ob in Form von Social-Media-Sprechstunden, Vertrauenslehrern oder digitalen Meldeportalen. Die Scham darf nicht länger verhindern, dass Hilfe ankommt.

Die Plattformen müssen in die Pflicht genommen werden

Doch all diese Maßnahmen lenken von einer zentralen Verantwortung ab: Die großen Internetplattformen tragen eine Mitschuld daran, dass sich diese Gewalt ungestört verbreiten kann. Der deutsche Jurist Chan-jo Jun, der mehrfach erfolgreich gegen Konzerne wie Meta geklagt hat, bringt es auf den Punkt: "Plattformen könnten reagieren – sowohl bei der Bedrohung als auch bei der Veröffentlichung." Er fordert, dass die Betreiber haften müssen, wenn Täter anonym bleiben und ungestraft agieren.

Dass dies bislang kaum geschieht, liegt an der ökonomischen Logik der Plattformen. Sie leben davon, dass Nutzer – vor allem junge – möglichst lange auf ihren Seiten verweilen. Inhalte zu löschen bedeutet: weniger Klicks, weniger Profit. Die Leidtragenden sind die Opfer – und die Gesellschaft, die tatenlos zusieht.

Als Grundsatz kann man sich merken: Screenshots von der Erpressung machen, Beweise sichern, den Täter blockieren und die Polizei verständigen. Und auf keinen Fall zahlen! Jede Zahlung verlängert die Spirale des Missbrauchs.

Es ist höchste Zeit, dass Politik und Gesellschaft handeln. Denn wenn Plattformen nicht verpflichtet werden, Verantwortung zu übernehmen, wird diese neue Form digitaler Gewalt weiter wuchern – und erneut diejenigen treffen, die sich am wenigsten dagegen wehren können.

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