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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lebensretter mahnen Zahl der Badetoten steigt: Hier liegt das größte Risiko

Die Zahl der Badetoten in Deutschland ist gestiegen. Leichtsinn ist oft die Hauptursache, auch erfahrene Schwimmer sind nicht gefeit.
Die Wasserschutzpolizei barg vergangene Woche einen Sechsjährigen bei Düsseldorf tot aus dem Rhein. Wenige Stunden später wurde in die Leiche eines 18-Jährigen im Hafenbecken von Duisburg entdeckt. Am Wochenende fiel ein Kind aus einem Tretboot heraus in den Eibsee (Bayern). Der Vater sprang hinterher – und keiner von beiden tauchte wieder auf.
Auch in diesem Sommer sterben täglich Menschen bei einer Beschäftigung, die nichts als Spaß bringen sollte. Doch Baden kann lebensgefährlich sein. Im vergangenen Jahr zählte die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft DLRG insgesamt 411 Badetote. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren es "nur" 299.
Wie hoch ist die Zahl Anfang Juli 2025? Die DLRG hatte das Wochenende vom 21. und 22. Juni 2025 mit mindestens 15 Badetoten als eines der tödlichsten der vergangenen Jahre bezeichnet. Mehr Zahlen gibt es aber nicht. Die Lebensretter kündigten an, Anfang August eine "Zwischenbilanz" zu veröffentlichen. Nur so könne man bei der Veröffentlichung einer Zahl seriös bleiben, sagte DLRG-Sprecher Martin Holzhause t-online.
Er und seine Kolleginnen und Kollegen setzen auf Prävention. Sie fängt damit an, sich nicht selbst zu überschätzen.
Auch geübte Schwimmer sind nicht sicher
Viele Menschen sind der Meinung, dass ihnen als gute Schwimmer beim Baden nichts passieren kann. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Selbst geübte Schwimmer können plötzlich in Not geraten, wenn sie etwa in einem Fluss gegen die Strömung ankämpfen und dabei rasch ermüden oder einen Muskelkrampf erleiden.
In solchen Situationen kann der Versuch, das Ufer gegen den Strom zu erreichen, zur tödlichen Falle werden. Die DLRG-Retter raten deshalb, in solchen Fällen immer mit der Strömung zu schwimmen, auch wenn der Weg ans rettende Ufer dadurch länger wird.
Zusätzlich entstehen an Brückenpfeilern oder anderen Hindernissen im Fluss gefährliche Strudel, die Schwimmer nach unten reißen können. Rettungsexperte Achim Wiese warnt daher ausdrücklich vor dem Baden in großen Strömen wie Rhein, Weser oder Elbe: "Das sind Schifffahrtsstraßen. Sie sind so stark befahren wie Autobahnen. Und Sie würden mit Ihren Kindern ja auch nicht auf die A7 spielen gehen."
Unterschätzte Gefahren in allen Gewässern
Seen: Viele Badende halten Seen für ungefährlich. Doch steil abfallende Ufer, dichte Wasserpflanzen oder Geröll und Unrat können schnell zur tödlichen Falle werden. Besonders riskant sind ehemalige Kiesgruben, deren Ufer abrutschen können.
Auch extreme Temperaturunterschiede sind gefährlich. Bergseen-, Ton- und Kiesgruben, aber auch natürliche Badeseen weisen unterschiedlich warme Wasserschichten auf. Die Temperatursprünge können dabei mehrere Grad betragen. "Kaltes Wasser besitzt eine größere Dichte und liegt daher immer unter den warmen Schichten. Insbesondere bei Kopfsprüngen oder tieferen Tauchzügen werden diese Temperaturunterschiede deutlich spürbar", warnt die DLRG.
Bei älteren Menschen, oder solchen mit Herz- oder Kreislaufproblemen können diese Temperaturschwankungen schnell zu einer gesundheitlichen Störung, wie beispielsweise. einem Herzinfarkt führen. Aber auch für gesunde Menschen bergen diese Temperatursprünge nicht unerhebliche Gefahren
Meer: An der Küste verändern Wind, Wellen und Strömungen den Meeresboden manchmal innerhalb von Stunden. Sandbänke können verschwinden, neue Untiefen entstehen. Was gestern noch eine ungefährliche Badestelle war, kann heute schon zur tödlichen Gefahr werden. Deshalb gilt: immer auf die Beflaggung achten und bei roter Flagge nicht ins Wasser gehen.
Wehre und Wasserfälle: Dort können sogenannte Wasserwalzen entstehen, also rotierende Wasserströmungen, die selbst starke Schwimmer nicht überwinden können. Besonders tückisch sind nach innen drehende Walzen, aus denen man kaum mehr entkommen kann.
Ähnlich tückisch können die Bugwellen von großen Schiffen (in allen Arten von Gewässern) sein. Ihre Bugwellen erreichen das Ufer oft erst, wenn das Schiff längst außer Sicht ist – und können Badende einfach mitreißen.
Menschen überschätzen sich oft selbst
Nicht nur die Natur birgt Gefahren, sondern auch der Mensch selbst. Über 80 Prozent der Ertrunkenen in Deutschland sind Männer. Wiese erklärt: "Männer sind einfach leichtsinniger. Sie wollen womöglich der Held am Strand sein und überschätzen dabei ihre Fähigkeiten."
Zudem sterben viele ältere Menschen beim Schwimmen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder einfach geringere Kraftreserven können dazu führen, dass der Körper plötzlich versagt. Allein in der Altersgruppe ab 55 Jahren ertranken im vergangenen Sommer 203 Menschen – das sind über 40 Prozent der Opfer.
Wiese warnt auch vor Schwimmen mit leerem Magen, weil es zu einer gefährlichen Unterzuckerung kommen kann: Schwimmen verbrauche viel Energie, so der Rettungsexperte.
Das Seepferdchen reicht nicht
Auch bei Kindern wiegen sich viele Eltern in falscher Sicherheit. Ein Seepferdchen-Abzeichen bedeutet noch lange nicht, dass ein Kind ein sicherer Schwimmer ist. Wiese betont: "Das Seepferdchen reicht nicht aus. Wenn ein Kind noch kein Freischwimmer ist, muss beim Baden ein Erwachsener in Greifnähe sein." Andernfalls könnten Kinder plötzlich den Boden unter den Füßen verlieren und in Panik geraten.
Der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister (BDS) mahnt Eltern zudem, ihre Kinder beim Baden im Blick zu behalten und nicht aufs Smartphone zu schauen. Verbandschef Peter Harzheim sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ), Bademeister könnten die Aufsicht nicht für alle Gäste übernehmen, sondern seien nur unterstützend da.
Vorsicht bei Kopfsprüngen
Neben all diesen Risiken sollten Badegäste eine weitere Gefahr niemals vergessen: Kopfsprünge an unbekannten Stellen. "Übermut und mangelndes Risikobewusstsein verleiten Menschen zu waghalsigen Aktionen. Oft sind Alkohol oder andere Drogen mit im Spiel", sagt DLRG-Präsidentin Ute Vogt.
Gerade in Baggerseen, Flüssen oder unübersichtlichen Badebereichen können verborgene Hindernisse wie Steine, Metallteile oder Baumstümpfe schwere Verletzungen verursachen – bis zu lebensgefährlichen Kopf- und Rückenmarkschäden. 80 solcher Unfälle werden allein in Deutschland pro Jahr gemeldet (lesen Sie hier weiter). Deshalb gilt: Erst prüfen, dann springen – oder besser ganz darauf verzichten.
- Gespräch mit Martin Holzhause (DLRG)
- Gespräch mit Achim Wiese (DLRG)