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Migrationsquote an Schulen: Lehrer kritisiert Priens Vorschlag als unsinnig


Ministerin Karin Prien
Ein unsinniger und gefährlicher Vorschlag

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

10.07.2025 - 08:12 UhrLesedauer: 3 Min.
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Karin Prien: Die Ministerin stößt mit ihrer Migrationsquote auf Kritik. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) spricht sich für eine Migrationsquote in Schulen aus. Warum der Vorschlag populistisch und nicht umsetzbar ist, bewertet Lehrer Bob Blume.

Manche Politiker-Ideen taugen zum Debatten-Strohfeuer, aber nicht zu viel mehr sonst. Das jüngste Beispiel liefert Bundesbildungsministerin Karin Prien mit ihrem Vorschlag, eine Migrationsquote für Schulklassen einzuführen. Was auf den ersten Blick wie eine pragmatische Idee zur Verbesserung schulischer Leistungen wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als problematisch – politisch, gesellschaftlich und pädagogisch.

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Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Autor und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Threads und auf Instagram als @netzlehrer, wo ihm mehr als 160.000 Menschen folgen. Sein neues Buch "Warum noch lernen?" ist im Handel erhältlich.

Denn wer Herkunft zur Kenngröße für Bildungsfähigkeit macht, vereinfacht ein komplexes Phänomen bis zur Unkenntlichkeit.

Prien, die auch stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ist, will eine Obergrenze für Kinder mit sogenanntem Migrationshintergrund. Damit setzt sie auf ein Kriterium, das in der Realität längst seine Trennschärfe verloren hat. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani spricht in diesem Zusammenhang von Superdiversität. Gemeint ist die Tatsache, dass Kinder mit Migrationsgeschichte aus unterschiedlichsten Ländern stammen, verschiedene Sprachen sprechen, unterschiedlichen Religionen angehören – und sich gleichzeitig in ihren Lebensrealitäten erheblich unterscheiden. Sie über einen einzigen statistischen Wert – nämlich den Migrationshintergrund – zu klassifizieren, ist sachlich unsinnig und gesellschaftlich gefährlich.

Dazu kommt: Der Anteil der Kinder mit sogenanntem Migrationshintergrund liegt bundesweit bei über 40 Prozent, in westdeutschen Großstädten sogar bei rund 60 Prozent. Dort müssten viele Kinder ewig durch die Stadt gefahren werden, um an einer Schule lernen zu können, an der die Migrantenquote noch nicht erreicht ist. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, hält den Vorschlag schon deshalb für kaum umsetzbar. Man könne, so Düll, Kinder nicht durch das Land transportieren, nur um Quoten zu erfüllen – ein bürokratischer und menschlicher Irrweg. Was also genau soll "gedeckelt" werden? Wer entscheidet, wo die Grenze verläuft – und wohin sollen die Kinder, die über der Quote liegen, überhaupt verteilt werden?

Schulsystem verhindert soziale Durchmischung

Sprache ist zweifellos ein zentraler Faktor für schulischen Erfolg. Doch eine Quote als Ersatz für gezielte Sprachförderung lenkt vom eigentlichen Problem ab. Anstelle frühzeitiger, professioneller Unterstützung wird suggeriert, man könne durch statistische Steuerung Qualität erzeugen.

Hinzu kommt ein oft übersehener Faktor: Das gegliederte deutsche Schulsystem selbst verhindert seit Jahrzehnten die soziale Durchmischung. Während in vielen Haupt- und Realschulen ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationsgeschichte zu finden ist, bleiben Gymnasien nach wie vor häufig Bildungsorte für Kinder aus bildungsnahen, deutschsprachigen Haushalten. Eine Quote innerhalb dieses selektiven Systems wäre nicht nur schwer durchzusetzen, sie würde vor allem die bestehenden Ungleichheiten verfestigen.

Ohne Mittel reine Symbolpolitik

Wer also wirklich für Chancengleichheit sorgen will, muss an einem anderen Punkt ansetzen: bei der gezielten Förderung – und zwar so früh wie möglich. Dazu gehört verpflichtende Sprachstandsdiagnostik im Vorschulalter, wie sie im Koalitionsvertrag bereits vorgesehen ist. Es braucht qualifiziertes Personal, intensive Elternarbeit und vor allem eine bessere finanzielle Ausstattung von Schulen in sozialen Brennpunkten. Ohne entsprechende Mittel der Länder – denn Bildung ist Ländersache – bleibt jede Debatte um Integration und Sprachkompetenz reine Symbolpolitik.

Prien erhält mit ihrem Vorstoß Unterstützung – vor allem aus konservativen Kreisen. In der "Bild"-Zeitung etwa spricht Chefredakteurin Marion Horn von "Bildungskriminellen", im Fall von Menschen, die sich gegen Quoten aussprechen. Der Vorwurf: Wer sich gegen die Maßnahme stelle, verhindere Bildungschancen. In Wahrheit ist es jedoch umgekehrt: Polarisierende Zuspitzungen wie diese verschieben nicht nur die Debatte, sie verengen auch den Blick auf mögliche Lösungen.

Sortieren darf nicht im Mittelpunkt stehen

Die Realität ist: Es gibt Wege, Kinder mit unterschiedlichsten Hintergründen zu fördern – gemeinsam und differenziert. Es gibt nicht eine einzige Studie, die beweist, dass Quotenregelungen, wie sie es beispielsweise in Dänemark gibt, zu besserer Bildung führen. Und abgesehen davon: Die Quote ersetzt keine Investition, kein pädagogisches Konzept, keine menschliche Zuwendung. Wer Herkunft zur Planungsgröße macht, sortiert – aber fördert nicht.

Eine moderne Bildungspolitik muss sich daran messen lassen, wie gut sie mit der Vielfalt in unserer Gesellschaft umgeht. Nicht das Sortieren, sondern das Unterstützen muss im Mittelpunkt stehen. Wer Chancengleichheit ernst meint, braucht keine Quoten, sondern den Mut, die Realität anzuerkennen – und zu gestalten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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