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Stöhnen: Wie laut hätten Sie's denn gerne?


Kolumne "Lust, Laster und Liebe"
Wie laut hätten Sie's denn gerne?

  • Jennifer Buchholz
MeinungEine Kolumne von Jennifer Buchholz

28.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Sex-Mythen: Guter Sex dauert nur zehn Minuten.Vergrößern des Bildes
Stöhnen: Einige fühlen sich durch lautes Stöhnen beim Sex animiert. (Quelle: imago)

Schnaufen, seufzen, schniefen: Menschen geben fast immer Geräusche von sich, egal, welches Geschlecht. Außer bei zwei Dingen.

Ein lautes Stöhnen dröhnt durch die Halle und reißt mich aus meinem Tagtraum. Ich war doch gerade gedanklich so schön weit weg vom schnöden Alltag – hypnotisiert durch meine immer gleichen Bewegungen auf dem Crosstrainer im Fitnessstudio, ärgere ich mich. Doch der laute, tiefe Aufschrei hat mich schnurstracks wieder zurück in die schweißtreibende, monoton-langweilige Realität bugsiert. Na toll.

Woher waren diese animalischen Ausrufe gekommen? Ich schaue mich im Fitnessstudio um. Zwischen fünf sportlichen Frauen, die Hanteln und Co. schwangen, stand der Mann, der eine Geräuschkulisse produzierte, gleich dem eines ganzen Löwenrudels.

Sein Kopf war knallrot, seine Lippen zusammengekniffen, seine Wangen aufgeblasen. Die trainierenden Frauen neben ihm sahen nicht weniger angestrengt aus. Dennoch: Sie gaben nur leise oder gar keine Geräusche von sich. Die schienen sich jegliche lauten Geräusche zu verbieten – weil sich das für Frauen nicht gehört?

Je lauter, desto besser

Szenenwechsel ins Schlafzimmer. Ob aus Filmen, Gesprächen mit Freunden oder eigener Erfahrung: Viele kennen sicherlich die These: "Nur wenn eine Frau beim Sex stöhnt, gefällt es ihr." Das heißt, einige Männer glauben, dass sie nur dann besonders gut sind, wenn die Frau während des Geschlechtsverkehrs laute Geräusche von sich gibt – je lauter, desto besser natürlich. Ist sie hingegen leise, bringt er es wohl einfach nicht.

Aus dieser beliebten Annahme entsteht ein kleiner Teufelskreis. Denn glaubt man diversen Studien, stöhnen viele Frauen beim Sex nur, um das Ego ihres Liebhabers zu pushen oder seine Ejakulation zu beschleunigen – weil der Sex langweilig ist, keinen Spaß macht oder sie noch etwas vorhaben.

Und Männer? Stöhnen sie beim Sex, nur damit die Partnerin schneller kommt? Im Film – und somit in den Köpfen vieler Frauen und Männer – ist das eine absurde Idee. Der Protagonist darf höchstens laut sein, wenn er dadurch selbst geil wird, sich quasi selbst anfeuert.

"Du bist so geil!"

Meine Theorie ist also: Einige Männer stöhnen wie ein brunftiger Löwe, um sich selbst anzufeuern und um auf sich aufmerksam zu machen "Schaut mal, was ich stemmen kann!" Sie tun das, je nach Umgebung, um die Konkurrenz zu beeindrucken oder aus einem urtümlichen Balzbedürfnis heraus.

Einige Frauen hingegen wissen, dass sie durch ihre Ausrufe während einer körperlichen Anstrengung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und in diversen männlichen Gehirnen die Trigger "Sex" und "Mann, du bist so geil!" auslösen. Dabei wollten sie vielleicht lediglich sich auch einmal selbst anfeuern – wie mit dem Kampfschrei einer Amazone – oder konnten vor lauter körperlicher Anstrengung die Geräusche aus ihrem Mund nicht mehr unterdrücken.

Lasst es einfach raus – oder eben nicht

Dieses Ungleichgewicht muss ein Ende haben! Frauen sollten nicht das Gefühl haben, nur für jemand anderen stöhnen zu dürfen oder zu müssen. Nein. Sie sollten derartige Geräusche ohne sexuellen Kontext von sich geben dürfen. Sei es, weil der Schluck Wasser so erfrischend ist, das Eis unglaublich gut schmeckt oder eben die Hantel schwer ist und sie sich anfeuern wollen "Ja, ich bin ein Tier. Ich schaffe das!"

Dasselbe gilt natürlich beim Sex: Frauen sollten nicht das Gefühl haben, stöhnen zu müssen – außer ihnen ist danach. Männer wiederum sollten nicht davon ausgehen, dass sie möglichst leise zu sein haben – nur weil sie es aus Funk und Fernsehen so kennen.

Sowohl Männer als auch Frauen sollten Laute von sich geben dürfen, wenn sie entstehen. Na gut, natürlich in Maßen und je nach Situation und Umfeld. Denn andernfalls müsste ich auf meine Tagträume während des Trainings verzichten, da ich alle zwei Minuten aus ihnen herausgerissen werde. Oder ich wechsle in ein Frauenfitnessstudio. Und das wäre ziemlich schade.

Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.

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