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FemPorn: Geben Sie diesen Filmen eine Chance – Öko-Siegel für Erotikfilme?


Kolumne "Lust, Laster und Liebe"
Geben Sie diesen Erotikstreifen eine Chance

  • Jennifer Buchholz
MeinungEine Kolumne von Jennifer Buchholz

Aktualisiert am 05.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Küsse: Wie viel Zärtlichkeit sollte in Pornos stecken, die Frauen auch gefallen?Vergrößern des Bildes
Küsse: Wie viel Zärtlichkeit sollte in Pornos stecken, die Frauen auch gefallen? (Quelle: Rawpixel/getty-images-bilder)

Nackte Körper, der eine prallt auf den anderen. Lautes, lustvolles Stöhnen. Ein heftiges, explosionsartiges Ende. So könnte man die meisten Pornos kurz zusammenfassen. Dabei gibt es auch Sexfilme, die anders sind – und das nicht nur vor der Kamera.

Wer braucht denn so was? Dachte ich, als ich das erste Mal etwas über feministische Pornos hörte. Dabei stellte ich mir einen französischen Softporno vor, in dem die Protagonistin erst alle Eventualitäten abwägt und es dann nach ausreichender Überlegung zur Sache geht – mit viel Weichzeichner. Ich wurde eines Besseren belehrt.

Warum sind alle Pornos gleich?

Es gibt unzählige Pornos. Verständlich, denn die sexuellen Vorlieben sind zahlreich und verschieden. Eins haben die meisten Mainstream-Pornos jedoch gemein – egal ob kostenfrei oder auf Bezahlplattformen: Frauen werden häufig als willig, immer bereit und meist unterwürfig dargestellt – Männer hingegen als stark, potent und zielorientiert. Auf andere Werte oder das Anregen der Fantasie wird wenig geachtet. Oft ist das auch nicht beabsichtigt – schließlich werden Mainstream-Pornos nur nebenbei konsumiert.

Das Manko typischer Sexfilme: Man muss Lust haben, schon bevor man sie schaut. Sie erregen kaum und unterhalten nicht. Das liegt unter anderem am Blickwinkel. Die meist männlichen Regisseure – übrigens selbst bei "Amateurpornos" – achten darauf, was schnell zum gewünschten Erfolg führt. Das funktioniert aber nicht bei allen Zuschauern.

Kann man Lust durch Pornos bekommen?

Denn einige Frauen und Männer wünschen sich keine passive Beschallung, sondern Stimulation – also das, was man von einem "Lustfilm" erwartet. Zwar gibt es dieses Genre bei Pornos. Doch sie sind oft nicht das Wahre oder ziemlich niveaulos. Ändern wollen das die Macherinnen von feministischen Pornos – auch bekannt als FemPorn.

Das sind mitnichten Filme, bei denen die Liebe im Vordergrund steht und die Protagonisten erst nach ein bis zwei Dates in der Kiste landen – bei Kerzenschein mit viel Weichzeichner und Kuschelrock im Hintergrund. Wer glaubt, dass es bei feministischen Pornos nicht zu Sache geht oder dass nur gekuschelt statt gevögelt wird, liegt falsch. FemPorns sind eher das, was ich mir unter "Lustfilm" vorstelle. Sie sind wie ein Film, in dem der Spannungsbogen den Erregungszustand widerspiegelt. Ohne, dass man aktiv etwas dafür tut, ist man selbst auf einmal richtig erregt. Sie unterhalten, stimulieren, erregen.

So fühlen sich FemPorns an

Das Offensichtlichste sind nicht die häufig weiblichen Regisseure. Es ist viel mehr. Es ist der feminine und ästhetischere Blick auf den Sex: Es sind Authentizität, Körpervielfalt und ein durchdachtes Konzept, die die Streifen ausmachen – nicht, wer am längsten, meisten oder lautesten kommt. Darüber hinaus hat man bei FemPorns den Eindruck, als seien die Gefühle echt und die Darsteller versprühten reale Erotik. Selbst der Akt wirkt alles andere als vom Drehbuch vorgeschrieben. Es fühlt sich aufrichtig und authentisch an. Als ob man realen Paaren beim Sex zusieht.

Das ist allerdings nicht das Alleinstellungsmerkmal feministischer Pornos. Schließlich gibt es Regisseure – sowohl weibliche als auch männliche – die es ebenfalls schaffen, den Zuschauer mitzunehmen und ihn während des Films zu erregen. Selbst ästhetische und authentische Pornos sind keine Rarität.

Was also macht den Unterschied zu herkömmlichen Produktionen aus?

Das machen feministische Pornos anders

Das Mainstream-Porno-Business ist knallhart. Die Darsteller müssen die gängigen Stereotypen erfüllen und auf Zuruf funktionieren. Wer das nicht schafft, wird schnell ersetzt. Erotik am Set, damit echte Lust aufkommt? Dafür bleibt keine Zeit. Alles muss schnell gehen, die Einstellungen müssen sitzen. Entlohnt wird der hohe Druck, der auf den Darstellern lastet, in der Regel nicht angemessen. Die Gagen sind größtenteils mau, der Verschleiß von Pornodarstellern hingegen hoch.

Die FemPorn-Hersteller wollen das mit ihren Werken ändern. Die Schauspieler sollen gleichberechtigt bezahlt, alle Körper- und Alterstypen bedient werden und die Atmosphäre am Set soll erotisch und entspannt sein. Sogar Safer-Sex ist kein Tabu.

Kein Kuschelkurs hinter den Kulissen

Ganz so friedlich scheint die FemPorn-Szene allerdings nicht zu sein. Denn einige Anhänger feministischer Pornografie kritisieren an ihr, dass sie trotz veränderter Standards weiterhin die Stereotypen bedient, die bereits beim Mainstream-Porno verwendet werden. Zudem kritisieren Porno-Gegner, dass selbst die FemPorn-Szene die Selbstdarstellung in den Vordergrund stelle und die Grenze zwischen Mainstream- und Alternativ-Porno nicht ganz deutlich sei. Auch könne bei kleineren Produktionen den Darstellern keine ausreichend hohe Gage bezahlt werden.

Öko-Fairtrade-Siegel für Sexfilme?

Auch wenn FemPorns nach Öko-Fairtrade-Siegel für Sexfilme klingt: Die Streifen sind genauso anregend, stimulierend und erotisch wie Streifen größerer, bekannterer Produzenten. Sie bedienen zahlreiche Fetische und kommen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Stattdessen geht es um die Lust. Und, was noch wichtiger ist: um eine faire Behandlung aller Darsteller, ohne Leistungsdruck – was besonders den männlichen Schauspielern zugutekommt. Und all dies ohne langweilig zu sein. FemPornos sind daher einen Blick wert – für Frauen, Männer oder LGBT.

Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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