Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ĂŒbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
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Nackte Körper, der eine prallt auf den anderen. Lautes, lustvolles Stöhnen. Ein heftiges, explosionsartiges Ende. So könnte man die meisten Pornos kurz zusammenfassen. Dabei gibt es auch Sexfilme, die anders sind â und das nicht nur vor der Kamera.
Wer braucht denn so was? Dachte ich, als ich das erste Mal etwas ĂŒber feministische Pornos hörte. Dabei stellte ich mir einen französischen Softporno vor, in dem die Protagonistin erst alle EventualitĂ€ten abwĂ€gt und es dann nach ausreichender Ăberlegung zur Sache geht â mit viel Weichzeichner. Ich wurde eines Besseren belehrt.
Warum sind alle Pornos gleich?
Es gibt unzĂ€hlige Pornos. VerstĂ€ndlich, denn die sexuellen Vorlieben sind zahlreich und verschieden. Eins haben die meisten Mainstream-Pornos jedoch gemein â egal ob kostenfrei oder auf Bezahlplattformen: Frauen werden hĂ€ufig als willig, immer bereit und meist unterwĂŒrfig dargestellt â MĂ€nner hingegen als stark, potent und zielorientiert. Auf andere Werte oder das Anregen der Fantasie wird wenig geachtet. Oft ist das auch nicht beabsichtigt â schlieĂlich werden Mainstream-Pornos nur nebenbei konsumiert.
Das Manko typischer Sexfilme: Man muss Lust haben, schon bevor man sie schaut. Sie erregen kaum und unterhalten nicht. Das liegt unter anderem am Blickwinkel. Die meist mĂ€nnlichen Regisseure â ĂŒbrigens selbst bei "Amateurpornos" â achten darauf, was schnell zum gewĂŒnschten Erfolg fĂŒhrt. Das funktioniert aber nicht bei allen Zuschauern.
Kann man Lust durch Pornos bekommen?
Denn einige Frauen und MĂ€nner wĂŒnschen sich keine passive Beschallung, sondern Stimulation â also das, was man von einem "Lustfilm" erwartet. Zwar gibt es dieses Genre bei Pornos. Doch sie sind oft nicht das Wahre oder ziemlich niveaulos. Ăndern wollen das die Macherinnen von feministischen Pornos â auch bekannt als FemPorn.
Das sind mitnichten Filme, bei denen die Liebe im Vordergrund steht und die Protagonisten erst nach ein bis zwei Dates in der Kiste landen â bei Kerzenschein mit viel Weichzeichner und Kuschelrock im Hintergrund. Wer glaubt, dass es bei feministischen Pornos nicht zu Sache geht oder dass nur gekuschelt statt gevögelt wird, liegt falsch. FemPorns sind eher das, was ich mir unter "Lustfilm" vorstelle. Sie sind wie ein Film, in dem der Spannungsbogen den Erregungszustand widerspiegelt. Ohne, dass man aktiv etwas dafĂŒr tut, ist man selbst auf einmal richtig erregt. Sie unterhalten, stimulieren, erregen.
So fĂŒhlen sich FemPorns an
Das Offensichtlichste sind nicht die hĂ€ufig weiblichen Regisseure. Es ist viel mehr. Es ist der feminine und Ă€sthetischere Blick auf den Sex: Es sind AuthentizitĂ€t, Körpervielfalt und ein durchdachtes Konzept, die die Streifen ausmachen â nicht, wer am lĂ€ngsten, meisten oder lautesten kommt. DarĂŒber hinaus hat man bei FemPorns den Eindruck, als seien die GefĂŒhle echt und die Darsteller versprĂŒhten reale Erotik. Selbst der Akt wirkt alles andere als vom Drehbuch vorgeschrieben. Es fĂŒhlt sich aufrichtig und authentisch an. Als ob man realen Paaren beim Sex zusieht.
Das ist allerdings nicht das Alleinstellungsmerkmal feministischer Pornos. SchlieĂlich gibt es Regisseure â sowohl weibliche als auch mĂ€nnliche â die es ebenfalls schaffen, den Zuschauer mitzunehmen und ihn wĂ€hrend des Films zu erregen. Selbst Ă€sthetische und authentische Pornos sind keine RaritĂ€t.
Was also macht den Unterschied zu herkömmlichen Produktionen aus?
Das machen feministische Pornos anders
Das Mainstream-Porno-Business ist knallhart. Die Darsteller mĂŒssen die gĂ€ngigen Stereotypen erfĂŒllen und auf Zuruf funktionieren. Wer das nicht schafft, wird schnell ersetzt. Erotik am Set, damit echte Lust aufkommt? DafĂŒr bleibt keine Zeit. Alles muss schnell gehen, die Einstellungen mĂŒssen sitzen. Entlohnt wird der hohe Druck, der auf den Darstellern lastet, in der Regel nicht angemessen. Die Gagen sind gröĂtenteils mau, der VerschleiĂ von Pornodarstellern hingegen hoch.
Die FemPorn-Hersteller wollen das mit ihren Werken Àndern. Die Schauspieler sollen gleichberechtigt bezahlt, alle Körper- und Alterstypen bedient werden und die AtmosphÀre am Set soll erotisch und entspannt sein. Sogar Safer-Sex ist kein Tabu.
Kein Kuschelkurs hinter den Kulissen
Ganz so friedlich scheint die FemPorn-Szene allerdings nicht zu sein. Denn einige AnhÀnger feministischer Pornografie kritisieren an ihr, dass sie trotz verÀnderter Standards weiterhin die Stereotypen bedient, die bereits beim Mainstream-Porno verwendet werden. Zudem kritisieren Porno-Gegner, dass selbst die FemPorn-Szene die Selbstdarstellung in den Vordergrund stelle und die Grenze zwischen Mainstream- und Alternativ-Porno nicht ganz deutlich sei. Auch könne bei kleineren Produktionen den Darstellern keine ausreichend hohe Gage bezahlt werden.
Ăko-Fairtrade-Siegel fĂŒr Sexfilme?
Auch wenn FemPorns nach Ăko-Fairtrade-Siegel fĂŒr Sexfilme klingt: Die Streifen sind genauso anregend, stimulierend und erotisch wie Streifen gröĂerer, bekannterer Produzenten. Sie bedienen zahlreiche Fetische und kommen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Stattdessen geht es um die Lust. Und, was noch wichtiger ist: um eine faire Behandlung aller Darsteller, ohne Leistungsdruck â was besonders den mĂ€nnlichen Schauspielern zugutekommt. Und all dies ohne langweilig zu sein. FemPornos sind daher einen Blick wert â fĂŒr Frauen, MĂ€nner oder LGBT.
Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" ĂŒber Liebe, Partnerschaft und Sex.