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Was das Coming-out des Partners bewirkt


"Mein Mann ist schwul"
Was das Coming-out des Partners bewirkt

dpa, Eva Dignös

08.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Coming-out: Männer werden dafür oft gefeiert. Doch was die Partnerinnen durchleben, können viele kaum nachvollziehen.Vergrößern des BildesComing-out: Männer werden dafür oft gefeiert. Doch was die Partnerinnen durchleben, können viele kaum nachvollziehen. (Quelle: Richárd Bellevue/Westend61/dpa-tmn-bilder)
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Verlassen zu werden, weil sich die Partnerin oder der Partner als homosexuell outet, das stellt die Welt auf den Kopf. Das damit verbundene Leid wird oft nicht gesehen.

"Ich liebe jemand anderen": Dies vom Partner oder von der Partnerin zu hören, ist ein Schock, es zerstört Vertrauen und Lebensentwürfe. Das gilt auch dann, wenn der Mann nicht wegen einer anderen Frau geht, sondern wegen eines anderen Mannes. Oder wenn die Frau künftig mit einer anderen Frau zusammenleben möchte.

"Das trifft auf einer ganz tiefen Ebene", sagt die Lebens- und Sexualberaterin Dagmar K. Raimund. Sie bietet Online-Sprechstunden für Frauen an, deren Männer sich als homosexuell geoutet haben. Besonders schmerze die Frauen, die bei ihr Rat suchen, die Tatsache, "dass sich der Mann ja nicht nur von seiner Frau abwendet, sondern insgesamt von der Weiblichkeit". Und viele kämpften sehr damit, dass kaum jemand nachvollziehen könne, was sie gerade erleben.

Studie: Belastung für Ex-Partner am größten

Das gilt unabhängig vom Geschlecht: Frauen wie Männer erlebten das Coming-out ihres Partners nach jahrelanger gemeinsamer heterosexuell gelebter Beziehung als enorme Herausforderung und als Lebenskrise, heißt es in einer Studie, die für ein Projekt des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) erstellt wurde.

Partnerinnen und Partner, Kinder, Eltern und Geschwister wurden dabei befragt, wie sie ein spätes Offenbaren von Homosexualität erlebten und verarbeiteten. Am größten war die Belastung, so das Fazit, für die Partnerinnen und Partner. Zu Wut und Trauer, Verzweiflung und Enttäuschung kämen oft "die Ungewissheit, ob die gesamte Beziehung nur ein "Alibi" war, die Chancenlosigkeit beim "Kampf" um die Beziehung, die Schuldgefühle für die Entwicklung der Homosexualität".

Bei einem Coming-out steht im Fokus, wer "herauskommt" mit der Tatsache, dass er als Mann Männer und als Frau Frauen liebt. Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten ist zwar durch eine gewachsene gesellschaftliche Akzeptanz vieles einfacher geworden. "Aber die Ehefrauen von Männern, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen, werden nach wie vor kaum wahrgenommen", sagt Kundri Böhmer-Bauer, die diese Situation in den 1990er Jahren durchlebt hat.

"Ich habe es wohl früher geahnt als er"

Sieben Jahre sei sie mit ihrem Mann "sehr glücklich" verheiratet gewesen, sagt Böhmer-Bauer. "Wir galten als Vorzeigepaar." Dass er vor ihr einmal eine Beziehung mit einem anderen Mann hatte, wusste sie. "Aber er sagte, das wäre vorbei." Doch das war es nicht. "Ich glaube, ich habe es früher geahnt als er", sagt Böhmer-Bauer.

Ein Video, das schnell weggeklickt wird, ein offener Chat in einem Forum für Homosexuelle – im Nachhinein erscheint zwar manchmal alles klar. Doch viele Partnerinnen und Partner trifft das Coming-out aus heiterem Himmel. "Ihnen fällt es dann oft schwer, sich zu erklären und zu vergeben, dass sie es nicht früher gemerkt haben", sagt Dagmar K. Raimund. Zumal viele Partner erst einmal leugneten, dass sie Sex mit dem gleichen Geschlecht haben oder sich ihn wünschen.

"Oft ist es kein Coming-out, sondern ein Coming-dahinter", sagt Sharon Rieck von der Initiative "Tangiert" (tangiert.de), einer Selbsthilfegruppe für Frauen, deren Partner schwul oder bisexuell sind. Es werde versucht, den Anschein einer heilen Familie aufrechtzuerhalten. Die Beweggründe seien unterschiedlich: religiöse Motive, die Angst vor Stigmatisierung, die Sehnsucht nach einem stabilen Umfeld, Selbstunsicherheit, aber auch narzisstische Charakterzüge.

Kaum Selbsthilfe-Plattformen für Männer

"Fast jede Woche meldet sich eine Frau bei mir", erzählt Sharon Rieck. Sie koordiniert die Arbeit der Gruppe bundesweit. Es gibt mehrere Regionalgruppen, in der sich betroffene Frauen regelmäßig treffen, rege genutzt wird auch eine geschlossene Facebook-Gruppe.

Vergleichbare Angebote für Männer sind hingegen kaum zu finden. Während Frauen sich Onlineplattformen und -netzwerke aufgebaut hätten, mangele es weitgehend an Unterstützung für Männer, die sich mit dem Coming-out ihrer Partnerin konfrontiert sehen, konstatieren auch die Autorinnen der Studie zum LSVD-Projekt "Homosexualität und Familien". Manche rufen dann bei "Tangiert" an, erzählt Sharon Rieck, "weil sie nicht wissen, an wen sie sich sonst wenden sollen".

Familie und Freunde nicht gerade Hilfe

Verwandte und Freunde sind oft nicht unbedingt eine Hilfe. Kundri Böhmer-Bauer erinnert sich an Reaktionen voller Ablehnung, als sie sich vor rund 30 Jahren nach dessen Coming-out von ihrem Mann trennte: "Mir wurde unterstellt, als Frau versagt zu haben." Man legte ihr auch nahe, in eine andere Stadt zu ziehen, damit niemand davon erfahre.

Es sei nach wie vor eine typische Reaktion, in der bisherigen Beziehung nach Ursachen zu suchen, sagt Dagmar K. Raimund: "In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit kann ein Mann doch gar nicht schwul sein, wenn er mit einer Frau zusammen ist, mit ihr Kinder hat". Und wenn doch, "dann muss es wohl an Defiziten in der Sexualität in der Ehe gelegen habe, heißt es dann".

Versuchen, aus Opferrolle herauszufinden

Die Partnerschaft in Scherben, dazu unsensible Reaktionen: Viele Betroffene fühlten sich als Opfer und plagten sich mit Schuldgefühlen, sagt Raimund. "Das ist absolut nachvollziehbar, trotzdem sollte man versuchen, aus dieser Rolle wieder herauszufinden." Je weniger emotionale Abhängigkeit, desto eher gelinge der Start in das neue Leben.

Kundri Böhmer-Bauer hat noch einen ganz anderen Weg der Aufarbeitung gefunden: Sie hat das Thema zu einem Roman verarbeitet. "Der rosa Wolkenbruch" ist nicht eins zu eins die eigene Geschichte, aber inspiriert davon. Sie hat nach wie vor Kontakt zu ihrem Mann: "Wir sind gut befreundet."

"Sich mal in die Schuhe des Partners stellen"

Auch Dagmar K. Raimund, die nicht nur Frauen im Bewältigungsprozess unterstützt, sondern vor vielen Jahren selbst betroffen war, sagt, sie habe ein gutes Verhältnis zu ihrem Ex-Mann, mit dem sie zwei Kinder hat. Trotz aller Enttäuschung "sich auch mal in die Schuhe des Partners zu stellen", dessen Perspektive einzunehmen, könne helfen, die Paarbeziehung in eine Freundschaft zu verwandeln.

Ebenso der Blick auf gemeinsame gute Jahre. Allerdings gelte auch: "Hintergangen worden zu sein, ist dafür sicher keine gute Voraussetzung."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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