Serbisches Dorf lockt mit Vampir

"Achtung Vampir!", warnt ein Schild alle Autofahrer, die sich dem abgelegenen serbischen Dorf Zarozje nΓ€hern. Selbst wer die kyrillische Aufschrift nicht lesen kann, versteht die Warnung. Ein handgemaltes Bild zeigt Sava Savanovic, den "ersten serbischen Vampir". Eine furchteinflΓΆΓende Gestalt in traditioneller Kluft schielt die Passanten an, die spitzen ReiΓzΓ€hne und die Blutstropfen auf dem stoppeligen Kinn signalisieren: Mit diesem Kerl ist nicht zu spaΓen.
Ein MΓΌller wird zum Vampir
Die Legende von Sava Savanovic geht auf das Mittelalter zurΓΌck. Demnach lebte der ΓΌber zwei Meter groΓe Mann einsam in seiner MΓΌhle im engen und dunklen Tal am FlΓΌsschen Rogacica in den Bergen des ΓΆstlichen Serbiens. Als er eines Tages starb - wann, weiΓ keiner mehr zu sagen - verwandelte sich der MΓΌller in einen Vampir. Niemand, der seither die Nacht in der MΓΌhle verbrachte, ward jemals wieder lebend gesehen.
Kein Internet im Dorf
Zarozje mit seinen tausend Bewohnern ist arm, kein Mensch hat hier einen Internetanschluss. Der Tourismus kΓΆnnte das Dorf retten, dachte sich Miodrag Jovetic, frΓΌherer Gemeinderat und Besitzer der Tankstelle und Kneipe von Zarozje. Als einzige Touristenattraktion machte er den alten Sava aus. Als schlieΓlich das Dach der MΓΌhle einstΓΌrzte, nutze der 67-JΓ€hrige die Gelegenheit. Jovetic gab eine Warnung aus: Sava Savanovic sei nun obdachlos, darΓΌber wutentbrannt und hΓΆchst gefΓ€hrlich. Erst sprang die Lokalpresse auf die Geschichte an, dann folgten internationale Medien, das Internet ist voll von Berichten ΓΌber die drohende Vampirgefahr. Die Dorfbewohner seien angewiesen worden, sich KnoblauchvorrΓ€te zuzulegen und hΓΆlzerne Kreuze zu tragen - bekannt als wirksame Mittel gegen nΓ€chtliche Blutsauger.
Die Menschen sind religiΓΆs
"Ich habe nur einen alten Brauch erwΓ€hnt", sagt Jovetic. "Die Leute hier sind religiΓΆs, jeder hat ein hΓΆlzernes Kreuz und alle pflanzen Knoblauch an." Die Berichte ΓΌber die Angst, die angeblich in Zarozje umgeht, amΓΌsieren die Dorfbewohner. Besonders lachen musste Nikola Jovanovic, als er las, die Menschen kauften so viel Knoblauch, dass dieser knapp werde. "Das ist doch lΓ€cherlich! Wir produzieren unseren Knoblauch selbst. Um ihn aufzubewahren, fΓ€deln wir die Knollen auf und hΓ€ngen sie unters Dach", sagt der 37-JΓ€hrige. "Wir wissen, dass diese Geschichte dem Tourismus dienen soll. Umso besser, wenn das funktioniert. Aber Angst haben wir ganz sicher nicht", sagt seine Frau Jelena - obwohl die Familie mit ihren beiden Kindern nur wenige hundert Meter von der MΓΌhle entfernt lebt.
"Wenn ein Vampir Sie beiΓt, sind Sie tot"
Auch Dorfbewohner Slobodan Jagodic freut sich ΓΌber die Vampirgeschichten. "Wir sollten die Legende am Leben erhalten und sie, wenn notwendig, mit einer kleinen LΓΌge aufpeppen", sagt er und zieht ein paar Knoblauchzehen aus der Tasche. Jagodic verweist auf einen Wallfahrtsort im benachbarten Bosnien: "Fragt heute noch jemand danach, ob die Jungfrau wirklich in Medjugorje erschienen ist?" Zehntausende pilgern jedes Jahr dorthin, obwohl der Vatikan das angebliche Wunder nie bestΓ€tigte. Fast jedes Land auf dem Balkan hat seine eigenen Vampire, sagt der US-Historiker James Lyon, der sich auf die Region spezialisiert hat. Die Legendengestalten auf dem Balkan hΓ€tten allerdings wenig gemein mit den Vampiren in Hollywoodfilmen. "Die Vampire in der slawischen Kultur sind keine potenziellen Freunde wie in dem Film 'Twilight'", sagt der Historiker. "Wenn so ein Vampir Sie beiΓt, dann verwandeln Sie sich nicht in einen Vampir, sondern dann sind Sie tot."