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Sinnlichkeit am Gardasee


Sinnliche Geschichte am Gardasee

srt / wanted.de

Aktualisiert am 12.06.2014Lesedauer: 4 Min.
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Strand mit Grand Hotel Villa Feltrinelli am Gardasee, wo Mussolini zuletzt residierteVergrößern des Bildes
Strand mit Grand Hotel Villa Feltrinelli am Gardasee, wo Mussolini zuletzt residierte (Quelle: Gerhard Merk)

Der Gardasee ist eine der beliebtesten Urlaubsregionen der Deutschen. Doch von Massentourismus keine Spur: Wer auf Literatur, Kultur und Geschichte setzt, findet hier genau das Richtige. Vor allem, da die Historie sinnlich aufgeladen ist. - natürlich inklusive guter Adressen für Gourmets.

Eigentlich hieß sie Frieda von Richthofen, ihr Lover war D.H. Lawrence. Als Tramper waren sie angereist, zu Fuß aus München. Der Skandalautor hatte seinem Professor in England die preußische Offizierstochter ausgespannt. Das war 1912, kurz vorm "Großen Krieg": Ihr Cousin Manfred würde nun bald als "Roter Baron" heroische Luftnummern liefern. Frieda aber gab für ihren Liebhaber die lüsterne Vorlage zur Lady Chatterley.

Erotisches in der Villa Giulia

Auf der Suche nach dem speziellen erotischen Zeitgeist liegt Mann in der Villa Giulia richtig: Spitze Giebel, ein rotes Dach unter Palmen, drinnen polieren Hausmädchen in steifen Schürzen Lüster aus Muranoglas. Es duftet nach Rosen und Zitrus. Wie in einer Schneekugel ist die Ära Königin Victorias konserviert. Wie bei Lawrence, der sich ein paar Häuser weiter für "Lady Chatterley's Lover" warm schrieb. >>

Barbara Bombardelli, die ebenso elegante wie sportive Besitzerin, hat ihr ererbtes Dornröschenschloss zum Retro-Retreat eingerichtet. Die Kellner in Weste und Fliege sind alert, aber keine Spur devot. Was sie auftragen, ist sternewürdig. Küchenchef Maurizio Bufi spielt sein apulisches Erbe aus, wenn er das Spanferkel tagelang schmort, bis das hauchzarte Fleisch von Honig und Thymian durchdrungen ist. Seinem buttermilden Zanderfilet mit jodstrenger Bottarga ist selbst der Direktor vom benachbarten "Grand Hotel a Villa Feltrinelli" verfallen. Dabei hat sein eigenes Restaurant einen Michelin-Stern.

Die Villa Feltrinelli war der letzte Wohnsitz von Benito Mussolini. Von hier aus regierte der italienische Diktator seine "Republik von Salò" als Puppenstaat von Adolf Hitlers Gnaden. Hier schließt sich der Kreis von der Politik zur Erotik: Der Duce hätte eine Steilvorlage zu einem Sex-Seller à la Lawrence geliefert. Denn als nimmersatter Womanizer zeigte sich der "Duce" als rastloser Liebhaber: Für Quickies mit seiner letzten Geliebten Clara Petacci soll er nicht einmal die Stiefel ausgezogen haben. Sein Liebesnest gehört jetzt einem Russen. >>

Am Strand nebenan turtelt das junge Europa unter dem von D.H. Lawrence besungenen "lieblichen, sonnigen, dahinschweifenden Himmel." Das besondere Licht und die prickelnde Luft haben also offenbar eine besondere Wirkung.

Beides hatte auch Gabriele D'Annunzio beflügelt, Schriftsteller und Dichter des Fin de Siècle. Eine Viertelstunde seeabwärts von Gargnano in Gardone Riviera liegt der protzige Wohnsitz des Vordenkers des Faschismus. 300.000 Menschen streifen jährlich durch seinen "Vittorale degli italiani" und bestaunen eine Operettenwelt mit Parks und Schluchten, mit Hafen und Amphitheater. Diverse Museen locken, vollgestopft mit Büchern und Militaria des "Dichtersoldaten". Da ist zum Beispiel jenes Flugzeug, aus dem er Flugblätter auf das feindliche Wien regnen ließ. Oder ein echter Kreuzer, dessen stählerner Bug nun aus einem Abhang in Richtung See sticht.

Übrigens war auch D'Annunzio, der eigentlich Rapagnetta ("Rübchen") hieß, ein zwanghafter Erotomane. In einem Nachthemd, das unterhalb des Bauchnabels ein goldumsticktes rundes Nichts aufwies, umwarb er die schönsten Frauen seiner Zeit. Die Schauspielerin Eleonora Duse war ihm hörig, andere Geliebte trieb er ins Kloster oder in den Drogenwahn. Entsprechend groß war sein Ego: Selbst seinen Verehrer Mussolini bürstete der eitle Alte mit dem Bemerken ab: "Das Beste am Faschismus stammt von mir."

Seltsam, wie sich hier die Wege kreuzen. Auch der Vater von Chansonnier André Heller, Stephan, hatte den "Duce" gefördert. Sein Sohn wiederum, das Wiener Allroundgenie, hat in Gardone Riviera die Wahnwelt des "schillernden Monsters" D'Annunzio konterkariert: In seinem Giordano Botanico – botanischen Garten - mäandern Wege durch Azaleen und Oleander, vorbei an Seerosenteichen, durch Felsen mit Enzian. Eidechsen huschen, es duftet nach Rosen und Robinien. Im Bambushain wallen künstliche Nebel. Werke verdienter Künstler spitzen aus dem Blätterwerk - von Keith Haring, Roy Lichtenstein, Miro. André Heller hat das Biotop des Zahnarztes Arthur Hruska (er zog dem letzten Zaren die Zähne) mit Sinnlichkeit aufgeladen.>>

Den Frauen war er ja selbst oft genug erlegen, in der bewegten Ehe mit der Schauspielerin Erika Pluhar oder in der feurigen Liaison mit der Ehefrau von Rudi Carrell. Es gibt noch viel Pikantes zu erzählen. Auch von Verweigerern, die vor den Verlockungen des Sees hinauf in die Berge flüchteten. Vom Dorf Sasso zum Beispiel führt ein pittoresker Steig unter Hopfenbuchen und Flaumeichen zum Eremo San Valentino. Auf schmaler Terrasse schmiegt sich die Einsiedelei unter eine Felswand, die ein urzeitlicher Gletscher ausgehobelt hat - und den ganzen Gardasee gleich mit. Da liegt er nun tief unten in milchig blauer Unschuld, ganz anders als viele seiner Fans.

Weitere Informationen: Anreisen mit dem Auto ab München über die Brennerautobahn in etwa vier bis fünf Stunden, Kosten für Benzin und Maut rund 95 Euro.
Wohnen und essen im Hotel Villa Giulia, Via Rimembranza, 20, Gargnano (BS), Italien, Tel. 0039/365/71022, info@villagiulia.it. www.villagiulia.it.
Traumwandeln im Vittoriale degli italiani von Gabriele D'Annunzio, Gardone Riviera (BS), Tel. 0039/365/296511, vittoriale@vittoriale.it, www.vittoriale.it oder im Giardino Botanico Fondazione André Heller, Via Roma, 1, Gardone Riviera (BS), Tel. 0039/336/410877, info@hellergarden.com, www.hellergarden.com.
Wandern in Gargnano auf den Spuren von D.H. Lawrence, oder von Sasso zur Einsiedelei San Valentino (45 Minuten).
Anschauen: den Palazzo Bettoni mit Garten und Nymphäum in Bagliaco, oder in Gargnano den Palazzo Feltrinelli, einst Mussolinis Verwaltungssitz, jetzt Uni Mailand und die Limonaie (Zitronengärten) mit kostenloser Führung.
Nachfragen bei der Assoziane Turistico Gargnano, Piazza Baldini, Tel. 0039/365/791243, www.gargnaosulgarda.it. Schmökern in der "Italienischen Dämmerung" und natürlich in "Lady Chatterley's Lover" von D.H. Lawrence, Diogenes.

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