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Mitten in einer Krisenspirale: "Alle Horrorszenarien sind wahr geworden"


"Alle Horrorszenarien sind wahr geworden"

Ein Gastkommentar von Claudia Kemfert

Aktualisiert am 08.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Brennende ร–lfelder im Irak im Jahr 2016 (Archivbild): Fossile Brennstoffe sind ein massives Risiko fรผr den Frieden, schreibt Energieรถkonomin Claudia Kemfert.
Brennende ร–lfelder im Irak im Jahr 2016 (Archivbild): Fossile Brennstoffe sind ein massives Risiko fรผr den Frieden, schreibt Energieรถkonomin Claudia Kemfert. (Quelle: imago stock&people)
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Die Welt steckt in einem Krisenmodus, auf den Politik und Wirtschaft jahrelang hingesteuert haben. Geht es so weiter, steht eine letzte Krise bevor, die alle bisherigen รผbertrifft, mahnt Energieรถkonomin Claudia Kemfert.

Die Schockwellen kamen mit Ansage: Vor knapp einem Jahr brach der Krieg in der Ukraine aus, dann kamen die Angst vor einer Gaskrise, eine zerborstene Ostsee-Pipeline und explodierende Energiepreise, gefolgt von der hรถchsten Inflationsrate seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Ende der Abwรคrtsspirale? Nicht abzusehen, im Gegenteil.

Wir wiederholen gerade die Fehler, die uns in diese Sackgasse manรถvriert haben. Deutschlands Gasproblem ist nicht gelรถst. Denn egal, wo es herkommt: Gas steigert das Kriegs- und Krisenrisiko ins Unermessliche. Nur erneuerbare Energien sind Friedensenergien.

Lรคngst ist klar: Die deutsche Energiepolitik hat den russischen Krieg gesponsert โ€“ doch daraus haben wir anscheinend nichts gelernt. Stattdessen rรผsten wir unser Land weiter mit fossilen Brennstoffen auf. Jedes neue Flรผssiggasterminal schmiedet neue Abhรคngigkeiten โ€“ wir tauschen das russische Unterdrรผckungsregime gegen die Autokraten aus Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das ist eine Niederlage, kein Befreiungsschlag.

Deutschland, ruhe sanft?

Im Frรผhjahr 2022 sind viele Menschen aufgeschreckt, als sich nicht mehr leugnen lieรŸ, dass Blut am russischen Gas klebt. Ich dachte: Jetzt haben alle den Schuss gehรถrt. Doch die Profiteure der fossilen Brennstoffindustrie wussten das Land erneut einzuwickeln. Sie sangen die altbekannten Schlaflieder vom Gas als preiswerter "Brรผckentechnologie" und verbreiteten ihr Lieblingsmรคrchen der angeblich unzuverlรคssigen Erneuerbaren. Deutschland, ruhe sanft!

Das Ergebnis: Die Bundesregierung tritt mit neuer fossiler Infrastruktur, die es nicht einmal gebraucht hรคtte, die nรคchsten Schockwellen los. Schon jetzt stecken wir in einer Klimakrise, die man zunehmend auch bei uns spรผrt โ€“ รผberdimensionierte LNG-Terminals, lange Vertrรคge mit neuen Gaslieferanten und der Wunsch, in Afrika frische Gasvorkommen anzuzapfen, rรผcken uns immer nรคher an den Abgrund.

(Quelle: Roland Horn/ DIW Berlin)

Claudia Kemfert, Energieรถkonomin

Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet seit April 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut fรผr Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist Professorin fรผr Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universitรคt. Sie gilt als die renommierteste Energieรถkonomin Deutschlands. In ihrem neuen Buch "Schockwellen", das am 8. Februar erschienen ist, beschreibt Kemfert, wie Politik und Wirtschaft sehenden Auges in die Energiekrise geschlittert sind, welche Rolle Konzerne wie RWE und Eon dabei gespielt haben und weshalb die neuen Gasprojekte der Bundesregierung Demokratie, Wohlstand und Frieden gefรคhrden.

Alle Warnungen waren vergebens

Was muss geschehen, damit die Menschen aus ihrem Dornrรถschenschlaf aufwachen โ€“ Verteilungskriege um sichere Wohngebiete, fruchtbares Land und Trinkwasser? Genau das steht uns nรคmlich bevor, sobald die fossilen Energien den Planeten so aufgeheizt haben, dass weite Regionen unbewohnbar werden.

Davor warnen wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenso eindringlich, wie wir jahrelang gemahnt haben, Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland nicht von Russlands Gas abhรคngig zu machen. Eine Regierung nach der anderen hat uns ignoriert. Und alle Horrorszenarien sind wahr geworden: Die hohen Energiepreise sind die Folge der fossilen Monokultur und unserer Abhรคngigkeit von dieser zerstรถrerischen Energieform. 300 Milliarden Euro muss Deutschland gerade investieren, um die akuten Folgen der Energiekrise einzudรคmmen. Wieder und wieder haben wir vor solchen Szenarien gewarnt โ€“ vergebens.

Richtig schlimm trifft es derzeit die ร„rmsten und Schwรคchsten. Aber das ist erst der Anfang. Als Nรคchstes drohen die Ignoranz der Politik und die Beschwรถrungsformeln der Brennstoffkonzerne, uns den Klimakollaps zu bringen โ€“ der trifft dann auch die Reichen. Einen Ersatzplaneten gibt es fรผr kein Geld der Welt.

Erkenntnis ja, Umsetzung nein

รœberall auf der Erde spรผren wir bereits die Folgen des fossilen Kriegs gegen die Natur: Hitzetote, Ernteausfรคlle, รผberflutete Dรถrfer, Stรคdte und Lรคnder. In Wirtschaft und Politik wird zunehmend erbittert um schwindende ร–l- und Gasvorkommen gekรคmpft, immer รถfter auch militรคrisch. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Klimaflรผchtlinge zu; die Menschen fliehen schon jetzt, weil es in ihrer Heimat nicht mehr auszuhalten ist โ€“ wegen Kriegen und Konflikten, Dรผrre, Hitze oder anderen klimabedingten Katastrophen. Je lรคnger wir am Gas hรคngen, desto schlimmer wird all das.

Uns bleibt nur ein enges Zeitfenster, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Den meisten ist das lรคngst klar. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

Die nรถtigen MaรŸnahmen sind alle bekannt, seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten. Im Kern geht es darum, die erneuerbaren Energien konsequent und schnell auszubauen, unsere Auto-zentrierte Verkehrspolitik gegen Stรคdte zu tauschen, in denen der Mensch im Zentrum steht. Es gilt, Gebรคude zu dรคmmen, zu sanieren und auf grรผnere Heizmethoden wie beispielsweise Wรคrmepumpen umzusteigen. AuรŸerdem mรผssen wir die Energie, die wir haben, viel effizienter nutzen โ€“ gerade auch in der Industrie. Wir mรผssen vernetzte Batteriespeicher und andere lรคngst erprobte Speichertechnologien fรผr grรผne Energien reinlassen, brauchen mehr Pumpspeicherkraftwerke und Wasserstoffspeicher.

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Die letzte Schlacht

Die To-do-Liste ist lang. Aber sie ist zu bewรคltigen, wenn wir sie gemeinsam angehen โ€“ Kommunen, Unternehmen und Privatleute. Dafรผr braucht es nur den politischen Willen und den richtigen Rahmen โ€“ passende Gesetze und vereinzelt auch gezielte finanzielle Fรถrderung.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass wir lรคngst in der Endrunde einer globalen Energiekrise stecken. Gas, ร–l und Kohle kรคmpfen ihre letzte Schlacht. Wer den Schuss noch immer nicht gehรถrt hat, will ihn nicht hรถren. Dabei sollten wir vor der erwartbaren Klimakatastrophe mindestens so viel Angst haben wie vor einem mรถglichen Atomkrieg.

Es wird Zeit, dass die Menschen erkennen, wie sie belogen und manipuliert werden. Es wird Zeit, dass wir unsere Demokratie und unsere Freiheit retten. Es wird Zeit, das fossile Zeitalter zu beenden.

Die im Gastbeitrag geรคuรŸerten Ansichten geben die Meinungen der Autorin oder des Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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