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Mit dem Lastenrad im Selbstversuch durch Bonn
Bonn wird langsam, aber sicher von LastenrÀdern erobert. Die Initiative "Bolle" verleiht sie kostenlos. t-online.de-Autorin Valeska Zepp hat eine Probefahrt gewagt.
Ob das mit BOBie und mir in Bonn noch etwas wird? BOBie heiĂt mein Lastenrad. Ich habe es ausgeliehen, um klimafreundlich im Gartencenter ein paar groĂe SĂ€cke Blumenerde zu kaufen. Einfach aufsteigen und losfahren, so hatte ich mir das vorgestellt.
Jetzt will BOBie lieber nach rechts fahren statt geradeaus. Das Rad beherrscht mich. Ohne zu ĂŒben, komme ich damit nicht durch den Bonner Verkehr. FĂŒr einen kurzen Moment will ich aufgeben. Dann spreche ich mir noch mal Mut zu.
Vom Lenker bis zum Sattel sieht BOBie aus wie ein ganz normales Rad. Hinten hat es allerdings eine LadeflĂ€che mit zwei RĂ€dern. Sie ist deutlich gröĂer als eine Europalette, kann bis zu 200 Kilo inklusive Fahrerin transportieren â und wiegt selbst mehr, als ich je anheben könnte.
"Bolle Bonn" verleiht freie LastenrÀder
Ausgeliehen habe ich das Transportrad bei "Bolle Bonn". Die Initiative gehört zum Verein Bonn im Wandel. Sie organisiert den Verleih von sechs freien LastenrÀdern. Jeder kann sie kostenlos nutzen.
Sie stehen das ganze Jahr ĂŒber an etwa 20 wechselnden Verleihorten zur VerfĂŒgung. "Das ist logistisch eine Herausforderung. Wir möchten aber, dass die Bonner unsere LastenrĂ€der in möglichst vielen Vierteln nutzen können", sagt Raphael Holland von "Bolle Bonn".
Und das tun sie auch. Im Sommer, schÀtzt Holland, sind die RÀder zu mindestens 80 Prozent der Zeit gebucht. Alles ist ehrenamtlich organisiert. Viele Privatpersonen beherbergen die LastenrÀder.
Aber auch öffentliche Einrichtungen und Unternehmen machen als Verleihstationen mit: wie das Kulturzentrum Brotfabrik in Beuel, der Fahrradladen in der SĂŒdstadt und der Outdoormarkt Unterwegs in der Innenstadt.
Einfaches Ausleihen
Das Ausleihen ist ganz leicht: im Internet registrieren und anmelden, Rad aussuchen, im Kalender die Ausleihtage anklicken und buchen. Dann vereinbart man per E-Mail mit dem Fahrradpaten den Abholtermin, geht hin und fĂ€hrt los. Wer sich, wie ich, mit gezieltem Griff das gewöhnungsbedĂŒrftigste Lastenrad ausgesucht, muss erst mal ĂŒben.
Nach einer halben Stunde konzentrierter Fahrt im Schneckentempo habe ich den Kniff endlich raus. Jetzt geht es voran â dank elektrischer UnterstĂŒtzung auch gegen den Wind.
Bis zum Gartencenter sind es nur wenige Kilometer. Bonns mĂ€Ăige Fahrradinfrastruktur offenbart sich hier auf ganzer Strecke. Die Fahrradwege sind teils so schmal, dass entgegenkommende Zweiradfahrer erschrocken abbremsen, weil sie fĂŒrchten, nicht an BOBie vorbeizukommen.
Zu wenig Platz und fehlende Radwege in Bonn
Meine Erlebnisse sind keine Einzelerfahrung. Der Bonner Wissenschaftsladen (Wila) hat Lastenradnutzer befragt. Sie nannten als Störfaktoren auf ihren Transportwegen in der Stadt vor allem: zu wenig Platz, fehlende Radwege, keine Möglichkeit, das Rad sicher abzustellen.
80 Prozent der Befragten gaben an, sie wĂŒrden das Lastenrad hĂ€ufiger nutzen, wĂ€re die Infrastruktur besser. FĂŒr mehr Lastenradverkehr in Bonn empfiehlt der Wila deshalb: breitere und sichere Radwege, eine klare VerkehrsfĂŒhrung an Baustellen, sichere, groĂe AbstellflĂ€chen, Falschparker auf Fahrradwegen stĂ€rker kontrollieren.
Von mehr Lastenrad- statt Autofahrten in der Stadt profitieren alle: Die Luft wird besser, die Staus weniger, das Klima geschĂŒtzt. Die Bonner Autofahrer reagieren erstaunlich rĂŒcksichtsvoll auf BOBie. Sie halten Abstand und fahren geduldig hinter mir her, statt riskant zu ĂŒberholen. Auf meinen tĂ€glichen Wegen mit dem normalen Rad erlebe ich meistens das Gegenteil.
Vor dem Gartencenter ist genĂŒgend Platz, um BOBie abzustellen. Das Riesendreirad zieht auch hier neugierige Blicke auf sich. Ein Mitarbeiter fragt, woher man so ein Ding bekommt und wie es sich fĂ€hrt. Ich verstaue die groĂen SĂ€cke Blumenerde auf der LadeflĂ€che und antworte: "Es fĂ€hrt sich gut, wenn man sich daran gewöhnt hat." Auch wenn ich es vor einer Stunde niemals gedacht hĂ€tte: Ich freue mich auf die RĂŒckfahrt mit BOBie.