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USA: Die Plastikflut erstickt Joe Bidens Klimaversprechen


Im Vergleich dazu ist Deutschland ein Paradies

Von Jule Damaske

Aktualisiert am 01.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Eine New Yorkerin protestiert gegen Wegwerfplastik: Kein anderes Land der Welt produziert so viel Kunststoffmüll wie die USA. Und es wird immer mehr.Vergrößern des Bildes
Eine New Yorkerin protestiert gegen Wegwerfplastik: Kein anderes Land der Welt produziert so viel Kunststoffmüll wie die USA. Und es wird immer mehr. (Quelle: John Lamparski/IMAGO)

Die USA klopfen sich beim Klimaschutz auf die Schulter. Doch die Pläne von Präsident Biden greifen zu kurz: Er ignoriert die Plastiksucht im Land.

Es gilt als eines der bedeutendsten Gesetze der US-amerikanischen Geschichte: US-Präsident Joe Biden hat vor wenigen Wochen ein Gesetzespaket unterzeichnet, das Milliarden von Dollars in den Klimaschutz lenken soll. Ziel ist es, den Ausstoß von Treibhausgasen massiv zu drosseln.

Doch Bidens Plan hat einen großen blinden Fleck – der einem im Land der unbegrenzten Möglichkeiten im Alltag an jeder Ecke begegnet: Die USA sind Plastik-Weltmeister.

Rund 40 Millionen Tonnen Kunststoffmüll türmen sich dort pro Jahr auf – doppelt so viel wie in China und mehr als in allen Ländern der EU zusammen. Dabei trägt Plastik massiv zur Klimakrise bei: Es wird aus Rohöl hergestellt, bei der Produktion und Verarbeitung entstehen große Mengen an klimaschädlichem CO2. Und auch bei der Entsorgung belasten die Plastikberge das Klima – gerade in den USA, wo ein Großteil der Abfälle nicht ins Recycling kommt.

94 Prozent des amerikanischen Plastikmülls landen auf Deponien, in der Müllverbrennung oder in der Natur. Doch das scheint die US-Regierung trotz ihrer großen Klimaversprechen nicht zu interessieren. Bidens Milliardeninvestitionen in den Klimaschutz bringen wenig, wenn er dem Plastik nicht den Kampf ansagt. Danach sieht es aber nicht aus.

Plastikkultur überall

Reisen Europäerinnen und Europäer durch die USA, haut sie die Plastikflut regelrecht um: In Supermärkten wie Walmart bekommt fast jedes Produkt an der Kasse eine eigene Plastiktüte, die Kundinnen und Kunden verlassen die Geschäfte mit bis zu zwanzig Stück. Beim Hotelfrühstück dominiert statt klirrendem Geschirr das Kratzen von Plastikbesteck auf Plastiktellern.

Das Personal muss den Container für das schmutzige Wegwerfgeschirr im Minutentakt leeren. Eine Plastikorgie, die sich landesweit jeden Morgen in Tausenden Hotels wiederholt. Selbst zu Hause verzichten US-Amerikanerinnen und Amerikaner im Alltag teils auf herkömmliches Geschirr – Einwegplastik muss man schließlich nicht abwaschen.

Die Philosophie dahinter ist offensichtlich: Aus den Augen, aus dem Sinn. Der überdimensional große Starbucks-Kaffee im Wegwerfbecher am Morgen gehört ebenso dazu wie das Mittagessen aus der Plastikschachtel. Selbst frisches Obst und Gemüse erhalten Amerikaner im Supermarkt fast ausschließlich eingeschweißt und in Plastikschüsseln, die gleich darauf im Müll landen.

Im Vergleich dazu erscheint Deutschland als plastikfreies Paradies.

Ein bisschen mehr Deutschland, bitte

Seit Sommer 2021 verbietet die EU Einwegprodukte aus Plastik wie Trinkhalme und Wegwerfbesteck. Die Rücklaufquote im deutschen Pfandsystem liegt bei 98 Prozent. Seit Anfang des Jahres sind Plastiktüten im Supermarkt – mit wenigen Ausnahmen – verboten. Immer mehr Drogerieartikel werden ohne Plastikverpackung angeboten, die "Unverpackt"-Läden für Lebensmittel haben es längst aus der Hippie-Nische geschafft. Plastikvermeidung wird hier mehr und mehr zum Alltag.

Dass die USA dagegen anmuten wie eine dystopische Parallelwelt, liegt an der amerikanischen Regierung. Die hält sich nämlich raus. Und überlässt es den 50 Bundesstaaten, den Plastikwahn einzudämmen. Bisher versuchen es einzig Kalifornien, ohnehin der Vorzeigestaat in allen Umweltfragen, und der Staat Washington.

Seit Beginn des Jahres werden in Restaurants im Bundesstaat Washington Einwegartikel wie Besteck und Strohhalme sowie Gewürztütchen und Saucenbecher nicht mehr automatisch bei der Essensbestellung ausgeteilt. Mit dem neuen Gesetz soll der Abfall reduziert werden. Ein echter Erfolg ist das aber nicht, denn wenn Kundinnen und Kunden es wünschen, können sie diese Artikel einfach dazubestellen.

In Kalifornien soll der Verbrauch von Einwegplastik bis zum Jahr 2032 um ein Viertel schrumpfen. Bis 2028 will der Staat außerdem dafür sorgen, dass mindestens 30 Prozent der in Kalifornien verkauften Plastikartikel recycelbar sind. Das ist zu wenig, zu spät – vor allem für den Sunshine-State als progressivster Vorreiter in den USA.

Denn bis die anderen US-Bundesstaaten nachziehen, könnten Jahrzehnte vergehen. Der Kampf gegen das hausgemachte Plastikmüllproblem hat derzeit in keinem der 50 Bundesstaaten Priorität. Kein Wunder, ohne klare Weisung von ganz oben.

Konsumfreiheit gleich Plastikfluch?

Bevor sich an der US-Klimafront überhaupt zusätzlich etwas tut, muss Bidens geplantes Klimapaket im November noch durch das Repräsentantenhaus. Vielleicht erwacht der Präsident noch und weitet die Initiative auf ein Anti-Plastikpaket aus.

Möglichkeiten zur Plastikreduktion hätte das in anderen Bereichen so innovative Land garantiert. Immerhin kommen nachhaltige Bewegungen wie Zero-Waste aus den USA, und auch der Elektro-Pionier Tesla ist ein amerikanisches Unternehmen. Doch beißt sich der Kampf gegen den Kunststoff mit dem US-Fetisch für ungezügelten Konsum?

Ob das groß inszenierte Klimapaket tatsächlich eines der "bedeutendsten Gesetze aller Zeiten" wird, bleibt abzuwarten. Ohne konkrete Maßnahmen zur Plastikreduktion hat es in jedem Fall ein großes Loch.

Während die Vermeidung von Plastik für einen Großteil der Bevölkerung Europas als wichtigstes Kriterium für eine nachhaltige Zukunft gilt und viele bereit sind, das eigene Konsumverhalten zu ändern, schreckt man in den USA noch davor zurück, sich irgendwie einzuschränken. Ein Bewusstsein für die Plastikflut? Fehlanzeige. Vor allem im Weißen Haus.

Verwendete Quellen
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