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Sehr niedrige Wahlbeteiligung in Tunesien


Kaum jemand stimmte ab
Tunesier ignorieren Parlamentswahl

Von dpa
Aktualisiert am 17.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Frauen vor einem Wahlbüro in Tunis: Nicht einmal jeder zehnte gab seine Stimme bei der tunesischen Parlamentswahl ab.Vergrößern des BildesFrauen vor einem Wahlbüro in Tunis: Nicht einmal jeder zehnte gab seine Stimme bei der tunesischen Parlamentswahl ab. (Quelle: Hassene Dridi/AP/dpa)
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"Die Menschen haben kein Vertrauen mehr": Nur neun Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Parlamentswahl teil. Die Opposition hatte zuvor zum Boykott aufgerufen.

Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung über ein neues und deutlich geschwächtes Parlament in Tunesien ist gering ausgefallen. Bis zur Schließung der Wahllokale gingen nach Angaben der Wahlkommission knapp neun Prozent der mehr als 9,2 Millionen Wahlberechtigten zu den Urnen – und damit deutlich weniger als bei den früheren Parlamentswahlen im Land.

"Die Menschen haben kein Vertrauen mehr in den politischen Prozess und die politischen Vertreter", sagt Malte Gaier, der das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis leitet. "Sie versprechen sich auch von dieser Wahl keine Verbesserung."

Staatschef hat sich weitreichende Befugnisse gewährt

Tunesiens Staatschef Kais Saied hatte das alte Parlament Ende März aufgelöst, um seine politischen Gegner zu schwächen und seine eigene Macht auszubauen. Seit der Einführung einer umstrittenen neuen Verfassung im Sommer kann der Staatschef auch ohne Zustimmung des Parlaments die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen. Die neue Volksvertretung wird nur noch wenige Befugnisse haben.

Die Opposition rief zum Boykott der Wahl auf. Sie wirft dem Präsidenten vor, die Demokratie zu untergraben. Auch der mitgliederstarke und einflussreiche tunesische Gewerkschaftsverband UGTT, der lange zu Saied gehalten hatte, nannte die Parlamentswahl "wenig sinnvoll".

Zucker und Butter gibt es derzeit nur selten

Für viele Tunesier war Saied lange Zeit ein Hoffnungsträger, inzwischen sinken seine Beliebtheitswerte aber rapide. Viele Menschen kämpfen Tag für Tag darum, über die Runden zu kommen. Lebensmittel sind teuer und mitunter knapp geworden. In Geschäften bitten Mütter inständig darum, mehr als die erlaubte eine Packung Milch pro Person kaufen zu dürfen. Auch Zucker und Butter gibt es derzeit nur selten. Immer mehr junge Tunesier machen sich auf den Weg nach Europa, um dort Arbeit und eine Perspektive zu finden.

Die Politik hat bislang keine Lösungen für die wirtschaftlichen Verwerfungen und die hohe Arbeitslosigkeit im Land gefunden. Die Führung in Tunis verhandelt derzeit zwar über einen Milliarden-Kredit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), um einen Staatsbankrott abzuwenden. "Der Kredit würde das Land erstmal am Laufen halten, aus der Schuldenspirale kommt es damit aber nicht", so Gaier. "Es gibt in Tunesien keinen Politiker, der die Weichen wirklich umstellen kann." Daran werde auch die Parlamentswahl nichts ändern.

Das neue Parlament wird aus 161 Abgeordneten bestehen. In einigen Wahlkreisen gibt es allerdings keine Kandidaten, so dass die Volksvertretung bis auf weiteres nicht vollständig besetzt sein wird. Mit ersten Ergebnissen rechnet die Wahlkommission bis Montag.

Saied kippte Frauenquote

Der Ex-Juraprofessor Saied änderte vor der Abstimmung auch das Wahlrecht. So konnten die Bürger nun nur noch für einen Vertreter pro Wahlkreis stimmen. Bei früheren Wahlen traten Parteien oder Parteienblöcke mit mehreren Kandidaten an, darunter mussten stets auch Frauen sein. Diese Pflicht entfällt nun.

Im abgesetzten Parlament waren Human Rights Watch zufolge aufgrund der Quotenregelung 31 Prozent der Abgeordneten weiblich. "Das tunesische Parlament war einst das Vorbild für Geschlechtergerechtigkeit in der Region. Mit diesen neuen Gesetzesänderungen könnte das bald Geschichte sein", schrieb die Organisation in einem Bericht.

Die Parlamentswahl findet am zwölften Jahrestag der Selbstverbrennung des Tunesiers Mohammed Bouazizi statt. Der Tod des Gemüsehändlers Ende 2010 löste Massenproteste und politische Umwälzungen in mehreren arabischen Ländern aus. Tunesien gelang danach als einzigem Land der Übergang zur Demokratie. Politische Machtkämpfe und grassierende Korruption verhinderten aber einen dauerhaften Wandel.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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