Bürgermeister-Wahl in Rom Virginia Raggis Griff nach der Macht
Sie wäre Roms erste weibliche Bürgermeisterin: Virginia Raggi von der Protestbewegung M5S inszeniert sich als Anti-Politikerin und gilt als Favoritin bei der heutigen Wahl. Was will sie?
Politische Erfahrung hat sie kaum. Verbindungen in die nationale Regierung erst recht nicht. Auf Siegerkurs ist sie trotzdem - oder gerade deshalb: Virginia Raggi, 37 Jahre jung, Wirtschaftsanwältin, verheiratet und Mutter, hat gute Chancen, bei den Stichwahlen an diesem Sonntag ins Rathaus in Rom einzuziehen. Sie wäre die erste Frau in der Geschichte der italienischen Hauptstadt, die den Kapitolshügel erobert und Bürgermeisterin wird.
Raggi tritt an für die Protestbewegung M5S, die der ehemaliger Komiker Beppe Grillo im Jahr 2009 gründete. Noch vor wenigen Monaten war sie kaum jemandem ein Begriff - per Onlineabstimmung wurde sie zur Kandidatin der M5S. Inzwischen ist sie ein Star. Bei der ersten Runde der italienischen Kommunalwahlen vor zwei Wochen verwies sie in Rom den Kandidaten der PD und Freund von Premier Matteo Renzi deutlich auf den zweiten Platz. Jetzt weiß mindestens ganz Italien, wer Virginia Raggi ist.
Raggi bleibt in vielen Fragen vage
Was will Virginia Raggi?
Raggi inszeniert sich als Anti-Politikerin, die Rom - hoch verschuldet, von Korruptionsskandalen erschüttert, verdreckt - von Grund auf sanieren will. "Die wahre Revolution für Rom wäre Normalität", so beschreibt Raggi das, worum es ihr geht. "Mobilität, Müllbeseitigung, mehr Transparenz", das habe Vorrang, sagte die Kandidatin bei einem Treffen mit dem "Spiegel". Politik sei im Grunde nicht ihr Geschäft. "Wir alle hier sind normale Bürger - aber solche, die es satthaben, an der Nase herumgeführt zu werden, so Raggi.
Im Wahlkampf hat sich die 37-Jährige außerdem gegen eine Bewerbung Roms um die Olympischen Spiele 2024 ausgesprochen. Es sei geradezu "kriminell", enorme Geldsummen für ein Sportevent auszugeben, "wenn Rom unter Verkehr und Schlaglöchern zusammenbricht".
In anderen politischen Fragen bleibt Raggi eher vage. Beobachter zweifeln daran, dass ausgerechnet sie, die politisch kaum Erfahrung hat - lediglich drei Jahre lang saß sie im römischen Stadtparlament - die Stadt aus der Krise holen, den Sumpf bekämpfen kann.
Grillo liebt den schrillen Auftritt, Raggi ist zurückhaltend
Politisch will sich Raggi wie die meisten in der Fünfsternebewegung nicht verordnen lassen. Sie gehöre "zum Lager des gesunden Menschenverstands", so Raggi gegenüber dem "Spiegel". "Wer eine sichere Stadt fordert, muss kein Rechter sein; und wer für funktionierende Schulen kämpft, kein Linker." Persönlich ist Raggi so etwas wie der Gegenentwurf zu dem Ex-Komiker Grillo, der die Fünfsternebewegung gründete. Grillo liebt den schrillen Auftritt, die One-Man-Show. Raggi tritt zurückhaltend auf.
Die Fünfsternebewegung kann eine außergewöhnliche politische Erfolgsgeschichte für sich verbuchen. 2013 stiegen die "Grillini" zur stärksten Einzelpartei in Italiens Parlament auf. Die M5S bewegt sich dabei quer zu allen herkömmlichen politischen Lagern als Total-Opposition. Mal profiliert sich die Partei, die keine sein will, mit ausländerfeindlichen Sprüchen, dann wieder kämpft sie für linke Positionen. Sie ist EU-kritisch, möchte den Euro abschaffen und durch Tauschgeld ersetzen.
Gewinnt Raggi in Rom, kann das beides heißen: Wenn es ihr gelingt, das Alltagsleben in der Stadt wirklich zu verbessern, dann könnte das der M5S Aufwind auch für Parlamentswahl im Sommer 2018 geben. Wenn nicht, dann droht das Gegenteil: Die Entzauberung der Populisten der Fünfsternebewegung.