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Haiti: Mutmaßliche Bandenmitglieder gesteinigt und lebendig verbrannt


Heftige Gewalt in Haiti
Mutmaßliche Bandenmitglieder gesteinigt und lebendig verbrannt

Von dpa, afp, lw

Aktualisiert am 25.04.2023Lesedauer: 3 Min.
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Auf offener Straße: Eine Menschenmenge hat hier mehrere Gangmitglieder getötet. (Quelle: Reuters)
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Bandengewalt in Haiti stürzt das Land in eine noch größere Krise. Einwohner schrecken nicht davor zurück, sich selbst zu verteidigen – und töten Gangmitglieder.

Aus Wut über die allgegenwärtige Bandengewalt haben Bewohner von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince mehr als ein Dutzend mutmaßliche Bandenmitglieder gesteinigt oder bei lebendigem Leibe verbrannt. Die Männer seien nach einer Polizeikontrolle am Montag "von Mitgliedern der Bevölkerung gelyncht worden", erklärte die Polizei.

Zuvor hatten Gangmitglieder Häuser geplündert und Bewohner angegriffen. Die Vereinten Nationen warnten, die Sicherheitslage in der haitianischen Hauptstadt gleiche immer mehr der in einem Kriegsland.

Die Polizei erklärte, bei der Durchsuchung eines Kleinbusses von mutmaßlichen Bandenmitgliedern seien "Waffen und andere Ausrüstung" gefunden worden. In der Folge sei die Bevölkerung über die Beschuldigten hergefallen und habe sie getötet. Die Polizei machte weder Angaben zur genauen Opferzahl noch dazu, wieso die Lage außer Kontrolle geriet. Haitianische Medien berichteten von etwa 14 getöteten Personen.

Verbrannte Leichen auf den Straßen

Die Männer wurden von Bewohnern des Stadtteils Canapé-Vert getötet. Augenzeugen zufolge wurden mehrere mutmaßliche Bandenmitglieder gesteinigt. Auf Fotos waren auf den Straßen liegende verbrannte Leichen zu sehen.

Die Gewalt hatte vor Sonnenaufgang begonnen, als Bandenmitglieder Augenzeugen zufolge in mehrere Wohngebiete der Hauptstadt eindrangen, Häuser ausraubten und Bewohner angriffen. "Das Geräusch der Projektile hat uns heute Morgen aufgeweckt", sagte ein Bewohner des an Canapé-Vert angrenzenden Stadtbeirks Turgeau. "Es war 3 Uhr, die Gangs sind bei uns eingefallen. Es gab Schüsse, Schüsse, Schüsse."

Ein anderer Bewohner drohte: "Wenn die Gangs bei uns einfallen, werden wir uns selbst verteidigen", etwa mit Macheten. Mütter, die ihre Kinder schützen wollten, sollten diese woanders hinbringen. AFP-Journalisten sahen bereits Männer, Frauen und Kinder, die mit Taschen und Bündeln mit ihren Habseligkeiten aus den betroffenen Stadtvierteln flohen.

Mehr Morde und Entführungen in Haiti

Die Vereinten Nationen veröffentlichten unterdessen einen Bericht, in dem die Zunahme von Morden und Entführungen in Haiti geschildert wird. Bewaffnete Banden konkurrieren demnach weiterhin darum, "ihre territoriale Kontrolle im Großraum Port-au-Prince auszuweiten". Die Gewalt breite sich dadurch auch in bisher nicht betroffene Stadtviertel aus, hieß es.

Angesichts der hohen Todeszahlen und einer zunehmenden Zahl von Stadtvierteln unter der Kontrolle bewaffneter Banden "hat die Unsicherheit in der Hauptstadt ein Niveau erreicht, das mit Ländern in bewaffneten Konflikten vergleichbar ist", warnt der Bericht. Die Zahl der Mordfälle in Haiti ist demnach in den vergangenen Monaten um 21 Prozent auf 815 im ersten Quartal des Jahres gestiegen. Die Zahl der Entführungen stieg im gleichen Zeitraum um 63 Prozent auf 637.

"Die Bewohner fühlen sich belagert"

Der Bericht verweist auch auf die Situation von Bewohnern des Elendsviertels Cité Soleil im Hafengebiet. Dort haben zuletzt Scharfschützen von Dächern aus Passanten auf der Straße erschossen. "Die Bewohner fühlen sich belagert. Sie können ihre Häuser aus Angst vor bewaffneter Gewalt und den von den Banden ausgeübten Terror nicht mehr verlassen", erklärte das Büro für UN-Nothilfekoordination für Haiti.

Allein in Cité Soleil wurden demnach zwischen dem 14. und 19. April bei Kämpfen zwischen Banden fast 70 Menschen getötet. Die Gewalt schränkt auch den Warenverkehr ein. Viele Schulen und Gesundheitseinrichtungen wurden geschlossen.

UN-Generalsekretär António Guterres bekräftigte die "dringende Notwendigkeit der Entsendung einer internationalen Spezialeinheit" nach Haiti. Nach einem entsprechenden Appell im Oktober hatten zwar mehrere Länder ihre Bereitschaft signalisiert, sich an einem solchen Einsatz zu beteiligen. Es übernahm aber kein Land die Führung.

Bandengewalt ein großes Problem in Haiti

Haiti leidet seit Jahren unter der Gewalt von Banden, die bisweilen politischen Akteuren nahestehen und nach UN-Angaben einen Großteil der Hauptstadt kontrollieren. Die Interimsregierung, die seit der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 an der Macht ist, bat vor rund einem halben Jahr um Hilfe durch eine bewaffnete internationale Truppe – die kam bislang nicht.

Haiti ist das ärmste Land des amerikanischen Kontinents. Der Karibikstaat erlebt eine Hungerkrise, die nach Angaben des UN-Welternährungsprogramms vom März einen kritischen Punkt erreicht hat. Hinzu kommt ein Cholera-Ausbruch, bei dem nach den jüngsten Zahlen des haitianischen Gesundheitsministeriums seit Oktober mindestens 670 Menschen ums Leben gekommen sind.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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