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Interview Stefan Hagemann: "Ein perfektes Modell ist kein Modell mehr"


Interview Stefan Hagemann
"Ein perfektes Modell ist kein Modell mehr"

Aktualisiert am 27.07.2021Lesedauer: 3 Min.
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Niemand kann in die Zukunft schauen. Klimaforscher versuchen mit komplizierten Computerprogrammen dennoch, die zukünftige Entwicklung des Klimas vorherzusagen. wetter.info sprach mit dem Physiker Stefan Hagemann vom Max-Planck-Institut für Meteorologie über die Schwierigkeiten bei der Modellierung des Klimas.

Schon der Wetterbericht für die nächste Woche ist sehr unsicher. Wie kann man denn dann das Klima in hundert Jahren vorhersagen?

Wettervorhersagen und Klimamodelle sind zwei völlig verschiedene Methoden, auch wenn sicherlich die gleichen physikalischen Prinzipien dahinter stecken. Bei der Wettervorhersage versucht man, das Wetter exakt Tag für Tag vorherzusagen, in allen Einzelheiten. Ein Klimamodell soll zeigen, wie sich langfristig das mittlere Wetter entwickelt. Man wird nie vorhersagen können, wie das Wetter am 2. Juli 2080 wird, das ist unmöglich. Was man aber sagen kann, ist: Wie wird das mittlere Klima? Wie wird über 30 Jahre ungefähr die mittlere Temperatur aussehen oder der mittlere Niederschlag? Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Probleme.

Trotzdem gibt es bei den Klimamodellen große Unsicherheiten. Woher kommen die?

Zum einen muss man für die Zukunft bestimmte Annahmen treffen. Wie entwickelt sich der Mensch? Wie entwickelt sich die Wirtschaft? Und was damit verbunden ist: Was für Treibhausgasemissionen und Aerosole gehen in die Atmosphäre und treiben damit das Klima an? Ein zweites Problem ist, dass ein Modell die Wirklichkeit nur sehr vereinfacht darstellt. Man hat bestimmte Fehler im Modell, und verschiedene Modelle liefern verschiedene Aussagen. Das ist wie bei einer Geschwindigkeitsmessung: Man misst mal zu langsam, mal zu schnell. Genauso modelliert das eine Modell die Temperaturen zu warm, das andere zu kalt, und dadurch entstehen eben Unsicherheiten. Man kann die Wirklichkeit nicht perfekt abbilden - Wenn ein Modell perfekt wäre, wäre es kein Modell mehr.

Wie könnte man diese Modelle denn besser machen?

Ein Klimamodell ist immer sehr komplex, da muss man Strahlung, Wasserkreislauf, Erdoberfläche und vieles mehr berücksichtigen. Verbessern kann man ein Modell, indem man mehr Komponenten mit herein nimmt. Zurzeit sehen wir zum Beispiel, dass die Vegetation eine Rolle spielt, und man ist gerade dabei, auch die Vegetation mit in die Modelle einzubauen. Wenn man aber immer mehr Komponenten berücksichtigt, gibt es auch wieder mehr Freiheitsgrade - und damit wieder mehr Unsicherheiten.

Also ist das noch keine Verbesserung...

Um diese Unsicherheiten zu reduzieren, benutzt man verschiedene Modelle, und bildet dann einen Mittelwert. So wie man mehrere Messungen macht, wenn man die Geschwindigkeit misst. Nun ist eine Geschwindigkeitsmessung natürlich viel genauer. Da hat man nur einen einzigen Wert, den man mal zu schnell, mal zu langsam misst, während ein Klimamodell natürlich ganz viele Variablen hat. Auch, wenn man verschiedene Modelle verwendet, kann man natürlich nicht sicher sein, dass man wirklich alle möglichen Beobachtungen abdeckt. Mehrere Studien zeigen aber, dass ein Mittelwert auf jeden Fall besser ist als jedes der einzelnen Modelle für sich genommen. In der Zukunft werden Klimaforscher häufiger mit mehreren Modellen arbeiten.

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Wie genau kann so ein Modell überhaupt werden?

Wir vergleichen die Modelle immer mit Beobachtungen. Auch Beobachtungen haben eine gewisse Unsicherheit, weil man auch dort immer Messfehler macht. Wenn man jetzt mit einem Modell die Vergangenheit simuliert und mit seinem Modell in der Unsicherheitsbreite der Beobachtungen ist, dann kann man zufrieden sein. Man wird es aber nie schaffen, das Klima bis auf ein Prozent genau in seinen Eigenschaften nachzusimulieren. Dazu ist zu viel Zufall im Spiel.

Die Modelle sind unsicher, die Politik muss aber klare Entscheidungen treffen. Wie sollte die Politik mit diesen Unsicherheiten umgehen?

Was die Politik macht, ist für mich schwer zu beurteilen. Ich bin Naturwissenschaftler. Ich muss Fakten liefern, und die Fakten sind zum Beispiel: im Mittel wird es in Niedersachsen 1,4 Grad wärmer, aber man hat eine Unsicherheit von einem halben Grad. Was damit tatsächlich gemacht wird, das müssen andere Leute entscheiden. Meine persönliche Meinung ist: Ich möchte nicht, dass es zu einem extremen Ende kommt, zu den Auswirkungen, die man bei einer starken Erwärmung hat. Deswegen bin ich der Meinung, man sollte darauf reagieren, dass solche Erwärmungen auftreten können und eher auf der sicheren Seite bleiben. Ein Politiker muss aber natürlich auch andere Interessen berücksichtigen.

Das Interview führte Malte Jessl

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