Erneuerung der Kirche Welle der Zustimmung für Papst Franziskus
Die offenen und kritischen Äußerungen von Papst Franziskus zur Katholischen Kirche haben überraschend viele positive Reaktionen ausgelöst. Italienische Zeitungen werteten das erste große Interview des Kirchenoberhauptes als historischen Stimmungswechsel. Der angesehene Mailänder "Corriere della Sera" nannte den Aufruf revolutionär.
Auch andere führende Zeitungen hoben die Äußerungen auf die Titelseite, sprachen von einer "Umarmung" und "zivilem Mut" des Papstes.
Kurswechsel gefordert
Der argentinische Pontifex hatte die Kirche eindringlich zu einem Kurswechsel aufgefordert. In dem am Donnerstag in mehreren jesuitischen Zeitschriften veröffentlichten Interview forderte er, dass sich die Kirche nicht nur mit Fragen der Abtreibung, der homosexuellen Ehe, der Scheidung und Verhütung befassen könne.
"Das geht nicht", kritisierte Franziskus und betonte, die Kirche solle vielmehr ein "neues Gleichgewicht" für ihre zahlreichen Lehren finden und helfen, die Wunden der Menschen zu heilen.
"Papst stößt Revolution an"
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, kündigte an, dass sich die Bischöfe bei ihrer nächsten Vollversammlung mit den Aussagen beschäftigen werden. "Das Interview des Heiligen Vaters ist ein beeindruckendes Zeugnis des Glaubens und gibt einen spannenden Einblick in die Biografie und das Denken von Papst Franziskus", sagte Zollitsch.
Auch in Italien bekam Jorge Mario Bergoglio viel Lob für sein kritisches Interview. "Der Papst stößt eine Revolution an", sagte Fabrizio Marrazzo, Sprecher des Gay Center in Italien. Er sei "viel weiter als viele Politiker". Franziskus hatte in dem Interview auch daran erinnert, was er vor einigen Wochen über Homosexuelle gesagt hatte: "Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott sucht, dann bin ich keiner, der sie verurteilt."
Der Vatikan-Journalist Andrea Torinelli von der Tageszeitung "La Stampa" bezeichnete die Aussagen als "Revolution, die vom Vatikan ausgeht". Die zentrale Botschaft Bergoglios sei das Bild von der "Kirche als Feldlazarett nach einer Schlacht".
Konkrete Reformen erwartet
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken rechnet jetzt mit konkreten Reformen. "Es kommen sehr ermutigende Zeichen aus Rom", sagte Präsident Alois Glück. Er erwartet, dass geschiedene Wiederverheiratete und konfessionsverschiedene Ehepaare künftig zur Kommunion zugelassen werden.
Glück betonte: "Papst Franziskus ist ein Wegbereiter der angstfreien Kommunikation - und genau das war einer der größten Wünsche vieler engagierter Katholiken. Er greift Themen unbefangen auf, die bisher tabuisiert und verdrängt wurden."
Auch die Laienorganisation "Wir sind Kirche" begrüßte das Interview. "Bergoglio leitet einen Erneuerungsprozess sein", sagte ein Sprecher in München. "Er weist darauf hin, dass die Kirche mehr ist als eine Moral-Instanz, die Verbote ausspricht."