Homöopathie-Eklat Apotheke bietet Impfstoff als Globuli an
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In Koblenz hat das Angebot einer Apotheke für Wirbel gesorgt. Sie hatte Impfstoffkügelchen gegen Corona beworben. Zuständige Behörden rotierten am Freitag.
Die Mitarbeiterin berät am Telefon freundlich und geduldig. Die Frau ahnt noch nichts vom Empörungssturm, der aus ganz Deutschland über die Schloss-Apotheke in Koblenz hereinbrechen wird. Es geht um die Homepage. Dort steht am Freitagmorgen: "Wir haben Pfizer/BioNTech Covid-19-Vaccine in potenzierter Form bis D30 als Globuli oder Dilution (zur Ausleitung) vorrätig."
Es ist ein Satz, der auch die Aufsichtsbehörde und das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut alarmiert: Globuli mit Impfstoff? Noch am Freitag wurden in der Apotheke bereits hergestellte Homöopathika mitsamt Zwischenprodukten vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung vorsorglich gesperrt.
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Doch von vorne. Die Recherche beginnt mit dem Anruf in der Apotheke als vermeintlicher Kunde: Eine Freundin habe von den Globuli erzählt. "Ich bin noch nicht geimpft, ich habe noch keinen Termin. Bieten mir die schon vorab einen Schutz?" Dieses mögliche Versprechen ist das, was einen Großteil der Empörung im Netz ausmacht. Lassen sich Menschen homöopathisch impfen?
Mitarbeiterin reagiert richtig
Die Antwort aus der Apotheke ist eindeutig: "Dazu ist es nicht gedacht, es bietet keinen Schutz vor Covid-19." Die Mitarbeiterin der Koblenzer Apotheke zählt aber sofort auf, dass es zur Vorbeugung vor Covid-19 andere Dinge gibt, Masken tragen nennt sie, und Vitamin C zum Beispiel: "Immunsystem stärken!" Das kommt oft zu kurz.
Aber wozu ist das Mittel? "Ausleitung" steht auf der Internetseite: Sollen durch die Zuckerkügelchen, die mit Impfstoff in Kontakt gekommen ist, vielleicht Inhaltsstoffe (schneller) ausgeschieden werden? Im Biontech-Impfstoff sind neben der Boten-RNA, Lipide, also Fette, die sie ummanteln, dazu körpereigene Salze und Saccharose, Zucker also. "Es wird genommen, um etwaige Impfreaktionen abzumildern", sagt die Mitarbeiterin am Telefon.
Wie das funktionieren soll, kann sie da nicht erklären. "Viele sagen, dass sie dann keine oder nur milde Reaktionen haben." Der größte Teil der Geimpften berichtet das auch – ganz ohne Globuli-Unterstützung. Zwei Wochen lang solle man das nach der Impfung nehmen, sagt die Frau.
Auch Moderna und Astrazenca im Angebot
Bei einer Impfung mit einem anderen Impfstoff sei das auch kein Problem: Die Apotheke habe auch Mittel mit dem Moderna-Impfstoff und mit Vaxzevria von Astrazeneca. Nachfrage mit gespielter Verwunderung: Also, die Impfstoffhersteller, "liefern die Ihnen jetzt sogar Impfstoff für die homöopathischen Mittel?"
Das ist ausgeschlossen, erklärt eine irritierte Sprecherin von Astrazeneca auf Anfrage. Erst müssten die Verpflichtungen gegenüber Regierungen und Gesundheitsorganisationen weltweit erfüllt werden. "Daher gibt es derzeit keine Lieferung, keinen Verkauf oder Vertrieb des Impfstoffs durch den privaten Sektor."
Aber woher kriegt die Apotheke den Impfstoff? Die Mitarbeiterin erklärt: "Wir haben Hausärzte, da bleibt ein Rest in der Ampulle."
Apotheke kontaktiert alle Käufer
Die Betreiberin hat einige Stunden später offenbar die Brisanz erkannt. Auf eine Anfrage meldet sich ein eingeschalteter Manager für Krisen-PR. Die Apothekerin will alle Käufer des homöopathischen Mittels nun noch einmal kontaktieren mit dem Hinweis, dass es keinesfalls Impfschutz bietet, erklärt der Sprecher.
Es handele sich um eine mittlere zweistellige Zahl von Kunden. Und das Mittel sei auch nicht beworben worden, sondern eigentlich nur produziert worden, weil Heilpraktiker danach gefragt hätten. Das bedeute, dass Käufer eigentlich auch alle entsprechende Beratung bekommen haben sollten. Zur Sicherheit soll es die erneute Kontaktaufnahme geben. Zudem wurde auf der Homepage der Apotheke prominent ein Hinweis veröffentlicht.
Impfstoff sind Reste aus Impfzentrum
Der Impfstoff ist aber nicht von Hausärzten abgegeben worden, recherchiert am Freitag das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV), das Aufsichtsbehörde ist: Die Apothekerin selbst hat demnach "Restmengen nach dem Aufziehen der Impfdosen, die sonst in den Müll geworfen worden wären, aus dem Impfzentrum in Koblenz und aus einem Altenheim mit in die Apotheke genommen".
Der Oberbürgermeister der Stadt Koblenz als Verantwortlicher des Impfzentrums sei eingeschaltet, nach seinem Ermessen geeignete Mittel zu ergreifen. Das LSJV erklärt aber auch: "Es gibt keine Hinweise oder den Verdacht, dass es sich dabei um noch verabreichungsfähigen Covid-19-Impfstoff handelt."
Untermauert ist damit aber: Es wurde wirklich Impfstoff eingesetzt. Auf Twitter wurden auch daran Zweifel laut. Denn: Wenn keiner genutzt würde, könnte das auch niemand nachweisen bei der entsprechend oft wiederholten Verdünnung. Die Potenz C30 bedeutet, dass ein Molekül auf eine Wasserkugel mit dem gigantischen Durchmesser des Abstands von der Sonne zur Erde kommt.
"Zucker mit 'nichts' hat keine Auswirkungen"
Impfstoff als Globuli sei deshalb ein Widerspruch in sich, erklärt eine Sprecherin des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts: "Ein Impfstoff enthält wirksame Bestandteile. Aus der Kombination von Zucker mit "nichts" sind weder positive noch negative Auswirkungen auf die Impfung zu erwarten." Das Institut will auf den Fall mit einem Hinweis zu "möglichen Angeboten von Covid-19-Impfstoffverdünnung" auf seiner Internetseite reagieren.
Ohne Wirkstoff ist es auch kein Arzneimittel, das eine Zulassung bräuchte – und sie dann nicht bekommen würde. Homöopathische Arzneimittel brauchen in der Regel gar keine aufwendige Zulassung, für sie ist eine Registrierung ausreichend. In kleinen Mengen produziert gibt es noch andere Regeln.
Hier kommt das rheinland-pfälzische LSJV wieder ins Spiel: Es sei bereits eine Prüfung eingeleitet, ob gegen arzneimittelrechtliche oder sonstige Vorschriften verstoßen worden ist. Grundsätzlich sei es aber für Apotheken zulässig, Homöopathika nach der im homöopathischen Arzneibuch beschriebenen Verfahrenstechnik auf Einzelanforderung von Patienten, Ärzten oder Heilpraktikern herzustellen, so eine Sprecherin. Die Anwendung erfolge dann "entsprechend der homöopathischen Therapierichtung als alternativmedizinische Behandlungsmethode".
Impfen mit Globuli fällt nicht darunter.
- Eigene Recherchen
- Homepage Schloss-Apotheke
- standard.at: Homöopathischer Corona-Impfersatz aus der Apotheke